Verteilung des Reichtums

Zweibrücken · Jörg Reitzig, Professor für Sozialökonomie im Fachbereich Sozial- und Gesundheitswesen der Hochschule Ludwigshafen, sprach in der Kapelle des Zweibrücker Campus über die Verteilung von gesellschaftlichem Reichtum.

 Prof. Jörg Reitzig bei seinem Vortrag in der Campus-Kapelle. Foto: HS

Prof. Jörg Reitzig bei seinem Vortrag in der Campus-Kapelle. Foto: HS

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Kürzlich waren Studierende am Campus Zweibrücken und eine große Zahl von Zweibrücker Bürgern der Einladung des Fachbereichs Betriebswirtschaft in die Campus-Kapelle zum Gastvortrag von Prof. Jörg Reitzig von der Hochschule Ludwigshafen gefolgt. Welchen Schwerpunkt der Referent dabei setzte, wurde rasch deutlich: Als Mitglied des wissenschaftlichen Beirates der Nichtregierungsorganisation Attac beleuchtete Prof. Reitzig die ungleiche Verteilung des ökonomischen Reichtums in unserer Gesellschaft besonders kritisch.

Bevor der Vortrag beginnen konnte, stellten sich ganz profane technische Herausforderungen für den Gast aus dem Rheintal: Verspätung der Bahn und der (noch) fehlende S-Bahn-Anschluss nach Zweibrücken spannten die Zuhörer ein wenig auf die Folter. Spontan wurde diese Zwangspause von Professor Marc Piazolo, Volkswirt im Zweibrücker Fachbereich Betriebswirtschaft , genutzt, um mit einigen Statistiken zur Einkommens- und Vermögensverteilung Deutschlands im internationalen Vergleich sozusagen die Grundlage für die Ausführungen von Professor Reitzig zu legen.

Gleichzeitig lieferten die Ausführungen bereits inhaltlichen Stoff für den spannenden Hauptvortrag und die kontroversen Diskussionsrunden: So zählt beispielsweise der Durchschnittsdeutsche im Vergleich zu den Einwohnern der Länder des Euroraumes eher als wenig vermögend, und dieses Vermögen ist zudem noch äußerst ungleich verteilt. Nach der Statistik waren zum Beispiel die Griechen im Jahr 2009 im Schnitt doppelt so reich wie die Deutschen. Allerdings besitzen die Deutschen gegenüber den Griechen beim Nettoeinkommen deutliche Vorteile, und die Einkommen sind bei uns auch relativ "gerecht" verteilt.

Auch die Ausführungen zum Thema "Armutsgefährdung" polarisierte: Jeder Haushalt, der mit weniger als 60 Prozent des mittleren Nettoeinkommens auskommen muss, gilt offiziell als arm. Problematisch ist es jedoch, ob nun die absolute oder die relative Armut betrachtet wird: Wenn nämlich für alle die Einkommen in gleichem Maße steigen, verändert dies in der Folge die Armutsquote überhaupt nicht.

In diesem Zusammenhang wies der Dekan des Fachbereichs Betriebswirtschaft , Professor Gunter Kürble, auf ein weiteres statistisches Phänomen hin. Mit der Zuwanderung von einer Million meist vermögensloser Flüchtlinge 2015 ist die Ungleichheit in Deutschland zwar weiter angestiegen, aber faktisch sind die ganz Armen froh, es ins - aus ihrer Sicht - reiche Deutschland geschafft zu haben.

Besonders auch auf die Schattenseiten unseres gesellschaftlichen Wohlstandes wies Jörg Reitzig eindrucksvoll hin: So gab es im Jahr 2014 über 300 000 Wohnungslose, eine Million Hartz IV-Sanktionen, sowie mehr als 350 000 Haushalte, denen wegen Zahlungsschwierigkeiten der Strom abgeschaltet wurde. Auch die wachsende Zahl der Nicht-Wähler, die sich teilweise auf über 50 Prozent der Wählerschaft summiert, interpretierte der Gast als eine Reaktion auf die Unzufriedenheit mit dem kapitalistischen Wirtschaftssystem.

Laut Reitzig sind Armut und die fehlende Teilhabe größerer Bevölkerungsgruppen in Wirtschaft und Politik keineswegs das Ergebnis individuellen Versagens, sondern das Resultat ganz bestimmter gesellschaftlicher Strukturen. Hier gilt es, wirtschaftspolitisch anzusetzen: Eine Reichensteuer, eine stärkere Umverteilung durch den Staat sowie kostenlose Bildung für "jedermann" wurde von Professor Reitzig eingefordert.

Die anschließende Diskussionsrunde mit dem Publikum war äußerst lebhaft.

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