Urabstimmung über Streik läuft Tadano will gut 100 Stellen weniger als geplant streichen
Zweibrücken · Die Geschäftsführung erklärt, damit auf gute Vorschläge aus der Belegschaft zu regieren. Doch die finanzielle Lage des Unternehmens sei weiter „dramatisch“. Der sich nach der Betriebsversammlung vom Dienstag weiter abzeichnende Streik wäre deshalb „unverantwortlich“.
Im Streit um den geplanten Kahlschlag beim Kranbau-Unternehmen Tadano Demag in Zweibrücken hat es am Dienstag viel Bewegung gegeben.
Zunächst setzte sich am Morgen ein Marsch der Tadano-Belegschaft in Bewegung. Angeführt von einem riesigen Banner mit der Aufschrift „Zukunft oder Widerstand“ ging es vom Stammwerk in der Dinglerstraße über den Herzogplatz am Rathaus vorbei bis zur Zweibrücker Festhalle. Mit in vorderster Front liefen der zweite Bevollmächtigte Salvatore Vicari von der für Zweibrücken zuständigen IG Metall Homburg-Saarpfalz und der Tadano-Betriebsratsvorsitzende Eduard Glass.
Eine weitere Gruppe hatte sich schon an der Festhalle versammelt – sie kam dann in der Allee dem Marsch aus der Dinglerstraße entgegen. Mit dem Ruf „Alle zusammen, alle zusammen, hoi hoi hoi“ wurde sich freudig begrüßt. In der Halle fand anschließend die Betriebsversammlung auf Einladung des Betriebsrats statt. „Wir gehen selbstbewusst in die Betriebsversammlung und in die Urabstimmung. Die Stimmung ist absolut gegen die Pläne des Managements“, sagte Vicari bei dem Marsch. Die Mitarbeiter seien stinksauer, dass sich von Arbeitgeberseite aus nichts bewege. Das Ergebnis der Urabstimmung über einen unbefristeten Streik wird für Mittwochmittag erwartet. Die mit Tadano vereinbarte Friedenspflicht, in der keine Streikmaßnahmen möglich waren, ist am 2. September ausgelaufen.
Bewegung gab es dann aber doch auch von der Arbeitgeber-Seite. Am Nachmittag teilte die Geschäftsführung dem Merkur in einer E-Mail mit, den im Februar an Aschermittwoch angekündigten Stellenabbau um gut 25 Prozent kürzen zu wollen – und signalisierte mit dem Wort „bereits“, dass es möglicherweise noch mehr Bewegung geben könne, wenn die am Sonntag ergebnislos abgebrochenen Verhandlungen mit dem Betriebsrat und der Industriegewerkschaft Metall fortgesetzt würden.
Die Tadano-Mitteilung beginnt mit den Worten: „Die Geschäftsführung der Tadano Demag GmbH (TDG) hat den Betriebsrat und die IG Metall erneut aufgefordert, die Gespräche zur Restrukturierung der TDG wiederaufzunehmen und zum Verhandlungstisch zurückzukehren. Nur so kann eine konstruktive Lösung gefunden werden, die für beide Seiten tragbar ist. Ein Streik ist der falsche Weg – für das Unternehmen, für die Mitarbeitenden, und für die Zukunft des Standorts Zweibrücken insgesamt.“
Denn, so fährt die Geschäftsführung fort: „Die finanzielle Lage der TDG ist dramatisch. Die geplante Umstrukturierung des Unternehmens inklusive der Schließung von Wallerscheid ist deshalb alternativlos. Im Rahmen der Umstrukturierung wird es zwangsläufig zu Entlassungen kommen.“
Es folgt die (zumindest teilweise) gute Nachricht: „Dabei konnte die Zahl der Stellen, die durch Aufhebungsverträge oder betriebsbedingte Kündigungen wegfallen, als Ergebnis der wertvollen Vorschläge aus der Belegschaft und den Bemühungen des Managements bereits von über 400 auf nun rund 300 reduziert werden.“
Bedauernd heißt es weiter: „Dennoch konnten wir mit dem Betriebsrat und der IG Metall keine Einigung erzielen, und die Gewerkschaft hat nun die Belegschaft zum Streik aufgerufen.“ Die Geschäftsführung schließt mit einer erneuten Warnung: „Das ist vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens unverantwortlich und wird die finanzielle Situation der TDG noch weiter verschlechtern.“
