Tages-Ziele, Tages-Werke und Tages-Etappen

Saarbrücken · Ein mustergültiger Film über Flüchtlingswege, eine Doku über die Niederungen des Motorsports und eine über einen Deutsch-Türken: die heute anlaufenden Dokus.

 Paul, den Filmemacher Jakob Preuss 200 Tage lang begleitete. Foto: Mop

Paul, den Filmemacher Jakob Preuss 200 Tage lang begleitete. Foto: Mop

Foto: Mop

Man kann Jakob Preuss nicht vorwerfen, dass er auf den medialen Flüchtlingszug aufgesprungen wäre, weil das gerade angesagt ist. Seine gelungene Doku "Als Paul über das Meer kam - Tagebuch einer Begegnung" ist kein hopplahopp montiertes Lehrstück über Migration heute. Und ist auch nicht mit großer Umarmungsgeste gedreht. Vielmehr fängt Preuss differenziert die Odyssee des Kameruners Paul nach Deutschland ein. Und wirft grundsätzliche Fragen auf. Etwa die, ob die Grenze zwischen Wirtschafts- und Bürgerkriegsflüchtlingen klar zu ziehen ist. Oder ob sich das Asylgesuch von Afrikanern als Entschädigung für die Folgen der Kolonialisation deuten lässt. In der Nähe der spanischen Exklave Melilla in Marokko - einem unwirklichen Vorposten Europas, wo die einen in vollendeter Dekadenz Golf spielen und die anderen ausgeschlossene Zaungäste bleiben - hat Preuss Paul getroffen und ihn über 200 Tage hinweg immer wieder aufgesucht.

Preuss' Film rekonstruiert Pauls vier Jahre dauernde Migration in Niger, Algerien, Marokko, Spanien, Frankfurt, Eisenhüttenstadt. Exzellente, teils animierte Zeichnungen bündeln die jeweilige Vorgeschichte. Vieles bildet Preuss ab: die Position des Frontex-Grenzpersonals; die Ratschläge von Schleusern mit Blick auf den Königsweg Heirat ("Geh in Diskos und Cafés, um Frauen kennenzulernen"); die Mühlen der Asyl-Bürokratie; Pauls Pläne; Preuss' Doppelrolle als Beobachter und Unterstützer Pauls. In der Summe wirkt das fast musterschülerhaft. Als habe Preuss sich nicht nachsagen lassen wollen, etwas übersehen zu haben.

Heute, 19.30 Uhr: Cinestar 2; Freitag, 15 Uhr: Cinestar 2; Samstag, 12.30 Uhr: Cinestar 4; Sonntag, 16 Uhr, Cinestar 5.

Einzutauchen in ein Soziotop, das einem ganz fremd ist, gehört zu den unverwüstlichsten Reizen des Doku-Genres. Die Werkstatt-Niederungen der Welt des Automotorsports fängt Stephanie Englerts Diplomfilm "Thierfelders. Vermächtnis einer Rennleidenschaft" ein. Am Beispiel eines Familienbetriebes am Kölner Stadtrand zeigt Englerts technisch etwas unfertiger Film (Ton, Beleuchtung), wie hart das Touring-Geschäft geworden ist: Kleine wie die Thierfelders kommen kaum noch über die Runden und müssen auf unerfahrene Talente setzen, die ihnen die Autos schnell mal zu Schrott fahren. Das macht 78 Minuten zwischen Motoröl, Küchentisch und Boxenstopp. Englert fängt die Tristesse des Mitmischen-Wollens ein, dazu die Schrauberei-Vita des Senior-Chefs (und Originals) Ernst, ohne den nichts geht, und die den Werkstattbetrieb prägenden latenten Differenzen von Vater & Sohn. "Bei mir kam immer erst die Arbeit, dann die Familie. Heute ist es umgekehrt", bringt es der in Werkstatt-Symbiose mit seiner Frau lebende Ernst auf den Punkt.

Heute, 22.15 Uhr: Cinestar 2; Freitag, 12.30 Uhr: Cinestar 8; Samstag, 15.15 Uhr: Cinestar 5; Sonntag, 20.30 Uhr: Cinestar 5.

Nicht immer erschließt sich, weshalb aus einer Begegnung gleich ein 90-minütiger Film entstehen muss. Etwa Diana Näckes Doku "Die Geister, die mich riefen". Näcke begleitet ihren Bekannten, den in Berlin lebenden Türken Engin, auf seiner Fahrt in dessen alte Heimat, in der er seit 20 Jahren nicht mehr war. Ein Erbschaftsstreit ist Anlass der Reise. Meistens sitzt Engin am Steuer und erzählt. Von seiner Familie, türkischen Traditionen, seinen Marotten wie der, alleine schlafen zu müssen. Sicher, man erfährt Details über sein Leben in zwei Kulturen. Doch hätte diesem formal eindimensionalen, langatmigen Porträt Straffung gut getan. Erst zum Schluss findet der Film ein Thema: Da sitzt Engin fassungslos am Tisch der alten Kumpanen, die sich vor ihm damit brüsten, wie sie vermeintliche PPK-Kämpfer liquidierten und ihre abgeschnittenen Köpfe als Trophäen nach Hause brachten.

Heute, 19.45 Uhr: Cinestar 8; Freitag, 17.30 Uhr: Cinestar 2; Samstag, 12.30 Uhr: Cinestar 8; Sonntag, 11.15 Uhr: Cinestar 5.

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