„Wilde Verfolgungsfahrt“ von Zweibrücken bis nach Pirmasens Der Polizei unter Drogen davongerast: Verfahren eingestellt

Zweibrücken · Mehrere Streifenwagen hatten den Mercedes-Fahrer von Zweibrücken bis nach Pirmasens verfolgt – erst zu Fuß war er zu langsam für die Beamten.

 Die Verfolgungsjagd begann nur wenige Meter vom Gebäude der Polizeiinspektion Zweibrücken entfernt in der Landauer Straße.

Die Verfolgungsjagd begann nur wenige Meter vom Gebäude der Polizeiinspektion Zweibrücken entfernt in der Landauer Straße.

Foto: Lutz Fröhlich

Seit Dezember schon läuft am Landgericht Zweibrücken ein Prozess gegen einen Mann, der am 24. Juni 2020 unter Drogen und ohne Führerschein in einem gestohlenen Auto der Polizei davongerast war (wir berichteten). Doch gut einen Monat vorher, am 15. Mai, hatte es eine ähnliche, ebenfalls Aufsehen erregende Verfolgungsjagd gegeben. Diese begann in Zweibrücken und endete erst in Pirmasens. Was ist daraus geworden, fragen Bürger in einer Zweibrücker Facebook-Gruppe.

Der Pfälzische Merkur hat bei der Staatsanwaltschaft Zweibrücken nachgefragt. Ergebnis: Das Verfahren wurde eingestellt. Warum, dazu später mehr.

Hier zunächst ein Rückblick auf den Vorfall, wie ihn die Polizeiinspektion Zweibrücken in einer ausführlichen Pressemitteilung unter der Überschrift „Festnahme nach wilder Verfolgungsfahrt“ geschildert hatte (wir berichteten): Freitagfrüh gegen ein Uhr am 15. Mai 2020 fiel Polizisten auf, wie ein schwarzer Mercedes C-Klasse an der Landauer Straße in Zweibrücken mit überhöhter Geschwindigkeit von der Kreuzung Saarlandstraße Richtung Stadtzentrum fuhr. Die Beamten schalteten das Blaulicht ein und gaben Anhaltezeichen, die der Mercedes-Fahrer ignorierte. Als ein zweiter Streifenwagen ihm in der Bleicherstraße den Weg versperrte, wendete der Mercedes und flüchtete vor der Polizei über die Steinhauser Straße Richtung Autobahn. Um sich der Kontrolle zu entziehen, überfuhr der Flüchtende in der Stadt auch eine rote Ampel und raste mit bis zu 220 km/h über die A 8 bis Pirmasens. Dort gefährdete er durch Überholen an unübersichtlichen Stellen auf der L 600 mehrere Verkehrsteilnehmer und wich um Haaresbreite einem Streifenwagen der Polizeiinspektion Pirmasens aus. Am Kreisel L 600/Blocksbergstraße stieg er hastig aus dem Mercedes aus und flüchtete zu Fuß in ein Wald-/Wiesengebiet, wo es der Polizei gelang, ihn festzunehmen. Die Beamten stellten fest, dass der 55-Jährige erkennbar unter Drogeneinfluss stand und stellten ein in seiner Socke verstecktes Päckchen mit Opiaten sicher. Sein Mercedes war stillgelegt und hatte zwei verschiedene französische Kennzeichen. Wem das Auto gehörte, war zunächst unklar. Als Beifahrerin im Auto saß eine 22-Jährige, die erklärte, der Mann sei ihr unbekannt – er habe ihr angeboten, sie nach Hause zu bringen, nachdem sie den letzten Zug nach Pirmasens verpasst habe.

Die Polizei leitete gegen den damals 55-Jährigen aus der Verbandsgemeinde Pirmasens-Land mehrere Strafverfahren ein, und zwar wegen folgender Delikte: „Fahren ohne Fahrerlaubnis, Fahren unter dem Einfluss harter Drogen, Straßenverkehrsgefährdung durch mehrere grob verkehrswidrig und rücksichtslos begangene Verhaltensweisen, Urkundenfälschung/Kennzeichenmissbrauch, verbotenes Kraftfahrzeugrennen, Besitz von Betäubungsmitteln“.

Warum hat die Staatsanwaltschaft trotz dieser langen Liste von Vorwürfen nach dieser dramatischen Verfolgungsfahrt das Verfahren eingestellt? Die Antwort pointiert zusammengefasst: Der Mann ist schon anderweitig juristisch einschlägig verfolgt worden.

Die Leitende Oberstaatsanwältin Iris Weingardt schreibt: „Das von Ihnen angefragte Verfahren wurde im Hinblick auf eine andere rechtskräftig gegen den Fahrer verhängte Strafe (diese Strafe beinhaltete auch eine Fahrerlaubnissperre) nach § 154 StPO eingestellt.“

In Paragraph 154 Strafprozessordnung heißt es: „Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder 2. darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.“

Um welches Urteil ging es konkret? Die Zweibrücker Staatsanwalts-Chefin erläutert: „Wegen Verkehrsdelikten (tateinheitliche Vergehen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis, verbotene Kraftfahrzeugrennen, Trunkenheit im Verkehr) wurden eine Freiheitsstrafe von einem Jahr ausgesetzt zur Bewährung und eine Fahrerlaubnissperre von zwei Jahren vom Amtsgericht Pirmasens in dem anderen Verfahren verhängt.“

Konnten in dem Zweibrücker Fall die Ermittlungen die in der Polizeimeldung noch offene Frage klären, wem der Mercedes gehörte? Ja, antwortet Weingardt: „Die Besitz- und Eigentumsverhältnisse an dem Pkw konnten aufgeklärt werden. Den Pkw hatte der Fahrer gebraucht von einer dritten Person erworben und seinerseits an eine andere Person weiterveräußert. Im Einverständnis mit dem neuen Eigentümer sollte das Fahrzeug noch kurzfristig bei dem Fahrer verbleiben.“

Die Polizei hatte in ihrer Pressemitteilung eventuell weitere gefährdete Verkehrsteilnehmer gebeten, sich zu melden. Was ist daraus geworden? Weingardt berichtet: „Nach Aktenlage gab es einen Zeugen, der sich zur Tatzeit auf dem Heimweg befand. Nachdem er Lichter (auch blaues Licht) wahrgenommen habe, habe er sein Auto bis zum Stillstand abgebremst.“

Die 22-jährige Beifahrern des flüchtenden Mercedes-Fahrers sei nur als Zeugin gehört worden und „an der Tat des Beschuldigten in keiner Weise beteiligt“.

Weingardt bestätigt, dass die Angaben zur Person des Mercedes-Fahrers in der Pressemitteilung der Polizei – ein damals 55-Jähriger aus der Verbandsgemeinde Pirmasens-Land – korrekt waren. Hierzu hatte der Merkur nachgefragt, weil es via Social Media in Zweibrücken Spekulationen gibt, bei dem Fahrer könne es sich um eine bekannte Person handeln. Die persönlichen Daten stimmen allerdings nach Merkur-Informationen nicht überein.

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