Verboten gut

Zweibrücken · Die Zweibrücker müssen ihre Bürgersteige täglich 13 Stunden bei Eis und Schnee rutschfrei halten – dürfen dafür aber grundsätzlich kein Streusalz verwenden. Dieses Verbot wird weitgehend ignoriert. Naturschützer warnen vor den Folgen.

Gesetzestreue Bürger haben es schwer in Zweibrücken. Zumindest, wenn es um die Erfüllung der Streupflicht auf den Bürgersteigen vor ihren Häusern geht (und der Schnee wird kommen. Auch wenn es in diesen Tagen nicht danach aussieht).

Nicht nur, weil es - ob für Rentner oder für Berufstätige - oft schwer ist, wie vorgeschrieben 13 Stunden täglich die Gehwege "während der allgemeinen Verkehrszeiten (sieben bis 20 Uhr) so oft zu streuen, dass auf ihnen keine Rutschgefahr besteht", wie die Zweibrücker Straßenreinigungssatzung vorschreibt. Sondern auch, weil diese Satzung den Einsatz von Streusalz verbietet - bis auf "besondere klimatische Ausnahmefälle" wie Eisregen, oder an "gefährlichen Stellen" wie Treppen oder bei starkem Gefälle. Das Problem ist - erlaubte Streusalz-Alternativen sind in Zweibrücken kaum zu bekommen. Der Pfälzische Merkur besuchte stichprobenartig mehrere Streugut-Verkaufsstellen. Ob bei Supermärkten wie Edeka, Wasgau und Rewe oder im Globus-Baumarkt - überall gab es reichlich Streusalz, aber keine einzige in Zweibrücken zur allgemeinen Verwendung erlaubte Alternative. Fündig wurde der Reporter erst im Raiffeisen-Markt, wo neben Salz auch Lava-Granulat verkauft wird.

Böser Wille ist es nicht, die den Verkauf von erlaubten Streumitteln verhindert. Im Gegenteil: Die Geschäfte kommen damit den Kundenwünschen nach. "Wir hatten voriges Jahr auch Ökostreu, das wird aber nicht angenommen und bleibt liegen", berichtet ein Baumarkt-Mitarbeiter. Abstumpfende Mittel wie Lavagestein blieben nach Tauwetter liegen und müssten wieder zusammengekehrt werden: "Das wollen sich die meisten Leute nicht antun. Salz wird morgens gestreut, und dann hat man Ruhe." Wie bei Globus heißt es auch bei Edeka-Ernst, dass in der Winter-Hochsaison wohl auch alternatives Streugut angeboten werde, gefragt werde hiernach aber "vereinzelt", so Chef Dieter Ernst.

Raiffeisen-Marktleiter Wolfgang Stahl hat zwar regelmäßig Alternativen vorrätig, bestätigt aber ebenfalls die Kunden-Vorliebe: "Salz ist klar die Nummer eins, ich schätze 90 Prozent unserer Kunden kaufen das." Allerdings wachse die Nachfrage nach Alternativen.

So streng die Vorschriften in der Straßenreinigungssatzung des UBZ (Umwelt- und Servicebetrieb Zweibrücken) auch klingen - streng verfolgt wird es nicht, wenn Bürger verbotenerweise Salz streuen. UBZ-Chef Werner Boßlet: "Wir fahren nicht rum und kontrollieren das. Wir heben nicht den Finger. Wichtig ist, dass überhaupt geräumt wird, da kommen viele ihrer Pflicht leider nicht nach." Boßlet rät: "Wenn es geschneit hat gleich zu kehren oder mit dem Schneeschieber zu räumen, ist die beste Lösung." Denn dann brauche man auch gar nicht viel zu streuen.

