Verschwörungen, wohin man blickt

Zweibrücken · Verschwörungstheorien als langlebige Hörspielreihe – in Deutschland gibt es mit „Offenbarung 23“ ein interessantes Vorbild. Seit 2005 geht darin ein Hacker großen Fragen nach. Die Reihe hat dabei selbst eine turbulente Entwicklung hinter sich.

 Tschernobyl.

Tschernobyl.

Foto: epa/tass

Verschwörungstheorien sind nicht totzukriegen: Wurde die Attacke auf das World-Trade-Center am 11. September 2001 von den USA selbst inszeniert? Haben die Amerikaner die Mondlandung im Studio inszeniert? Entführen Außerirdische Menschen, um an ihnen zu experimentieren? Zusammenreimen lässt sich dazu viel, beweisen in der Regel nichts. Doch spannend ist es immer, was nicht nur Buchautoren wie Dan Brown oder Michael Crichton oder die TV-Serie "Akte X" zu nutzen wissen oder wussten. In Deutschland belebt die Reihe "Offenbarung 23" um ebensolche Verschwörungstheorien mit Unterbrechungen seit 2005 den Hörspielmarkt. Der Titel ist ein Wortspiel, das sich auf einen Neutestamentlichen Text bezieht, die "Geheime Offenbarung" des Apostels Johannes, in der in 22 Kapiteln die Apokalypse behandelt wird. Die Reihe ist hochspannend, stößt das eigene Reflektieren an.

Held der bisher 70 teils übergreifenden Geschichten ist der Hacker Georg Brand. Er stößt zu Beginn auf Hinterlassenschaften des toten Computerasses Tron - dessen Recherchen und enttarnten Verschwörungen nimmt er sich in der Folge mithilfe seines Kumpels Kim Schmittke an und bohrt weiter. Auch Trons Ex-Freundin Nolo, der Journalist Kai Sickmann (ob da wohl Ex-Bild-Chefredakteur Kai Diekmann Pate stand?), ein Polizist und der mysteriöse Hintermann Ian G. spielen regelmäßig eine Rolle. Die Hauptsprecherriege ist anfänglich herausragend: David Nathan (Synchronstimme von Johnny Depp ), Dietmar Wunder (Daniel Craig) und für den Akte-X-Kick Benjamin Völz (Synchronstimme von David Duchovny ) sind da an Bord, werden aber im Laufe der Serie leider gegen unbekanntere und schwächere Akteure ersetzt, während immerhin die hochrangige Nebendarstellerbesetzung um Detlef Bierstedt (George Clooney), Till Hagen (Kevin Spacey) oder Lutz Riedel und Lutz Mackensy bleibt.

Jede Episode widmet sich einer Verschwörung - vom "wahren" Grund des Untergangs der Titanic über die Gefährlichkeit von Sonnenschutzmitteln bis hin zur Krankheit Aids oder der Rolle des Öls für die Welt oder für die Havarie von Tschernobyl. Leider gilt auch hier: Während spannende, zum Nachdenken anregende Hintergründe in den Frühfolgen geschickt eingeflochten werden, dozieren in den neueren Episoden oft Experten Wissen, das fast wie aus Wikipedia kopiert daherkommt. Ob ein Erklärungsansatz wirklich ins Schwarze trifft - das muss der Hörer für sich selbst entscheiden.

Dabei wird jeweils im Vorspann darauf hingewiesen, dass die Folgen auf einer "gründlichen Recherche" fußen. Worin diese besteht? Sebastian Pobot, Geschäftsführer von Highscore Music GmbH erläutert, es handele sich um viel Internetrecherche von Catherine Fibonacci, falls möglich aber auch eine vor Ort oder in diversen Zeitungs- oder Stadtarchiven. Pobot scherzhaft: "Typische Bob-Andrews-Arbeit eben . . ." (Bob Andrews ist in der Hörspielreihe "Die drei Fragezeichen" der für Recherchen und Archiv verantwortliche Detektiv - Anm. d. Red.)

Dass die Serie sich im Laufe der Jahre verändert hat, liegt nicht nur am Wechsel des Labels: Zunächst als Kooperation von Lübbe-Audio mit LPL Records gestartet, werden sie seit 2012 von Highscore Music produziert und vertrieben. Dazu kommt, dass der Erfinder der Reihe, der unter dem Pseudonym Jan Gaspard arbeitete, das Projekt inzwischen zum zweiten Mal verlassen hat, da sein Erzählstrang abgeschlossen ist.

Die Hörspiele sind bei Lübbe Audio als CD oder als Download erhältlich.

offenbarung23.de

Herr Holtheuer, wie kommt man heutzutage eigentlich noch dazu, eine Hörspielreihe zu produzieren, die nicht auf eine kind- oder jugendliche Zielgruppe abzielt?

