Konstruktive Debatte im Zweibrücker Stadtrat Videoüberwachung und Glasverbot umstritten

Zweibrücken · Helfen mehr Verbote und mehr Überwachungskameras, Vandalismus und Körperverletzungen vorzubeugen und zu verfolgen? Oder sollte man die Einhaltung vorhandener Regeln besser kontrollieren? Zu diesen Fragen hat der Rat der Verwaltung Aufträge erteilt.

 Keine Scherben, aber einiger herumfliegender Müll: So sah der der ZOB am Mittwochabend nach der lebendigen und konstruktiven Stadtrats-Debatte zu Videoüberwachung und Glasverbot aus.

Keine Scherben, aber einiger herumfliegender Müll: So sah der der ZOB am Mittwochabend nach der lebendigen und konstruktiven Stadtrats-Debatte zu Videoüberwachung und Glasverbot aus.

Foto: Lutz Fröhlich

„Dann sollten wir besser über Männer reden als über Kameraüberwachung.“ Mit diesen Worten kommentierte Aaron Schmidt (Die Partei) am Mittwochabend im Zweibrücker Stadtrat die Auflistung von 17 Strafanzeigen, die laut Polizeiinspektionsleiter Matthias Mahl nach insgesamt 20 Vorfällen im Jahr 2021 auf dem ZOB (Zentraler Omnibus-Bahnhof) und dem benachbarten Alexanderplatz eingeleitet worden waren. Mahl hatte darüber informiert, weil die CDU beantragt hatte, Videoüberwachung des ZOB zu prüfen.

Die Täter seien „ganz überwiegend“ Männer, antwortete Mahl auf Schmidts Frage. Wie hoch war der Anteil genau? Auf diese Merkur-Nachfrage mailte Mahl am Donnerstag: „Die 13 ermittelten Tatverdächtigen in den 12 aufgeklärten Fällen waren ausnahmslos männlich.“ Was könnte dafür die Ursache sein? Darüber „ließe sich trefflich spekulieren“, schreibt Mahl. In der polizeilichen Kriminalstatistik liegt der Anteil der weiblichen Tatverdächtigen generell nur bei rund 25 Prozent. Konkret komme am ZOB und Alex hinzu: „13 der 17 aufgeführten Delikte sind Aggressionsdelikte, die nach allgemeiner polizeilicher Erfahrung eher von Männern als von Frauen begangen werden. Dabei spielt auch der Faktor Alkohol eine Rolle, der oftmals aggressionssteigernd und enthemmend wirkt, also tatbegünstigend. Diese Aussage trifft weitaus häufiger auf Männer als auf Frauen zu.“

Die 17 Taten gliedern sich laut Mahl wie folgt auf: „8 Körperverletzungsdelikte, 1 Fahrlässige Körperverletzung, 2 Sachbeschädigungen, Diebstahl, 1 Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz, 1 Widerstand gegen Polizeibeamte in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung, 1 gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung, 1 Verstoß gegen das Waffengesetz in Tateinheit mit Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz, 1 Bedrohung in Tateinheit mit Verstoß gegen das Waffengesetz.“ Nicht zur Einleitung von Strafverfahren führten: „1 Untersagung der Weiterfahrt eines mäßig alkoholisierten Radfahrers, 1 Belästigung eines Kunden vor dem Eingang eines Geschäfts durch einen alkoholisierten Passanten, 1 Mitteilung über nicht feststellbare Jugendliche, die in der Öffentlichkeit Betäubungsmittel konsumiert haben sollen“.

Mahl bestätigte den Eindruck vieler Stadtratsmitglieder, dass die Zahl der Vorfälle in den vergangenen Jahren gewachsen ist. Betrachte man allein Körperverletzungen und Sachbeschädigungen, gab es folgenden Zahlen. 2017: 8 Fälle, 2018: 3, 2019: 13, 2020: 20, 2021: 14 Fälle.

2018 hatte der Landes-Datenschutzbeauftragte die vom Zweibrücker Stadtrat einstimmig gewünschte Videoüberwachung des Wasserpielpatzes am Kleinen Exe genehmigt – die des ZOB aber abgelehnt. Begründung: Bei nur acht – überwiegend aufgeklärten – Delikten im Vorjahr wäre der Grundrechte-Eingriff unverhältnismäßig, zumal die Körperverletzungen auch mit Kameras nicht hätten verhindert werden können.

