Vom Schlagbaum nach Europa

Unter einer Zollstation können sich jüngere Zweibrücker glücklicherweise nichts mehr vorstellen. Im vereinten Europa wäre sie sicher fehl am Platz. Als ich ein kleines Mädchen war, gab es ihn noch, den Zoll. Nicht irgendwo weit entfernt, sondern direkt vor unserer Haustür. Er gehörte fast wöchentlich zur Realität unseres Familienlebens

Unter einer Zollstation können sich jüngere Zweibrücker glücklicherweise nichts mehr vorstellen. Im vereinten Europa wäre sie sicher fehl am Platz. Als ich ein kleines Mädchen war, gab es ihn noch, den Zoll. Nicht irgendwo weit entfernt, sondern direkt vor unserer Haustür. Er gehörte fast wöchentlich zur Realität unseres Familienlebens.Wenn man Richtung Homburg fährt, wo heute eine große Inschrift "Tropisches Museum" auf der linken Seite zu lesen ist und dem Autohaus auf der rechten, genau da war er angesiedelt. In meiner Erinnerung waren es dunkle Baracken rechts, aus denen die mit Uniform bekleideten Männer kamen, um uns zu kontrollieren und manchmal auch zu durchsuchen.

Eine zahlreiche Verwandtschaft im Saarland sorgte für unser abwechslungsreiches Leben am Einöder Grenzübergang. Zu Zeiten, als das Saarland vor dem Volksentscheid als autonomer Staat noch unter französischer Kontrolle stand, schmuggelten wir eifrig Waren jeder Art, ja sogar ganze Strickmaschinen, für unsere lieben Verwandten ins Saarland. Mit manchmal grotesken Szenen: die Strickmaschine, zum Beispiel, wurde auf die Hinterbank des alten Familienkäfers gepackt und ich musste mich während der ganzen Fahrt auf der Maschine schlafend stellen. Weshalb? Die Hoffnung war, dass der kinderfreundliche Grenzbeamte das schlafende Kind nicht wecken und vor allem die Strickmaschine nicht entdecken würde. Allez, es war damals gut gegangen!

Auch andere Episoden bevölkern meine kindliche Erinnerungswelt aus jener Zeit: die Puppe für eine meiner saarländischen Cousinen durfte nur für den Grenzübergang zu meiner eigenen und auf sicherem Gebiet auf der anderen Seite wieder abgegeben werden. Und so kamen auch ganze Kleiderberge, in die wir uns doppelt und dreifach hüllten, auf die saarländische Seite. Einmal hatte meine Mutter sogar ein Paar Sportschuhe unter ihrem Rock versteckt…

Für uns Zweibrücker war es eine solidarische, streckenweise auch eine lustige Zeit, für unsere Verwandtschaft aus dem Saarland wohl weniger. Und zum Glück für uns alle heute nur eine Erinnerung.

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