Unser Jahr Kommentar Mehr Mut wagen: Was 2022 in Zweibrücken passieren sollte
Von der Wohnungspolitik über Vandalismus-Bekämpfung bis zur Corona-Impfung: Unser Kommentator empfiehlt einige neue Vorsätze für dieses Jahr, die Zweibrücken voranbringen könnten.
Mehr Fantasie wagen: Im Jahr 2020 war in der Zweibrücker Kommunalpolitik viel die Rede davon, dass es nicht genug Bauplätze für neuen Wohnraum gebe. 2021 sind die drei diesbezüglich größten Projekte massiv ins Stocken geraten: Der Bebauungsplan für das Ex-Parkbrauereigelände stellte sich vor dem Oberverwaltungsgericht in Koblenz als rechtswidrig heraus und muss nun zeitraubend neu gestaltet werden. Der Investor für das Gelände um die Villa Schwinn sprang ab. Und vom „Wohnen am Kirchberg“ hört man gar nichts mehr.
Das empfinden zwar nicht alle Bürger als schlechte Nachrichten: Bei Parkbrauerei und vor allem Villa Schwinn stör(t)en sich Kritiker an zu erdrückender Bebauung und dem Verlust von Grünflächen mitten in der Stadt; auf dem Kirchberg erscheint vielen das Bauen auf der Grünen Wiese als noch viel größere Sünde in einer Zeit, in der es gilt, im Kampf gegen die Klimakrise Grünflächen zu erhalten oder sogar ökologisch aufzuwerten – statt sie zu versiegeln.
Neubauten auf Grünflächen werden immer mehr auch rechtlich zum Vabanquespiel (der Streitpunkt bei der Parkbrauerei ist nicht die Bebauung der alten Industriefläche unten, sondern am Hang oberhalb). Die Erfahrung zeigt: Solche Projekte können scheitern oder sich so lange verzögern, dass die aktuelle Nachfrage nach attraktivem Wohnraum in Zweibrücken nicht befriedigt werden kann.
Dabei ist die Nachfrage heute sicher viel größer als sie es in etlichen Jahren sein wird, wie ein Blick auf die auf den Kopf gestellte Alterspyramide in Zweibrücken zeigt und die daraus folgende Bevölkerungsschwund-Prognose.
Wie also die Nachfrage nach attraktivem Wohnraum befriedigen, und das nicht erst in vager Zukunft? Dazu können zwar durchaus auch Neubauprojekte beitragen. Dann aber bitte städtebaulich attraktiv! Neubauten sollten auch ein Gewinn fürs Stadtbild sein und nicht nur ein Gewinn für die Investoren. Doch die architektonische Qualität von Neubauten war in Zweibrücken schon lange kein Thema mehr – und das in einer Stadt, deren Geschichte (barocke Herzogsvorstadt!) eindrucksvoll zeigt, wie sehr sich architektonische Qualität sogar jahrhundertelang auszahlen kann.
Bedauerlich ist, das städtebauliche wissenschaftliche Debatten von der Zweibrücker Stadtpolitik weitgehend ignoriert werden. Was zum Teil verständliche Gründe hat: Das Bauamt hat mehr als genug zu tun mit baurechtlichen und planungsrechtlichen Pflichtaufgaben. Das Baudezernenten-Amt wird in Zweibrücken fast schon traditionell mit zwar guten, aber völlig fachfremden Politikern besetzt. Auch im Stadtrat sitzen zwar viele gute Leute – aber niemand mit auch nur ansatzweise städtebaulicher Expertise.
Mehr Fantasie, Kreativität und Qualität statt rein renditeorientierter Architektur könnte es durch mehr städtebauliche Wettbewerbe für Zweibrücker Projekte geben. Oder wie wär’s mit einem „Creative Director Städtebau“? Der könnte sich auch um Sanieren und Neugestaltung alter Häuser und Siedlungen kümmern. Denn Neubauten allein helfen – siehe oben – kaum, zumal sie oft zu teuer für junge Familien sind.
Nur auf Neubauten zu setzen, wäre fahrlässig. Nicht nur wegen des Risikos, dass nichts aus solchen Projekten wird. Sondern auch, weil Zweibrücken so überaltert ist, dass selbst dann, wenn viele junge Familien zuzögen, in den nächsten Jahrzehnten noch sehr viel Wohnraum frei wird. Wohnungen und vor allem Einfamilienhäuser, in denen früher noch größere Familien gewohnt haben, heute aber oft nur noch ein oder zwei Senioren, eines Tages niemand mehr.
Eigentlich ist also mehr als genug Wohnraum da in Zweibrücken – nur eben nicht genug zeitgemäßer. Warum nicht systematischer alten Wohnraum so sanieren, dass er Neubauten gleichwertig ist? Viele Senioren könnten bereit sein, ihre zu groß gewordenen (und oft noch nicht seniorengerechten) eigenen Häuser und Gärten zu verlassen, um in schöne kleinere Wohnungen umzuziehen. Dadurch freiwerdende Einfamilienhäuser könnten neuwertig saniert und umgebaut werden – und so den begehrten attraktiven Wohnraum für junge Familien schaffen.
Es gibt vielerorts gelungene Beispiele für das Sanieren alter Gebäude. Dies allerdings ist so aufwendig, dass viele Privatleute davor zurückschrecken: Hier sollte die Kommunalpolitik intensiv prüfen, wie Stadt, Gewobau, oder ein „Creative Director Städtebau“ hierbei helfen können. Eine grünflächensparende Idee wäre auch das Aufstocken vorhandenen Wohnraums, wo dies statisch möglich ist.
