Berufungs-Auftakt am Landgericht Zweibrücken Neuer Prozess gegen VR-Bank-Kassierer

Pirmasens/Zweibrücken · Waren die internen Kontrollen zu lasch? Auch um diese Frage ging es am Mittwoch im Berufungsverfahren am Landgericht Zweibrücken gegen zwei Ex-Angestellte, die das Kreditinstitut um 1,139 Millionen Euro betrogen haben sollen.

 Die VR-Bank (Symbolbild) betont, mittlerweile die Kontrollen verbessert zu haben.

Die VR-Bank (Symbolbild) betont, mittlerweile die Kontrollen verbessert zu haben.

Foto: picture alliance / dpa/Martin Schutt

Eigentlich sollte am Mittwoch vor der Dritten Großen Strafkammer des Landgerichts Zweibrücken das Berufungsverfahren gegen zwei inzwischen 71- und 72-jährige Männer beginnen, die die „VR-Bank Südwestpfalz Pirmasens-Zweibrücken“, in der sie beschäftigt waren, über eine lange Zeit hinweg um 1,139 Millionen Euro betrogen hatten. Eigentlich. Denn gleich zu Beginn der Verhandlung beantragte der Verteidiger des älteren der beiden Angeklagten, der St. Ingberter Rechtsanwalt Robert Münch, ein Gutachten zur Verhandlungsfähigkeit seines Mandanten einzuholen. Der 72-Jährige sei krank, könne deshalb höchstens vier Stunden am Tag den Verhandlungen folgen. Woraufhin Oberstaatsanwältin Kristine Goldmann anregte, das Verfahren des 72-Jährigen abzutrennen und ein medizinisches Gutachten einzuholen. Diesem Vorschlag folgte das Gericht umgehend.

Und so saß am Mittwochnachmittag, als die Verhandlung fortgesetzt wurde, nur noch der 71-Jährige auf der Anklagebank. Zwar startete auch dessen Verteidiger, der Pirmasenser Rechtsanwalt Rainer Fuchs, einen ähnlichen Versuch, „vor der Fortsetzung des Verfahrens“ ein medizinisches Gutachten einzuholen – jedoch erfolglos. Der Vorsitzende Richter Andreas Herzog verwies darauf, dass der 71-Jährige zu Beginn der Verhandlung auf eine entsprechende Frage hin bereits zugestimmt hatte, dem Prozess weiter folgen zu können.

Die Vorgeschichte dieses Berufungsverfahrens: Im Oktober 2020 hatte dasAmtsgericht Pirmasens die beiden ehemaligen Kassierer der VR-Bank in einem Strafverfahren wegen gemeinsamen gewerbsmäßigen Betrugs und Unterschlagung zu je drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Kurz darauf legten sowohl die beiden Männer als auch die Staatsanwaltschaft Zweibrücken (sie hatte seinerzeit eine vierjährige Freiheitsstrafe gefordert) Berufung ein. Die damaligen Verteidiger, die Pirmasenser Rechtsanwälte Rainer Fuchs und Manfred Gampfer, plädierten seinerzeit auf Freispruch, weil die Taten verjährt seien. Denn sie gingen davon aus, dass die Bankangestellten letztmalig zum Jahreswechsel 2005/2006, also vor über 15 Jahren, in die VR-Bank-Kasse gegriffen hätten (wir berichteten). Weil das Urteil wegen der von der Verteidigung als auch von der Anklagebehörde eingelegten Berufung noch nicht rechtskräftig werden konnte, befinden sich die beiden Rentner bis heute auf freiem Fuß.

Zwischenzeitlich hatte die Zweite Zivilkammer des Landgerichts Zweibrücken die beiden ehemaligen Kassierer verurteilt, der Bank die veruntreuten 1,139 Millionen Euro zuzüglich der seit Anfang 2018 angefallenen Zinsen zurückzuzahlen. Auch diese Entscheidung hatten die Männer angefochten, weshalb sich das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken dieser Zivilsache demnächst nochmal annehmen muss – wann, steht noch nicht fest.

Nun hat also das Berufungsverfahren vor der Dritten Großen Strafkammer des Landgerichts Zweibrücken begonnen, für das sechs Fortsetzungstermine bis zum 20. Juni geplant sind. Und wieder geht es um die Millionen-Summe, die die Ex-Kassierer im Zeitraum von 2002 bis 2018 beiseite geschafft haben sollen. Den Betrag wollen sie nach eigenen Angaben einem Werttransport-Unternehmer geliehen haben, der damals auch für die VR-Bank tätig war. Dieser Geldbote, ein unter anderem wegen Betrugs vorbestrafte Kaufmann aus Kaiserslautern, hatte bei seiner damaligen Vernehmung zwar zugegeben, tatsächlich von den Ex-Kassierern Geld bekommen zu haben – allerdings „nur“ 60 000 Euro, niemals jedoch 1,139 Millionen Euro. Den durch das angebliche Darlehen für den Werttransporteur entstandenen Fehlbetrag hatten die Kassierer zunächst mit Hilfe fingierter Geldtransfers über eine Art Zwischenkonto verschleiert. So war der Eindruck entstanden, die Beträge befänden sich noch in der Kasse der Bank. Offenbar war es den beiden erfahrenen Bankangestellten gelungen, über lange Zeit die innerbetrieblichen Kontrollmechanismen wie die innerbetriebliche Revision zu umgehen, auszutricksen oder zumindest unwirksam zu machen. Als jedoch ein jüngerer Kassierer den älteren, der seinerzeit kurz vor der Rente stand, ersetzen sollte und der Schwindel im Zuge der Kassenübernahme aufzufliegen drohte, offenbarte sich der Angestellte am 26. Februar 2018 telefonisch einem VR-Bank-Vorstand. Sein mutmaßlicher Komplize war zu diesem Zeitpunkt schon im Ruhestand. Von dem veruntreuten Geld fehlt jede Spur – bis heute.

Am Mittwoch sagte als einziger Zeuge jener VR-Bank-Vorstand aus, dem der jüngere der beiden damaligen Kassierer die Veruntreuung gebeichtet hatte. Der Manager antwortete auf eine entsprechende Frage von Verteidiger Fuchs, der die mangelnde Kontrolle im Geldinstitut moniert hatte: „Nein, zu leicht haben wir es ihnen nicht gemacht, sondern die beiden haben es zu geschickt gemacht.“ Sie hätten aufgrund ihrer jahrzehntelangen Erfahrung „das System durchschaut und dessen Schwachstellen ausgenutzt“. Zum Beispiel indem sie hohe Beträge über ein Zwischenkonto, das er „Transportkonto“ nannte, zwischen Hauptkasse und den Geschäftsstellen der Bank hin und her buchten, so dass niemand mehr so recht nachvollziehen konnte, ob das Geld physisch überhaupt vorhanden sei. Inzwischen habe man die Kontrollen verbessert, versicherte der Bank-Vorstand.

Indes hielt es der verbliebene Angeklagte so wie es er und sein Ex-Kollege bereits in den vorangegangenen Verhandlungen gehalten hatten: Er schwieg.

Fortgesetzt wird die Verhandlung nächsten Montag, 16. Mai, 9 Uhr.

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