Überraschungsbesuch von Dreyer

Zweibrücken · „Nirgends und niemals“ sei die Rede davon gewesen, die 11 000 Unterschriften für den Zweibrücker Flughafen der EU zu übergeben, behauptet die Landesregierung. Und wirft den Flughafenfreunden CDU-Nähe vor.

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD ) kommt heute zum Flughafen Zweibrücken . Diese Merkur-Information bestätigte gestern Nachmittag auf Anfrage die Staatskanzlei. Um was für einen wichtigen Termin es sich handelt, weshalb kein Vertreter des zuständigen Infrastrukturministeriums, sondern die Ministerpräsidentin persönlich kommt, wollte Regierungssprecherin Monika Fuhr zunächst nicht verraten. Der Besuch sei aber ein Zeichen dafür, "wie wichtig der Ministerpräsidentin das Thema ist". Am Abend ergänzte Fuhr dann, Dreyer treffe sich mit dem Flughafen-Betriebsrat, "um Perspektiven zu erörtern und welche Maßnahmen wir als Landesregierung anbieten können". Es handele sich um das einzige Gespräch Dreyers heute am Flughafen.

Oberbürgermeister Kurt Pirmann (SPD ) sagte, er wisse zwar, dass Dreyer komme. Allerdings wisse er keine Uhrzeit, daher könne er auch nicht dazustoßen. Es habe nach seinen Informationen auch "kurzfristige Änderungen" gegeben, antwortete er auf die Frage, ob Dreyer nur mit dem Personal rede.

Der Flughafen hatte am 24. Juli Insolvenz beantragen müssen, weil die EU die Rückzahlung öffentlicher Beihilfen in Höhe von über 50 Millionen Euro verlangt und dem Nachbarflughafen Saarbrücken den Vorzug gibt, weil dort schon länger kommerzieller Flugbetrieb existiert (wir berichteten).

Der vorläufige Insolvenzverwalter Jan Markus Plathner versucht indes weiter, den Flughafen doch noch zu retten. Bekannt war bereits, dass er mit einigen potenziellen Interessenten spricht. Insolvenzverwalter-Sprecher Sebastian Brunner kündigte gestern auf Merkur-Anfrage eine weitere Maßnahme an, um einen privaten Investor zu finden: "Die europaweite Ausschreibung des Flughafens steht kurz bevor." Das sei auch EU-rechtlich erforderlich. Plathner hatte am Vortag ein Gespräch bei der EU-Kommission (wir berichteten). Ist vorstellbar, dass die EU öffentliche Übergangshilfen für einen Investor erlaubt, um eine Privatisierung des Flughafens zu ermöglichen? "Das Konzept des potenziellen Investors ist entscheidend. Nähere Details wären später zu klären." Wird auch eine Kooperation mit Saarbrücken geprüft? "Ein Insolvenzverwalter prüft grundsätzlich alle Optionen."

Oberbürgermeister Pirmann sagte, nach seinen Informationen "müssten nach der europaweiten Ausschreibung bereits im ersten September-Drittel die Angebote da sein." Kein Interesse mehr hätten nach seinen Informationen die Franzosen, mit denen der Flughafen lange gesprochen hatten.

Flughafen-Geschäftsführer Werner Boßlet hat sich gestern für juristische Schritte gegen die angekündigte EU-Entscheidung gegen Zweibrücken ausgesprochen. Dabei geht es vor allem um die Beihilfe-Rückforderungen von 56 Millionen Euro, die zum Insolvenzantrag des Flughafens geführt hatten. "Wir sollten massiv überlegen, ob man klagt", sagte Boßlet auf Merkur-Anfrage. "Die Maßstäbe, die die EU anlegt, sind überhaupt nicht transparent." Das sei nach der Entscheidung der EU-Kommission vom Vortag, dass das Land in Zweibrücken die Sicherheitsleistungen nicht mehr finanzieren darf, erneut deutlich geworden: "An anderen Flughäfen wie Saarbrücken oder Hahn wird das erlaubt, bei uns nicht. Mit welchem Maßstab wird da gemessen? Ich war fest überzeugt, dass das mit den Sicherheitskosten klar geht. Passkontrolle und Feuerwehr sind doch bei uns genauso wie am Hahn!", sagte Boßlet.

Oberbürgermeister Kurt Pirmann (SPD ) ist ebenfalls für eine Klage gegen die EU: "Das wird zwar den Flughafen nicht retten. Aber es geht auch um die Demokratie." Deshalb schreibe er auch einen Brief an den künftigen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker: "Ich bitte ihn, dafür Sorge zu tragen, dass solche Entscheidungen an den Menschen vorbei in Zukunft nicht mehr stattfinden können."

Pirmann kritisierte gestern zwar ebenfalls, dass die EU-Kommission die sofortige Einstellung der öffentlichen Finanzierung der Sicherheitskosten am Flughafen Zweibrücken verlangt hat - "überrascht hat mich das aber nicht, weil auch für die EU der Druck raus war, nachdem Tuifly die Übernahme der Sicherheitskosten bis Anfang November angekündigt hat."

