Streit um Grundsteuer, Sorge um Schulen und Kultur in Zweibrücken Stadtrat setzt ein (gefährliches?) Zeichen

Zweibrücken · Der Stadtrat lehnt die von der Kommunalaufsicht geforderte Grundsteuer-Erhöhung ab. Durch diese Weigerung drohen den Zweibrücker Bürgern jetzt noch deutlich unangenehmere Folgen, warnte der Stadtvorstand zuvor vergeblich.

 Die vom Stadtrat abgelehnte Grundsteuer-Erhöhung hätte rund 10 000 Zweibrücker Hausbesitzer betroffen.

Die vom Stadtrat abgelehnte Grundsteuer-Erhöhung hätte rund 10 000 Zweibrücker Hausbesitzer betroffen.

Foto: dpa/Patrick Pleul

Oberbürgermeister Marold Wosnitza (SPD) und Bürgermeister Christian Gauf (CDU) haben am Mittwochabend im Zweibrücker Stadtrat eine schwere Niederlage erlitten – weil sie von ihren eigenen Fraktionen in der Grundsteuer-Frage im Stich gelassen wurden. Der Rat lehnte die von der ADD (Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier) geforderte Anhebung der Grundsteuer für bebaute Grundstücke von 425 auf 480 Prozentpunkte ab.

Wosnitza, Gauf als Finanzdezernent und Kämmereileiter Julian Dormann hatten zuvor eindringlich deutlich gemacht, dass ein solches Votum wahrscheinlich schlimme Folgen auch für viele Zweibrücker Bürger haben wird. Denn angesichts der (nicht selbst verursachten, aber dennoch rechtswidrigen) Verschuldung der Stadt bleibe der ADD gesetzlich gar keine andere Möglichkeit, als Zweibrücken zum Ausschöpfen aller Einnahmemöglichkeiten aufzufordern. Und die seien in Zweibrücken offensichtlich nicht ausgeschöpft, wenn der Grundsteuer-Satz bei den kreisfreien Städten im Flächenstaaten-Bundesdurchschnitt bei 545 liege, im entsprechenden Landesschnitt bei 444, und die direkten Nachbarstädte Pirmasens (480) und Homburg (560) auch gerade erhöht hätten.

Kurz vor der Sitzung habe die ADD-Vizepräsidentin ihm in einem Telefonat angedeutet, sogar eine Grundsteuer-Erhöhung auf 535 anzuordnen berichtete Wosnzita und mahnte den Rat: „480 sind das kleinere Übel.“ Wosnitza und Dormann warnten auch vor weiteren Problemen. Denn lehne der Rat die Grundsteuer-Erhöhung ab, könne die ADD dem Nachtragshaushalt so nicht zustimmen. Dann aber müsse die Stadt wohl mit dem ursprünglichen 2020er-Haushalt weiterarbeiten, der noch einen fünf Millionen Euro niedrigeren Fehlbetrag vorsah – und diese fünf Millionen einsparen. Dies würde bedeuten, dass alle nicht gesetzlich vorgeschriebenen oder vertraglich bereits vereinbarten Leistungen in Gefahr gerieten – von Kulturveranstaltungen und Büchereien über die VHS und Straßensanierungen bis hin zu den nötigen Personal-Einstellungen für die gerade in Bau befindliche Kita an der Gabelsbergerstraße über Schulsanierungen, die Mehrzweckhalle für das Helmholtz-Gymnasium bis hin zum Digitalpakt für die Schulen. „Es geht uns nicht um eine Drohkulisse, aber wir müssen schauen, was realistisch ist“, kommentierte Dormann diese Liste.

Völlig einig waren sich alle Redner zwar: Die 700 000 Euro, welche die geforderte Grundsteuer-Erhöhung einbrächte, sind völlig ungeeignet, die strukturellen Probleme der Stadtfinanzen zu lösen. Der Schuldenberg ist nämlich rund 250 Millionen Euro groß. Und das (gewachsene) Jahresdefizit ist auf Zinslasten und höhere Ausgaben im Bereich Soziales (dazu gehören auch die Kitas) zurückzuführen. Sozialausgaben, die durch neue Gesetze von Bund oder Land vorgegeben seien – mit deren Kosten Bund und Länder die Kommunen aber weitgehend alleine ließen.

