Zweibrücker Ordnungsamtsmitarbeiter soll auf Facebook mit Fake-Reisewarnung Muslime verunglimpft haben Volksverhetzungs-Urteil: Staatsanwaltschaft legt Berufung ein

Zweibrücken · Die Ankläger hatten Haft auf Bewährung gefordert – das Amtsgericht den Ordnungsamts-Mitarbeiter nur zu einer Geldstrafe verurteilt. Die Stadt schweigt über mögliche Konsequenzen.

 Der vom Amtsgericht (noch nicht rechtskräftig) wegen Volksverhetzung Verurteilte arbeitet im städtischen Ordnungsamt, das im bunten Behördenzentrum in der Maxstraße 1 untergebracht ist.

Der vom Amtsgericht (noch nicht rechtskräftig) wegen Volksverhetzung Verurteilte arbeitet im städtischen Ordnungsamt, das im bunten Behördenzentrum in der Maxstraße 1 untergebracht ist.

Foto: Rainer Ulm

Im Zweibrücker Volksverhetzungs-Fall ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Die Staatsanwaltschaft hat unmittelbar nach dem Urteil des Amtsgerichts Zweibrücken Berufung eingelegt. Damit ist der Richterspruch vom Mittwoch gegen einen Mitarbeiter des Zweibrücker Ordnungsamts, der wegen Volksverhetzung 4200 Euro Geldstrafe (70 Tagessätze à 60 Euro) zahlen soll (wir berichteten), noch nicht rechtskräftig.

Der Mann soll im August 2019, damals stand er als Hausmeister an einem Zweibrücker Gymnasium ebenfalls im Dienst der Stadt, auf seiner unter einem Pseudonym geführten Facebook-Seite eine angebliche „Reisewarnung“ des Auswärtigen Amtes von einem anderen Account weiterverbreitet (im Soziale-Medien-Jargon: geteilt) haben. Diese für jeden Facebook-Nutzer sichtbare „Reisewarnung“, in der das deutsche Außenministerium angeblich vor Einreisen in die Bundesrepublik warnt, hatte die Zweibrücker Staatsanwaltschaft als volksverhetzend eingestuft und beim Amtsgericht einen Strafbefehl gegen den Mann erwirkt.

Weil der Angeklagte diesen Strafbefehl nicht akzeptiert hatte, musste vorm Amtsgericht mündlich verhandelt werden. Oberstaatsanwältin Kristine Goldmann hatte in ihrem Schlussvortrag eine viermonatige Freiheitsstrafe beantragt, die zur Bewährung ausgesetzt werden solle. Der Verteidiger des Angeklagten, der Saarbrücker Rechtsanwalt Wolfgang Kuntz, plädierte hingegen auf Freispruch.

Unserer Zeitung liegt ein Screenshot, also ein Bildschirmfoto, dieser auf Facebook geteilten „Aktuelle(n) Reisewarnung“ vor. Zwar ist trotz des abgebildeten Bundes-Adlers und der Deutschland-Flagge schnell an den wohl bewusst gemachten Schreibfehlern zu erkennen, dass es sich um (rassistische) Satire handelt: „Das Ausfertige Amt warnt vor Reisen in die Buntesrepublik Deutschland.“ Jedoch war die Begründung für diese „Reisewarnung“ strafrechtlich relevant: „Männer, Frauen und Kinder begeben sich bei Einreise in akute Lebensgefahr. Schwerste Straftaten wie Vergewaltigungen und Abschlachtungen durch illegale Einwanderer sind an der Tagesordnung.“

Ob auch die Verteidigung Berufung gegen das Urteil eingelegt hat, wie Rechtsanwalt Kuntz kurz nach dem Richterspruch im Saal zwei des Amtsgerichts Zweibrücken gegenüber unserer Zeitung in Erwägung gezogen hatte, ist bislang nicht bekannt – allerdings für den juristischen Fortgang der Ereignisse zunächst unerheblich. Denn allein wegen der Berufung der Staatsanwaltschaft muss sich demnächst das Landgericht Zweibrücken der Sache nochmals annehmen und den Fall in einer Verhandlung neu aufrollen.

Knackpunkt wird dabei wohl die Auslegung des Volksverhetzungs-Paragrafen 130 des Strafgesetzbuches sein. Die Anklagevertreterin hatte auch die Voraussetzungen des ersten Absatzes für ihren Strafantrag erfüllt gesehen – Richter Stefan Pick seinem Urteil lediglich den zweiten Absatz zugrunde gelegt. Absatz eins beschreibt den Tatbestand der Störung des öffentlichen Friedens durch Aufstachelung zum Hass „gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe“, die Aufforderung „zu Gewalt- und Willkürmaßnahmen“ sowie den Angriff auf die Menschenwürde durch Verleumdung und böswillige Verächtlichmachung. Absatz zwei des Paragrafen 130 beschränkt den Tatbestand auf die bloße öffentliche Verbreitung volksverhetzender Inhalte. Darauf hatte Richter Pick in seiner Urteilsbegründung Bezug genommen: „Er ist ja nicht der Urheber.“ Der Angeklagte habe „den Mist“ nur „weitergeleitet“. Es liege „kein Zueigenmachen“ vor.

Weil das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, ändert sich für den 50-jährigen Mitarbeiter der Ordnungsamts erstmal gar nichts. Er braucht die Geldstrafe nicht zahlen und behält wohl auch seine Stelle bei der Stadt. Eine Anfrage unserer Zeitung, ob und – wenn ja – welche Konsequenzen die Zweibrücker Verwaltung möglicherweise aus dem Richterspruch zieht, blieb unbeantwortet. Stadtsprecher Jens John sagte lediglich, dazu wolle und könne man im Rathaus nichts sagen, weil das Urteil des Amtsgerichts ja noch nicht rechtskräftig sei.

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