Die seitdem gewachsene Zahl insbesondere von Vandalismusschäden sollte aber Anlass sein, nun erneut eine Kameraüberwachung des ZOB zu prüfen, begründete die neue stellvertretende Fraktionschefin Verena Ecker den CDU-Antrag. Ecker betonte, auch der Datenschutz solle berücksichtigt werden: „Wir wollen nicht, dass wie bei Big Brother permanent jemand guckt.“ Die Videoaufzeichnungen sollten nur dann angesehen werden, „wenn strafrechtlich etwas passiert ist“ – und ansonsten schnell gelöscht werden. Doch nachdem der Stadtrat einstimmig die Überwachung von Wasserspielplatz und im Dezember auch rund ums Helmholtz-Gymnasium beschlossen habe, „sollten wir den wichtigen ZOB-Bereich nicht außen vor lassen“. Als Grund nannte Ecker „insbesondere die schweren Stichverletzungen zwei junger Erwachsener“ am Alexanderplatz und in der Maxstraße – was aber außerhalb von ZOB-Kameras gewesen wäre, wie SPD-Fraktionschef Stéphane Moulin anmerkte. Auch Eckers Argument, dass die Sparkasse wegen Vandalismusproblemen sogar nachts ihren Geldautomaten-Bereich sperren musste, gehe ins Leere, nicht nur wegen der noch größeren Entfernung: „Dort ist ja Videoüberwachung, und das hat keine abschreckende Wirkung gehabt.“ Ecker erwähnte aber auch zunehmende Klagen von Geschäftsleuten am ZOB über Vandalismus und Ärger von „Busfahrenden über verunreinigte Sitzbereiche und abgerissene Mülleimer“.

Grünen-Fraktionschef Norbert Pohlmann sagte, er könne die Sicht der CDU zwar nachvollziehen. Doch die enthielten sich, weil man mit dem Argument Verschmutzung und Vandalismus „die ganze Stadt überwachen“ könnte und Zweifel an der Wirksamkeit habe.

Moulin sagte, die SPD sei mit einer Prüfung einverstanden – aber skeptisch. Auch bei einer nur nächtlichen Überwachung würde „jeder, der mit dem Taxis fährt“ aufgezeichnet, da gelte es den Nutzen abzuwägen. Moulin regte auch an, zu prüfen, „ob es wirkungsvollere Mittel gibt, zum Beispiel bessere Beleuchtung“. Auch könne man erkannte Problembereiche vielleicht mehr bestreifen. Ecker begrüßte diese beiden Anregungen. Die Kleine-Exe-Überwachung war von der SPD beantragt worden, erinnerte Moulin, man sei also nicht grundsätzlich gegen Kameras. Ein Blick ins Merkur-Archiv zeigt zudem: 2017 hatte die SPD auch eine Prüfung der Videoüberwachung des ZOB vorgeschlagen.

Die FWG sei „ausdrücklich pro Einführung, die Sicherheit unserer Bürger geht vor“. FDP-Fraktionsvize Ulrich Schüler sagte, hier gehe es um die Bekämpfung „körperlicher und auch seelischer Verletzungen (durch Eigentumsdelikte)“, deshalb sei man trotz besonderer Sensibilität als liberale Partei klar für Kameraüberwachung am ZOB. AfD-Fraktionschef Harald Benoit hatte bei Polizeichef Mahls Vortrag mitgezählt und kam auf etwa 75 Prozent Taten tagsüber. Und schloss daraus: „Bis 20 Uhr könnte das Ordnungsamt verstärkt kontrollieren, danach Videokameras.“

Mahl bestätigte den Eindruck von Oberbürgermeister Marold Wosnitza (SPD), dass die Polizei die Taten 2021 am ZOB und Alexanderplatz ganz überwiegend aufklären konnte. Ein Grund, so Mahl: „Das waren meist Beziehungstaten.“ Zum Beispiel Streit zwischen Männern um Frauen. Am Ende stimmte nur Aaron Schmidt gegen den Prüf-Antrag der CDU.

Glasverbot in Innenstadt? Bei zwölf Enthaltungen einstimmig angenommen hat der Rat den CDU-Antrag, zu prüfen, das Mitführen von „Flaschen, Gläser, Tassen oder Krügen“ nachts von 22 bis 6 Uhr in der ganzen Innenstadt zu untersagen (mit Ausnahme von Außengastronomie incl. Festständen). Dies helfe, Verletzungen von Tieren – und auch Kindern am Kleinen Exe – durch Scherben zu verhinder, begründete Verena Ecker. SPD, Grüne und Bürgernah enthielten sich: Das Ziel der CDU sei zwar sehr wichtig. Aber Flaschen zu zerdeppern und Splitter herumliegen zu lassen sei schon heute verboten, ebenso Alkoholtrinken am Kleinen Exe. Deshalb wäre wichtiger, die Einhaltung der geltende Regeln besser zu kontrollieren. Und das nicht nur in der Innenstadt, denn Scherben-Problem gebe es auch außerhalb. Grünen-Chef Pohlmann warnte: „Wir hätten einen Glaubwürdigkeitsverlust, wenn man immer mehr verbieten würde, aber die Verbote nicht überwachen lässt.“ Auch solche Fragen gelte es zu prüfen, sagte CDU-Fraktionschef Pascal Dahler.

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