Gerhard Herz ist Vorsitzender des Zweibrücker Naturschutzbeirats und des Nabu. Er findet es "unglaublich, wie viele Tonnen Salz jeden Winter in Zweibrücken eingesetzt werden". Auf die Palme bringt ihnen dabei weniger das verbotene Salz auf Gehwegen als das erlaubte auf den Straßen. 800 bis 1000 Tonnen Salz verstreut der UBZ in strengen Wintern. Das sei "Quatsch sondergleichen, ein Zugeständnis an die Wähler", die stets perfekt geräumte Straßen erwarteten. Dabei könne man doch "einfach eine halbe Stunde früher losfahren oder mal zu Fuß gehen", rät Herz. Zumal eine Schneedecke, wie in den Alpen auf den Straßen üblich, nicht weniger rutschig sei als der durch Salz und Schnee erzeugte Matsch. Auch alternative Streumittel hätten Nachteile: "Das kommt oft ins Abwasser und verstopft alles."

Das Streusalz verursache "Mordsschäden", hat Herz beobachtet: "Büsche und Laub von Straßenbäumen werden früher braun. Auf Autobahn-Mittelstreifen wachsen Pflanzen wie sonst nur an der Nordsee. Und das summiert sich jeden Winter mehr."

Boßlet bestätigt, dass auch in Zweibrücken das Straßengrün unter dem Streusalz leidet. Dass die Bäume schneller ihr Laub verlieren, liege aber nicht nur am Salz, sondern auch am Klima, an Autoabgasen und dem begrenzten Raum für die Wurzeln: "Es ist seit Jahren bei uns Thema, dass wir mehr stressresistente Bäume an Straßen pflanzen, da hat man früher noch nicht darauf geachtet. Wir setzen auch möglichst salzresistente Rosenarten ein." Auch rechtliche Zwänge führten zum Streusalz-Einsatz. Der UBZ versuche aber, mit Salz möglichst sparsam umzugehen: "Wir variieren zum Beispiel die Streustärke je nach Schneefall und Temperatur." Man überlege auch, nur noch Feuchtsalz einzusetzen, um die Salzmenge zu reduzieren. "Die Geräte dafür sind aber extrem teuer. Ein Fahrzeug kostet 250- bis 300 000 Euro und wird dann nur drei bis vier Monate im Jahr eingesetzt. Es wird deshalb noch sicher drei bis fünf Jahre dauern, bis wir umstellen können." Und bei zu tiefen Minusgraden nutze Feuchtsalz nichts mehr. Salzfreie Streumittel auf den Straßen hätten auch erhebliche Nachteile: "Viele Kommunen setzen Splitt ein. Am Ende landet er im Kanal und muss als Sonderabfall entsorgt werden."

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HintergrundDas Umweltbundesamt empfiehlt, für den privaten Winterdienst abstumpfende Mittel, die mit dem blauen Engel für Umweltverträglichkeit ausgezeichnet sind, den Vorzug zu geben. Abstumpfende Mittel wie Splitt, Granulat oder Sand "schmelzen das Eis nicht ab, sondern erhöhen die Griffigkeit, indem sie sich mit der Glätteschicht verzahnen". Um eine ausreichende Wirkung zu erzielen, sei dabei eine hohe Streudichte erforderlich, etwa 100 Gramm pro Quadratmeter. Durch Streusalz entstehen zahlreiche Umweltprobleme, warnt das Bundesamt. Das Salz bestehe "aus Ionen (,geladene Teilchen'), die nicht zersetzt werden, sondern beständig sind und in der Umwelt verbleiben". Pflanzen würden verätzt, das Salz reichere sich immer mehr im Boden an, lasse Feinwurzeln von Bäumen absterben, Straßenbäume verfärbten sich frühzeitig braun und würden häufiger krank. Aber nicht nur Pflanzen leiden: "Bei Haustieren kann längeres Laufen auf mit Streusalz behandeltem Untergrund zu Entzündungen der Pfoten führen. Durch die Tiere aufgenommenes - etwa von den Pfoten abgelecktes - Salz kann Verdauungsprobleme bewirken. Es greife durch seine korrosive Wirkung auch Fahrzeuge und Bauwerke an. lf

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