Der Sprecher des vorläufigen Insolvenzverwalters Jan Markus Plathner, Sebastian Brunner, will sich zur Frage einer Klage noch nicht äußern. Er könne nur grundsätzlich erläutern: "So etwas wird erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entschieden. Dann prüft ein Insolvenzverwalter immer, ob Ansprüche im Interesse der Gläubiger geltend gemacht werden können." Mit scharfen Worten hat gestern das rheinland-pfälzische Infrastrukturministerium die Flughafenfreunde Zweibrücken sowie die CDU attackiert. An der von ihnen verbreiteten "Geschichte" über die Pro-Flughafen-Unterschriftenliste sei nämlich "so ziemlich alles falsch", schreibt Ministeriums-Sprecher Christoph Gehring.

Die Bürgerinitiative hatte kritisiert, dass Mainz die fast 11 000 Unterschriften für den Flughafen-Erhalt nicht der EU weitergeleitet habe. Gehring hatte vor zwei Tagen auf Merkur-Anfrage bestätigt: "Physisch haben wir die Unterschriftenlisten nicht in Brüssel überreicht", dort aber "selbstverständlich mehrfach darauf hingewiesen". Jetzt erinnert das Ministerium daran, dass die Unterschriften sich an die Landesregierung richteten: "Davon, dass die Unterschriftenlisten an die EU-Kommission weitergegeben werden sollten, war niemals die Rede. Umso verstörender sind daher die Vorwürfe, die die Flughafenfreunde gegen Minister Lewentz erheben. Genaugenommen entbehren sie jeder Grundlage."

Doch die Vorwürfe der Flughafenfreunde hätten "bei den üblichen Verdächtigen die üblichen Beißreflexe ausgelöst", kritisiert Gehring, unter anderem "bei dem Herrn Schnieder (CDU-Generalsekretär Rheinland-Pfalz) und dem landesweit noch unbekannteren Herrn Gensch" (CDU-Chef Zweibrücken ). Sie nutzten "die schwierige Lage des Flughafens Zweibrücken für eindimensionale Partei-PR". Besser wäre, "wenn wir Solidarität mit den Mitarbeitern des Flughafens Zweibrücken leben und gemeinsam an Zukunftslösungen arbeiten würden", appelliert Gehring. "Zur politischen Einordnung dessen, was in den vergangenen Tagen öffentlich gemacht wurde", verweist Gehring auf einen PDF-Anhang seiner Pressemitteilung. Diese zweiseitige Datei beginnt mit einem Logo der Flughafenfreunde. Gehring verweist auf die zweite Seite: "Auch dieses Blatt lag den Unterschriftenlisten der Flughafenfreunde bei - und es beginnt mit den Worten "Wir als Mitglieder der CDU Rheinland-Pfalz …"

Die Flughafenfreunde von der CDU instrumentalisiert? Diesen Verdacht weisen der Freunde-Vorstand und Gensch empört zurück. Nur die erste Seite in dem PDF sei ein Text der Flughafenfreunde. Die zweite Seite sei zwar auch in Mainz übergeben worden - aber in einem Extra-Kuvert der CDU mit Unterschriften von einem Parteitag. Dass das Ministerium dies "zum Anlass nehme, die Flughafenfreunde als parteipolitisch motiviert zu diskreditieren", sei eine "Unverschämtheit", findet Gensch. Flughafenfreunde wie CDU Zweibrücken räumen zwar ein, die Unterschriftenaktion im Februar 2013 gemeinsam initiiert zu haben - diese sei aber sofort zu einer völlig parteiübergreifenden Aktion geworden. "Andere Parteien haben auch Unterschriften mit ihrem Logo gesammelt", erinnert der damalige Freunde-Vorsitzende Uwe Menzner.

Gehring weist die Darstellung der Jungen Union Südwestpfalz zurück, Minister Roger Lewentz (SPD ) habe am 25. Juli in der Zweibrücker Festhalle behauptet, die 11 000 Unterschriften seien in Brüssel überreicht worden. Er sei lediglich gebeten worden, 1200 neue Unterschriften aus Frankreich in Brüssel zu übergeben. JU-Chef Tim Hornung blieb gestern bei seiner Darstellung. Die Freunde erklärten, Flughafen-Mitarbeiter hätten Lewentz in der Festhalle nach den 11 000 Unterschriften gefragt. Und Lewentz sowie Staatssekretäre hätten den Flughafenfreunden bei anderen Gelegenheiten persönlich erklärt, die Unterschriften seien Brüssel überreicht worden. Allmählich wächst auch bei wohlwollenden Beobachtern der Verdacht: Die aktuelle Landesregierung interessiert sich zu wenig für den Flughafen Zweibrücken . Wie sonst könnte ihr entgangen sein, dass die 11 000 (!) Unterschriften aus allen politischen Richtungen kamen, von Schwarz bis Rot, von Blaugelb bis Grün? Wenn jetzt das zuständige Ministerium suggeriert, die Flughafenfreunde seien CDU-gesteuert, ist das völlig absurd. Wobei auch die CDU in Mainz sich besser an die eigene Nase fassen sollte, statt die SPD-geführten Landesregierungen zu attackieren: Die haben nämlich jahrzehntelang sehr viel erfolgreich für die Konversion in Zweibrücken getan. Während man der CDU lange erklären musste, dass hier ein Flughafen ist, für den es sich einzusetzen lohnt.

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