Wie aber auf dieses Dilemma strategisch am besten reagieren? Über diese Frage wurde im Stadtrat heftig gestritten. Zunächst versuchte es die CDU mit einem Kompromissvorschlag – einer Anhebung von 425 auf nur 450, „dem Durchschnitt der kreisfreien Städte in Rheinland-Pfalz angepasst“, so Fraktionsvize Pascal Dahler. „Politik ist keine Einbahnstraße“, begründete Dahler die Bereitschaft zu einer Teil-Erhöhung, „wir hoffen, dass auch die ADD sich dieser Sicht bewusst ist“. Die ADD habe der Stadt zwar Hoffnung auf eine baldige Lösung der Finanznöte verschuldeter Kommunen gemacht, „aber da gibt es noch nichts Konkretes“. Deshalb lehne die CDU „480 zum jetzigen Zeitpunkt ab“. Die Fraktion werde sich „nicht wegducken“ und sich deshalb bei keiner Abstimmung enthalten. Außer Ingrid Kaiser (FDP) konnte die CDU aber niemand von dem Änderungsantrag überzeugen.

SPD-Fraktionsvize Theresa Wendel erklärte, die SPD sei zwar nicht grundsätzlich gegen eine Erhöhung der Grundsteuer auf 480: „Wir sind auch bereit, an diese Schmerzgrenze zu gehen.“ Allerdingsr nicht jetzt – sondern erst dann, wenn die Grundproblematik gelöst ist. „Selbst wenn wir pro Jahr eine Million Euro Überschuss machen würden, bräuchten wir 250 Jahre, um von dem Schuldenberg runterzukommen.“ Die Bundes-CDU müsse ihre Blockade gegen den Entschuldungs-Plan von Bundesfinanzminister Olaf Schlolz (SPD) aufgeben.

„Auch die früheren Grundsteuer-Erhöhungen haben uns ja nicht geholfen“, argumentierte Grünen-Fraktionschef Norbert Pohlmann zwar ganz ähnlich – doch Zweibrücken drohe Stillstand, wenn die ADD Zwangsmaßnahmen verhängen müsste.

Wie die Grünen stimmte deshalb auch FWG-Chef Kurt Dettweiler der Steuererhöhung zu und mahnte, auch mit Blick auf die im nächsten Tagesordnungspunkt einstimmig verabschiedeten Resolution an Bund und Länder zur Beseitigung der Finanznot der Städte (siehe Infobox): „Wenn der Bund uns etwas anbietet, müssen wir auch etwas tun!“ Dettweiler kritisierte, „dass die großen Fraktionen CDU und SPD ihre Stadtspitze im Regen stehen lassen“.

FDP-Chefin Ingrid Kaiser empfindet die von der ADD geforderte Grundsteuer-Erhöhung zwar als eine „unerträgliche Knebelung von uns als frei gewählter Bürgerschaft“ – die FDP stimme aber notgedrungen zu, „um die Stadt weiter attraktiv halten zu können“.

Die Partei/Die Linke-Fraktionsvize Aaron Schmidt sagte: „Wir fahren mit dem Lkw ungebremst Richtung Mauer, und die ADD sagt, wir kappen euch die Bremsen.“

Dirk Schneider, Chef der neuen Fraktion „Bürgernah“ mit Atilla Eren, forderte Bund und Land auf, Kommunen und deren Bürger nicht mehr für den Straßenausbau bezahlen zu lassen, dies würde den Haushalt mehr entlasten als die Grundsteuer-Erhöhung.

Walter Buchholz (AfD) kritisierte zwar ebenfalls Bund und Land, mahnte aber auch die Stadt, mehr zu sparen – wenn Homburg 40 Stellen streiche, könne Zweibrücken dies doch sicher auch.

Am Ende lehnte der Rat die Grundsteuer-Erhöhung ganz knapp ab. Dafür stimmten 14 Räte (Grüne, FDP, FWG, Thomas Eckerlein/CDU, Elisabeth Metzge (CDU) und Walter Rimbrecht/SPD), dagegen 15 (CDU, AfD, Patrick Lang/FWG), Dirk Schneider und Atilla Eren. Die SPD enthielt sich.

CDU-Fraktionschef Christoph Gensch schlug nach diesem Ergebnis vor, die Abstimmung über den zuvor gescheiterten CDU-Antrag zu wiederholen: Vielleicht seien einigen Räten die Folgen ihrer Entscheidungen nicht ganz bewusst gewesen. Die SPD wies dies zurück – und OB Wosnitza schloss sich Dirk Schneiders Hinweis an, dass man laut Geschäftsordnung nicht so oft abstimmen könne, bis das passende Ergebnis vorliegt.

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