WM-Vorbereitung mal anders „Vorsicht, die Bulgogi kommen!“

Zweibrücken · WM-Vorbereitung mal anders: Merkur-Redaktionsmitglied Mirko Reuther kocht sich durch die Landesküche der deutschen Gegner. Heute: Südkorea.

 Würden die Südkoreaner kicken, wie sie kochen, wären sie heute nicht Außenseiter. Das marinierte Rindfleisch spielt geschmacklich in der ersten Liga.

Würden die Südkoreaner kicken, wie sie kochen, wären sie heute nicht Außenseiter. Das marinierte Rindfleisch spielt geschmacklich in der ersten Liga.

Foto: Shahab Sohrabi

Nachdem das kroosartige Ende der Partie gegen Schweden mit mehreren Gläsern Gerstenkaltschale angemessen begossen worden ist, wird es für mich wieder ernst. Schließlich will ich vor dem alles entscheidenden WM-Vorrundenspiel heute um 16 Uhr in Kasan gegen Südkorea wieder am Herd stehen und von der Landesküche des Gegners messerscharf auf dessen Taktik, Mentalität und Schwachpunkte schließen.

Das Problem ist: Die koreanische Küche ist kompliziert. Für Gericht X bräuchte ich eine obskure Pfanne, für die ein dreistelliger Preis aufgerufen wird. Für Gericht Y soll ich über offenem Feuer kochen. Da ich mich auf der Tollpatschigkeits-Skala zwischen Mister Bean und dem Elefant im Porzellanladen einreihe, bekommen meine Mitmenschen aber schon Schweißausbrüche, wenn sie mich mit einem Streichholz hantieren sehen. Deshalb wird mit den Schlagworten „Koreanische Küche“, „idiotensicher“ und „ungefährlich“ wieder die Googlesuche bemüht. Und das Gericht, das der Rechner ausspuckt, lautet – Bulgogi. Klingt ein wenig, wie eine feindliche Spezies aus Star Trek: „Vorsicht Captain, die Bulgogi kommen!“

In Wirklichkeit bedeutet Bulgogi aber so viel wie mariniertes „Feuerfleisch“. Nicht weil es so scharf ist, sondern weil man es traditionell ebenfalls über offenem Feuer zubereitet. Eine Grillpfanne tut es aber auch, wie ich mit Erleichterung nachlese. Einen Besuch bei meinen Eltern nutze ich zum Kochen. Damit schlage ich zwei Fliegen mit einer Klappe. Zum einen dienen mir Eltern, ebenfalls anwesende Geschwister und Kumpel Shahab als Versuchskaninchen. Zum anderen sieht mal nicht meine eigene Küche aus wie ein Schlachtfeld. Der Nachteil: meine mit viel Wohlwollen unterdurchschnittlichen Kochkünste werden von Seiten meiner Mutter mit teils mitleidigen, teils belustigten Blicken quittiert. Kennt noch jemand das Gefühl aus dem Kindesalter, wenn man eine Sache grandios verbockt hat und Mama sagte: „Ich bin nicht sauer, ich bin nur enttäuscht“? So fühle ich mich jetzt.

Die Scham versuche ich mit einem Gläschen Soju runterspülen. Das ist ein südkoreanisches Alkoholgetränk aus Reisdestillat, das durch Bambuskohle filtriert wird. Soju ist der meistverkaufte Alkohol der Welt – weit vor Whiskey und Co. Im Jahr 2004 wurden davon allein in Südkorea über drei Milliarden Flaschen an den Mann gebracht. So viele Menschen können nicht irren, denke ich. Und liege sowas von daneben. Bäh! Schmeckt scheußlich. Ein wenig so, als hätte man billigen Wodka aus dem Discounter mit abgestandenem Zuckerwasser versetzt. Ernsthaft Südkorea, ich bin enttäuscht. Ich verstehe ja, dass man auf komische Ideen kommt, wenn jenseits der nördlichen Grenze ein irrer Diktator mit Nuklearschlägen droht – aber sowas wie den Soju auf die freie Welt loszulassen, ist trotzdem grenzwertig.

Naja, jetzt wird aber erstmal gekocht. Wie das läuft? Rindfleisch – am besten Rinderhüftsteak – wird in dünne Scheiben geschnitten. Anschließend werden auch Möhren, Zwiebeln und Frühlingszwiebeln geschnibbelt. Außerdem soll ich laut Rezept fünf Zehen Knoblauch und eine asiatische Nashi-Birne pürieren. Beim Knoblauch nehme ich die doppelte Menge. Weil – ist halt Knoblauch, jede weitere Erklärung überflüssig. Weil ich keine asiatische Birne zur Hand habe, nehme ich eine Kiwi. Die Nashi-Birne besitzt nämlich ein Enzym, das das Fleisch in der Marinade schön zart macht. Die europäische Birne hat dieses Enzym nicht – die Kiwi aber schon.

Nachdem ich mir selbst auf die Schulter geklopft habe, weil ich unseren Lesern diese wertvolle Information habe zuteil werden lassen, wird aus Sojasauce, braunem Zucker, Honig, Sesamöl, der Knoblauch-Kiwi-Pampe, Pfeffer, koreanischem Chilipulver sowie ein paar Spritzern Sake und Reisessig die Marinade vorbereitet. Das Fleisch wird gut mit der Marinade vermischt und kommt für mindestens vier Stunden in den Kühlschrank. Danach kurz und scharf anbraten – dann kann eigentlich schon gefuttert werden. Das Ergebnis: auch wenn ich mich bei der Zubereitung ein wenig tollpatschig angestellt habe, schmeckt die leicht süßliche Marinade in Verbindung mit dem Rindfleisch richtig stark. Nimm das, Mama!

 Zur großen Kochkarriere fehlen Merkur-Redaktionsmitglied Mirko Reuther nach eigener Aussage lediglich Talent, Geschick und Grundlagenwissen. 

Zur großen Kochkarriere fehlen Merkur-Redaktionsmitglied Mirko Reuther nach eigener Aussage lediglich Talent, Geschick und Grundlagenwissen. 

Foto: Shahab Sohrabi
 In geselliger Runde kosten die Versuchskaninchen – Verzeihung, Familie und Freunde – das südkoreanische Gericht.

In geselliger Runde kosten die Versuchskaninchen – Verzeihung, Familie und Freunde – das südkoreanische Gericht.

Foto: Kristin Reuther

Allerdings bin ich mir unschlüssig, welche klugen Tipps ich dem Bundestrainer nun mit auf den Weg geben soll. Das Essen war super, aber den Soju kann ich den Südkoreanern auch mit etwas Abstand nicht verzeihen. Deshalb meine Warnung: Aufpassen Jogi, der kommende Gegner hat bei der WM bislang ziemliche Grütze gespielt. Aber meine kulinarische Recherche hat ergeben: In Südkorea liegen Genie und Wahnsinn eng beieinander.

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