Vorreiter bei der allgemeinen Schulpflicht
Zweibrücken · Die Reformation hatte im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken schon früh den Ausbau des weltlichen Bildungswesens zur Folge.
Martin Luthers Forderung, dass jeder Christ, egal ob Mann oder Frau, ob arm oder reich, das Evangelium selbst lesen können muss, hatte weitreichende Folgen für das Schulwesen. Bereits 1524 forderte er in einem Sendbrief die Ratsherren der deutschen Städte auf, christliche Schulen einzurichten und zu unterhalten. Mit der Reformierung des Kirchenwesens war daher auch der systematische Aufbau eines weltlichen Schulwesens untrennbar verbunden.
Die evangelischen Landesherren und Stadträte regelten durch Verordnungen das Bildungswesen. Deren Umsetzung in den Schulen kontrollierten sie durch Visitationen, indem sie regelmäßige die einzelnen Schulen besuchten. In allen größeren Pfarreien entstanden deutsche Elementarschulen. Beide Geschlechter wurden aus Kostengründen zunächst gemeinsam unterrichtet.
Das Herzogtum Pfalz-Zweibrücken zählt zu den ersten, die die allgemeine Schulpflicht für Jungen und Mädchen einführten. Die Verordnung hierüber ist bereits 1574 unter Herzog Johann I. belegt. Allerdings ließ sie sich erst im 18. Jahrhundert durchgängig durchsetzen. Die Elementarschulen wurden ebenso zu einem wesentlichen Träger der evangelischen Kultur wie die in den Städten nur für Jungen bestimmten Lateinschulen.
Die Schulmeister, meist Pfarramtskandidaten, vermittelten neben Lesen und Schreiben evangelische Glaubensinhalte sowie Zucht und Ordnung. Aus Lateinschulen entwickelten sich die beiden traditionsreichsten protestantischen Gymnasien der Pfalz: das Gymnasium am Kaiserdom (1540) in Speyer und das Herzog-Wolfgang-Gymnasium von Zweibrücken (1559 bis 1988). Diese Schulen prägten über Jahrhunderte die akademische Führungsschicht der Pfalz. Das "Gymnasium Illustre", wie die Schule genannt wurde, lehrte anfangs vorwiegend Religion und alte Sprachen, die anhand der historischen, klassischen Literatur vermittelt wurde. Ziel war es, im Gedankengut der Renaissance loyale Beamte für den Herzog heranzubilden.
Nach dem Dreißigjährigen Krieg, als das "Gymnasium Illustre" nach mehrfachen Umzügen endgültig in Zweibrücken beheimatet war, stellte es unter Pfalzgraf Johann I. den Übergang zur Universität dar. Nun wurden auch "Realien" vermittelt, Naturwissenschaften, Mathematik, Astronomie oder Astrologie. Mit 900 Bänden seiner privaten Bibliothek stellte der Herzog den Schülern enormes Wissen zur Verfügung. Zu dieser Zeit entwarf der Humanist, Schulreformer, Gelehrte und Pädagoge Johannes Sturm (1507 bis 1589) im Elsass eine neue Schulordnung weit über die Kirchenordnung hinaus. Die Neuordnung des Schulwesens in Straßburg sowie Lehrplan, -methode und -ziel hatte er in seiner Schrift "De litterarum ludis recte aperiendis liber" veröffentlicht. Die für damalige Verhältnisse pädagogisch fortschrittliche Schule bot später Vorlesungen in Dialektik, Rhetorik, Theologie, Philosophie, Recht und Medizin an. Dieses wurde sehr rasch europaweit zu einem Vorbild humanistischer Schulgestaltung. Sturm fasste seine Vorstellungen vor allem in der Schrift "Scholae Lauinganae" ("Lauingische Schulen", 1565) zusammen. Gemäß den Vorgaben Luthers und Melanchthons war das Theaterspiel von herausragender Bedeutung. Auf diesem Weg lernten und übten die künftigen Führungspersönlichkeiten, öffentlich aufzutreten und sich gewählt wie verständlich zu artikulieren.
Zum Thema:
Neuer Himmel. Neue Erde. Die Ausstellung ist zu sehen bis 14. Mai 2017. Jeden Mittwoch um 15 Uhr wird eine offene Führung angeboten. Außerdem Gruppenführungen nach Voranmeldung zu vereinbarten Terminen. Stadtmuseum Zweibrücken im Petrihaus, Herzogstraße 9, 66482 Zweibrücken, Telefon (0 63 32) 871-380. www.zweibruecken.de/museum