Mehr Kooperation wagen: Jahrzehntelang war das Verhältnis zwischen Zweibrücken und Pirmasens von Eifersüchteleien und Furcht vor dem Verlust „eigener“ Einrichtungen geprägt. Deshalb ist der Ende 2021 eingeschlagene gemeinsame Weg mit dem Landkreis Südwestpfalz gut, zu prüfen, ob und wie man mehr kooperieren kann. Das Beispiel ZEF (Zweckverband Entwicklungsgebiet Flugplatz Zweibrücken) zeigt ja schon einige Zeit, dass Kooperation (hier zwischen Zweibrücken und Südwestpfalz) zum beiderseitigen Gewinn funktionieren kann. Für das Trio ZW/PS/SWP geht es jetzt um die Frage, wie man Verwaltungsaufgaben zusammenlegen kann, ohne dass Bürger davon Nachteile haben. Ob künftig online gestellte Anträge im Backoffice von Sachbearbeitern in Zweibrücken oder Pirmasens erledigt werden, dürfte den meisten Bürgern egal sein – solange die politischen Entscheidungen, wie Zweibrücken sich entwickeln soll, weiter dort getroffen werden, wo die dafür nötige Ortskompetenz da ist. Also in Zweibrücken.
Mehr Sicherheit wagen: Seit einigen Jahren ist Zweibrücken immer wieder von Vandalismus geplagt. Selbst Geldabheben ist abends an manchen Automaten nicht mehr möglich, weil die Kreditinstitute Angst vor Vandalismus haben. Diese Maßnahme ist verständlich – für Zweibrücken aber eine gänzlich inakzeptable Bankrotterklärung. Zwar ist die Kommunalpolitik nicht untätig, wie die Ausweitung der Videoüberwachung zeigt. Die allein wird das Problem aber nicht lösen – wie man auch am Beispiel der Geldautomaten sieht, die ja schon ewig Kameras haben! Es gilt, eine Null-Toleranz-Strategie gegen Vandalismus zu entwickeln. Dafür sollte man verschiedene Maßnahmen diskutieren. Eine Idee: Die Ordnungsamts-Streifen (kommunaler Vollzugsdienst) drei Monate massiv personell aufstocken (notfalls auch mithilfe privater Security-Dienste), um größere abschreckende Präsenz zu zeigen. Je nach den gemachten Erfahrungen könnte man dann prüfen, ob man den kommunalen Vollzugsdienst aufstockt – und/oder auch Streetworker einstellt und auf auf Streife schickt (ob allein oder zusammen mit Ordnungsamtskräften). Denn es gilt nicht nur, asoziales Verhalten zu bestrafen, sondern vor allem, es zu verhindern – weshalb Investitionen in Soziales langfristig sogar mehr Sicherheit bringen könnten als Investitionen in Security.
Mehr Solidarität wagen: Das ist zur Abwechslung mal nicht ein Aufruf an „die Politik“ – sondern an jeden und jede von uns. Und zwar zu dem Thema, das 2022 wohl leider auch Zweibrücken noch lange beschäftigen wird: Corona. Auch dank erfolgreicher deutscher Forscher gibt es Impfstoffe, die das Potenzial haben, die Pandemie in nicht allzu ferner Zukunft zu besiegen – sodass wir alle schmerzlich vermisste alltägliche Gewohnheiten und Freiheiten endlich wieder genießen können. Das allerdings funktioniert nur, wenn noch deutlich mehr Menschen die Impfangebote wahrnehmen!
Skepsis gegenüber den neuartigen Impfstoffen war verständlich. Mittlerweile haben sie aber weltweit milliardenfach auch den Praxistest bestanden. Trotzdem bleiben Ängste verständlich. Denn in Einzelfällen kann auch eine Impfung ernste gesundheitliche Schäden auslösen, bis hin zum Tod. Dies aber gilt auch für so ziemlich jedes Medikament. Doch während bei Medikamenten fast alle Menschen das statistisch unwahrscheinliche Schadens-Risiko angesichts des weit überwiegenden Nutzens wie selbstverständlich in Kauf nehmen (manchmal sogar etwas leichtfertig), lösen Impfstoffe immer noch auch irrationale Ängste aus (die leider teils gezielt geschürt werden).
Selbst wer glaubt, für sich selbst die Corona-Impfung nicht zu brauchen, sollte sich impfen lassen, sofern keine individuellen medizinischen Gründe dagegen sprechen. Denn die Impfung dient auch dem Schutz anderer – vor allem dem Schutz verwundbarer Menschen wie Senioren oder mit geschwächtem Immunsystem – und beugt einer Überlastung der Krankenhäuser vor, die schon heute einige eigentlich geplanten Behandlungen anderer Patienten verschieben müssen. Auch die umstrittene Impfung von Kindern – welch schwere Entscheidung für Eltern! – wäre heute wohl gar kein Thema, wenn die Politik nicht entgegen dem Rat der meisten Virologen zu voreilig Coronaschutzregeln gelockert hätte und sich schon mehr skeptische Erwachsene hätten impfen lassen.
Eine Impfung wird so auch ein Akt der Solidarität und Nächstenliebe – wenn man nämlich die eigene Skepsis oder sogar Angst überwindet, um zu helfen, Mitmenschen Covid-19 mit den oft langen Folgen zu ersparen – und die Pandemie zu besiegen.
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