Nach der Betriebsversammlung (zu der der Merkur, wie bei Betriebsversammlungen in Deutschland üblich, nicht eingeladen war), berichtete IG Metaller Salvatore Vicari danach, der Unmut der Beschäftigten über die Wallerscheid-Schließung und den Stellenabbau in beiden Werken sei weiterhin groß. Die Arbeitgeberseite war zur Versammlung eingeladen und der Einladung auch nachgekommen. Das Management stellte sich dort also den Tadano-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern, von denen über 90 Prozent in der IG Metall organisiert sind – und bekam deren Unmut deutlich zu spüren. „Es war teilweise sehr turbulent von der Reaktion her“, so Vicari. Der Betriebsrat habe darüber informiert, wie es bei den Verhandlungen zum Scheitern kam. Am Sonntag wurden diese abgebrochen, „weil sich nichts tut“, so Vicari. „Wer nach zwölf Verhandlungsrunden nur mauert, blockiert und keine Alternativen aufzeigt, der bekommt dann so eine Reaktion mit Pfiffen und Buhrufen, wie es heute der Fall war.“
Von Seiten der IG Metall hätten bei der Betriebsversammlung Vicari selbst und der Arbeitnehmerseite-Verhandlungsführer Uwe Zabel Position bezogen. Gegen 11.30 Uhr sei die Versammlung abgebrochen und auf Mittwoch vertag worden, weil von der IG Metall zum Warnstreik und zur Urabstimmung aufgerufen wurde. Der Betrieb bei Tadano Demag kam durch Betriebsversammlung und Warnstreik nach Merkur-Informationen weitgehend, aber nicht vollständig zum Erliegen.
Vicari zeigt sich „absolut zuversichtlich, dass wir ein hervorragendes Votum unserer Mitglieder bekommen.“ Sofern die Abstimmung sich für den Streik ausspricht, werde dieser am Donnerstag beginnen und unbefristet fortgeführt. Um was es geht, macht Vicari im Gespräch mit dem Merkur noch einmal deutlich: „Wir streiken für unsere Forderungen! Erstens für ein Moratorium, das besagt: Wir verschieben die Umsetzung der Maßnahme um drei Jahre. Zweitens beginnen wir sofort beteiligungsorientiert damit, die Probleme, die Tadano hat, gemeinsam mit den Mitarbeitern in einem klar definierten Prozess und mit Struktur sofort anzugehen.“ Man wolle sich nicht drei Jahre lang zurücklehnen, sondern mit allen Fachleuten zusammen die Problemfelder angehen. Der Markt sei in Ordnung, das Produkt fantastisch, befindetVicari. Aber: „Was das Management von Tadano macht, das ist einfachster Kapitalismus, ich muss es so bezeichnen: Man schließt, man entlässt Menschen und schaut dann, wo die Produkte hergestellt werden.“ Jetzt werde ein wirtschaftlicher Druck erzeugt. Tadano sei gut beraten, die Strategie zu überdenken. „Die haben sich nie ernsthaft mit unseren Alternativen befasst. Wir zeigen ja einen Weg auf, die Probleme aufzugreifen und zu lösen.“ Mit der Blockade gefährde das Tadano-Management nicht nur die Zukunft Zweibrückens. „Wir haben große Sorge, dass alle drei europäischen Werke akut gefährdet sind.“ Vicari erwartet ein klares und deutliches Signal von der Arbeitgeberseite, das ernsthafte Alternativen aufzeigt. Erst dann könne ein möglicher Streik beendet werden. Mit Blick auf die Zukunft sagte der IG-Metaller: „Wir wünschen uns alle, dass wir in drei Jahren 200 Jahre mit einer Wahnsinns-Party feiern. Das hätten die Mitarbeiter verdient, das hätte der Standort verdient und das hat auch die Unternehmensgeschichte verdient. Hier ist Großartiges geleistet worden und es ist schade, dass es durch Fehlmanagement in so eine Richtung läuft.“
Diesen Mittwoch wird die Betriebsversammlung um zehn Uhr fortgeführt. Das Ergebnis der Urabstimmung über den Arbeitskampf wird für den Mittag erwartet.