Bundesweiter Trend Lokalpolitiker werden häufiger beschimpft

Zweibrücken · Die Zahl der Fälle ist im letzten halben Jahrzehnt gestiegen, berichtet die Stadtverwaltung.

 Politiker werden in Zweibrücken auf allen Kanälen beschimpft – auch in sozialen Medien.

Politiker werden in Zweibrücken auf allen Kanälen beschimpft – auch in sozialen Medien.

Foto: dpa/Lukas Schulze

In rund 40 Prozent aller deutschen Rathäuser gibt es Erfahrungen mit Stalking, Beschimpfungen oder Drohungen, hat eine Umfrage ergeben (wir berichteten). Das betrifft auch Zweibrücken, ergab eine Merkur-Nachfrage. „Beschimpfungen erreichen uns schon länger, nicht erst seit Wosnitza oder Gauf“, blickt Stadtsprecher Heinz Braun auch auf die Amtszeit des im Juni 2018 verstorbenen Oberbürgermeisters Kurt Pirmann (SPD) zurück.

Über Bedrohungen sei ihm dagegen nichts bekannt, sagt Braun. Die Beschimpfungen gingen „in der Regel per E-Mail oder auch Telefon ein“. Dabei sei es häufiger, dass Stadtvorstandmitglieder oder die Verwaltung allgemein beschimpft würden als einzelne Verwaltungsmitarbeiter. Das Klima sei rauer geworden, bestätigt Braun: „Die Zahl der Beschimpfungen hat sich in den letzten fünf, sechs Jahren verstärkt.“ Eine genaue Statistik darüber führt die Stadtverwaltung aber nicht. Ob die Beschimpfungen gehäuft aus einer bestimmten politischen Richtung kommen, lasse sich nicht sagen. Es gebe sowohl anonyme Hetzer als auch solche, die sich mit ihrem Namen meldeten.

Der rheinland-pfälzische Städtetags-Geschäftsführer Karl-Heinz Frieden rät Politikern, bei Bedrohungen und Beleidigungen Anzeige zu erstatten. Von diesem Instrument hat die Zweibrücker Stadtverwaltung nach Kenntnis von Pressesprecher Braun zwar in den letzten Jahren keinen Gebrauch gemacht. „In einem Fall, der den damaligen Oberbürgermeister Pirmann betraf, wurde das aber lange diskutiert und letztendlich waren wir der Meinung, wir müssten den Fall anzeigen oder der Mann muss sich entschuldigen. Es kam dann eine Entschuldigung, die der OB akzeptiert hat.“

Braun bedauert mit sarkastischem Unterton: „Es ist allgemeine Praxis geworden, dass, wenn man ein politisches Mandat annimmt, sei es auch ,nur’ im Stadtrat, das mit der Lizenz gleichzusetzen ist, von jedem Idioten angepinkelt zu werden. Fakten interessieren da nicht – manche Leute wollen nur Unmut loswerden und hauen verbal drauf.“

Zu der zunehmenden Verrohung in den vergangenen Jahren könne auch Facebook beigetragen haben, vermutet Braun. Hier würden der Stadtverwaltung aus Diskussionen immer wieder mal Beschimpfungen zugetragen. Selbst moderiert die Stadt auf Facebook keine Diskussionen: „Das ist gar nicht machbar, da müsste man als Verwaltung rund um die Uhr aktiv sein.“

Und wie reagiert die Stadt, wenn Beschimpfungen direkt bei ihr eingehen? „Wenn es einigermaßen sinnhaft erscheint, erfolgt eine Antwort – wenn es zu abseitig ist, keine“, berichtet Braun.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) hatte nach der eingangs erwähnten Rathäuser-Umfrage der Fachzeitschrift „Kommunal“ für das ARD-Politikmagazin „Report München“ mehr Achtung und Respekt gegenüber Kommunalpolitikern gefordert. Die zunehmenden Beleidigungen und Bedrohungen dieser Mandatsträger seien eine Gefahr für die lokale Demokratie und nicht hinnehmbar, sagten Präsident Uwe Brandl und Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg am vergangenen Dienstag der Nachrichtenagentur dpa. Man sei entsetzt, dass diese Anfeindungen immer weiter zunähmen. Die Spirale dieses Hasses beginne vielfach in den sozialen Netzwerken und müsse dringend durchbrochen werden.

Bereits vor anderthalb Jahren hatte der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) alle Bürgermeister, Landräte und Abgeordneten im Land zur Vorsicht und erhöhter Sicherheit geraten: Auch Kommunalpolitiker seien wegen ihrer Werte, Ansichten oder Entscheidungen Anfeindungen ausgesetzt. Dem Brief von Lewentz waren „Verhaltensempfehlungen für die Sicherheit von Amts- und Mandatsträgern“ beigefügt. Auf fünf Seiten listete darin das rheinland-pfälzische Landeskriminalamt (LKA) auf, wie sich Politiker vor Angriffen schützen können, zum Beispiel „ab und zu technische Sicherheit des Fahrzeugs vor Inbetriebnahme überprüfen: Bremssystem, Radmuttern, Lenkung“ oder „auf Abstand bei Gesprächen mit unbekannten Personen achten“ (wir berichteten).

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