Patrick Holtheuer: Weil man an die Serie glaubt, an die Themen, an die Inhalte. Es macht keinen Sinn, nur Hörspiele für Kinder und Jugendliche zu produzieren, denn es gibt auch noch andere Zielgruppen. Die Medien schreiben gerne mal nur was über die "Drei ???", "Benjamin Blümchen" und Co. und schon sind Hörspiele nur etwas für Kinder, man ist halt nicht so im Fokus wie die Alteingesessenen. Aber die Kassettenkinder von damals sind heute erwachsen und möchten ja nicht nur die Serien ihrer Kindheit hören, sondern auch mit erwachseneren Stoffen bedient werden.

Wie sind Sie zu der Serie gekommen und was genau umfassen Ihre Aufgaben dabei?

Holtheuer: 2012 wurde ich nach der Arbeit als Regisseur und Cutter an "Captain Future" gefragt, ob ich nicht auch "Offenbarung 23" machen möchte, da wäre ein Neustart angedacht. Nach anfänglichen Bedenken, denn das ist ein beinahe gleich großes Erbe wie "Captain Future", habe ich zugesagt. Auch hier bin ich als Regisseur, zuständig für die Sprachaufnahmen und den Schnitt, tätig.

Lange Jahre waren die Folgen unter dem Autorenpseudonym Jan Gaspard veröffentlicht. Dann kam es zum Wechsel. Was waren die Hintergründe und wie wirkten sie sich auf die Reihe aus?

Holtheuer: Jan Gaspard wollte seine Rahmenhandlung zu Ende erzählen, was er mit Folge 57 auch getan hat. Danach wollte er sich neu orientieren und er sah seine Arbeit an "Offenbarung 23" als beendet an. Die Auswirkungen auf die Serie sehen so aus, dass sie jetzt in eine faktenbasiertere Richtung geht, als es in den Anfängen der Fall war.

Es ging in den 65 Hörspielen schon um die Macht des Öls, den Untergang der Titanic , 9/11, den Mord an John F. Kennedy oder um Bayernkönig Ludwig II. Welche der Verschwörungstheorien ist denn Ihr Favorit und warum?

Holtheuer: Mich persönlich reizen eher die Themen, die weniger in eine politische Richtung gehen. Deshalb zähle ich die Folgen, in denen es um einen Piratenschatz oder um das Rheingold geht, eher zu meinen Lieblingsfolgen. Für mich sind diese Themen greifbarer.

Welche Theorien müssen denn aus Ihrer Sicht unbedingt noch aufgearbeitet werden?

Holtheuer: Es sind schon viele Themen aufgegriffen und behandelt worden, aber man darf gerne in Richtung Inka, Maya, Azteken gehen, noch mal die Pyramiden aufgreifen. Gerne auch in Verbindung mit Von Däniken/Ufos. Ich denke, da sind sicherlich noch einige interessante Geschichten drin.

Die Hörspielserie läuft mit einer Unterbrechung seit dem Jahr 2005. Wie groß ist das Problem illegaler Downloads , die ja viele andere Serien in die Knie zwingt?

Holtheuer: Ich weiß gar nicht, ob illegale Downloads an sich noch so ein Problem sind. Wer meint, sich Hörspiele illegal besorgen zu müssen, der würde sie vermutlich so oder so nicht kaufen und dank der Streamingmöglichkeiten wie Spotify und Co. ist prinzipiell ja alles nahezu kostenlos oder für einen kleinen Obolus verfügbar. Anders herum könnte man auch sagen, dass sich Serien nicht halten, weil die Verkaufszahlen nicht hoch genug sind, was aber nicht an illegalen Downloads , sondern an mangelndem Interesse oder mangelnder Qualität liegen kann.

Gerade in den jüngsten Folgen werden die Medien oft als willige oder unwissende Erfüllungsgehilfen böser Mächte, etwa der Pharmaindustrie, dargestellt. Ist so eine Darstellung gerade in Zeiten von Lügenpressevorwürfen rechtsgerichteter Parteien nicht sehr blauäugig?

Holtheuer: Man sollte bedenken, dass wir hier von einer Hörspielserie reden, keinem Lehrbuch. Es ist Unterhaltung. Hier wird niemandem vorgeschrieben, was er zu glauben, zu wählen oder zu tun hat. Es wird auch nicht "Lügenpresse" oder sonstiges in der Serie gerufen. Wenn, dann kritisieren wir mit "Offenbarung 23" eher Lobbyismus als die Presse. Auch wenn recht brenzlige Themen behandelt werden, so versucht man doch neutral zu bleiben und sich aus politischen Angelegenheiten raus zu halten. Ich sehe es auch nicht, dass man irgendwelchen rechtsgerichteten Parteien oder Leuten in die Karten spielt. Von denen distanzieren wir uns sowieso. Außerdem bin ich der Meinung, dass der Tenor der Serie eher links ist und die Theorien auch in eine solche Richtung gehen.

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