Waldführung mit Michael Miersch Den Wald als Lebenselixier betrachten

Clausen/Zweibrücken · Der Wald ist unser Zuhause und unbewusst zieht es uns alle dorthin. Diese Weisheiten bekommt Michael Miersch immer wieder bestätigt. Seit Jahren lädt der 48-jährige Maschinenbau-Ingenieur regelmäßig zu Waldführungen ein.

Wie gebannt hingen die Teilnehmenden an den Lippen von Wald-Coach  Michael Miersch.

Wie gebannt hingen die Teilnehmenden an den Lippen von Wald-Coach Michael Miersch.

Foto: Cordula von Waldow

„Ihr müsst immer bedenken: Was ihr hier seht, ist genauso eine bestellte Plantage wie das Feld dort vorne“, beschreibt Michael Miersch. Der nach Wald-Experte Peter Wohlleben zertifizierte Wald-Coach, der gemeinsam mit Ehefrau Sandra und Sohn Nils die Stiftung „Waldeffekt“ ins Leben gerufen hat, betrachtet den Wald aus völlig anderen Augen. Er lehrt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei seinen Waldführungen und Seminaren, Bäume und ihre Bedeutung aus einer neuen Perspektive zu betrachten.

Beispielsweise mit einem Blick auf den Stammumfang. Sind alle Baumstämme etwa gleich dick, ist dies das sichere Zeichen für eine Plantage: Die Bäume wurden alle zur selben Zeit angepflanzt, um sie als Rohstoff für die Holzwirtschaft zu nutzen. Nicht umsonst heiße der Studiengang Forstwirtschaft, denn im Vordergrund stehen wirtschaftliche Interessen und keineswegs die Natur. „Ikea lässt grüßen“, fordert Michael Miersch bei seinen Waldführungen sich selbst und die Teilnehmenden quer durch alle Altersstufen dazu auf, „sich selbst an die Nase zu fassen“.

Immer wieder neue Möbel, Pellet-Heizungen in vielen Haushalten machen Holz zu einem begehrten Rohstoff. Der zwar nachwachse, doch in der freien Natur wesentlich langsamer, als Industrie und Konsum warten wollen. Ein Grund, um gerne schnell und geradewachsende Nadelbäume in Deutschland und auch im Pfälzerwald anzusiedeln. „Sie gehören nicht hierher. Denen ist es hier viel zu warm und viel zu trocken. Sie brauchen Nebel, denn die Feuchtigkeit wird über die Nadeln aufgenommen“, beschreibt der Wald-Coach.

Oft sehe man bei Wanderungen Kiefern und Buchen dicht umschlungen. Die scheinbar zärtliche Umarmung jedoch trügt, denn was stattfinde, sei ein Überlebenskampf. Den in unserer Region immer die Buche gewinne. Michael Miersch ist überzeugt: „Würden wir Menschen uns raushalten und die Natur gewähren lassen, hätten wir binnen 400 Jahren hier wieder reinen Buchenwald.“ Dann gebe es auch keine Zeckenplage mehr, denn die Parasiten sitzen an Pflanzen, durch die Wild streift, wie etwa Farn oder Ginster, die im Wald beide nichts verloren haben. Ebenso wenig wie Brombeeren, die nur dort gedeihen, wo Schneisen einen hohen Lichteinfall begünstigen. Immerhin helfen sie den Buchen, ihre Stämme zu schützen.

„Schaut euch mal die Buchen am Waldrand an. Was fällt euch auf?“, forderte Michael Miersch die Gruppe auf. Im Gegensatz zum Waldinneren, wo die unteren Äste regelmäßig abgeworfen werden, um Ressourcen für die Assimilation auf die hohen, sonnenbeschienen Zweige zu konzentrieren, hängen am Rand Zweige bis fast auf den Boden. Diese schützen die Baumstämme vor Sonneneinstrahlung und Austrocknung, ebenso, wie das trockene Laub im Winter die Erde. So mache keineswegs die Trockenheit im Sommer den Wäldern zu schaffen, sondern einzig trockene Winter. Dann nämlich würden die Depots aufgefüllt, die zur Blattbildung nötig seien.

Signalisiere ein Baum zu große Trockenheit, fahre die gesamte Baumfamilie ihren Wasserverbrauch herunter, um diesen Baum zu unterstützen. „Bäume sind soziale Wesen“, erkannten die Teilnehmenden. „Bäume ernähren sich zu 99,5 Prozent von CO2, also Kohlendioxid“, beschreibt Michael Miersch, weshalb gesunde Wälder eine sinnvolle Antwort auf die seit Beginn der Zeit immer wieder stattfindenden Klimaveränderungen seien. Allerdings müssten sie aus heimischen Bäumen bestehen, die exakt auf unser Mikroklima und vor allem die in der Erde vorhandenen Mikroorganismen abgestimmt seien und mit diesen zurechtkämen. Etwas, das kein woher auch immer importierter Baum leisten könne.

„Wir vertragen auch das Wasser in Indien nicht wegen der dortigen Mikroorganismen“, erinnert eine Teilnehmerin und zeigt damit auf, wie ähnlich sich Menschen und Bäume manchmal sind. Nicht nur das Aderwerk der Baumblätter entspricht dem unserer Lunge. Das Chlorophyll weist fast dieselben Bestandteile auf, wie das menschliche Blut. Ist Chlorophyll auf Grund seines Gehalts an Magnesium grün, färbt Eisen das Menschenblut rot.

Ähnlichkeiten gibt es auch im Heilungsprozess. Denn so, wie die menschliche Haut sich bei Verletzungen wieder schließt, vermag auch Baumrinde kleinere Wunden zu heilen.

Sowohl physische als auch soziale Eigenschaften verbinden die beiden Spezies. Die Symbiose zwischen Menschen und Bäumen besteht darin, dass die Bäume von unserem CO2 leben und uns dafür den lebenswichtigen Sauerstoff schenken. Ein Problem für Menschen und Natur seien großflächige Abholzungen. Michael Miersch weiß: „Die Fällung von Einzelbäumen kann ein Wald verkraften, eine Fläche nicht. Jede Schneise im Wald stört nachhaltig das bestehende, natürliche System und gefährdet damit Wald und Menschen.“

Eine Auswirkung, die oft übersehen werde. Denn „Wald“ sei keine Ansammlung von Bäumen auf einer größeren Grundfläche, sondern ein faszinierendes, natürliches Zusammenspiel von Bäumen und anderen Wesenheiten wie Pilzen sowie dem Menschen. Mit seinen Waldführungen wollen Michael Miersch und seine Ehefrau Sandra immer mehr Menschen erreichen und für das so bedeutende Zukunftsthema Wald sensibilisieren. Er wünscht sich, dass die Menschen Wald statt als Wirtschaftsraum wieder als das wahrnehmen, was er ist: ein Lebenselixier.

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