Kritische Blicke nach Pirmasens Viele Fragen, wenige Antworten

Zweibrücken · Stadtrat befragt Gesundheitsamts-Chef zu möglichen Lüftungsanlagen für Schulen. Pirmasenser Modell unter der Lupe.

 Welcher ist der richtige Weg im Kampf gegen Corona an den Schulen? Lüften? Der Einbau von teilweise sehr teurer Technik?

Welcher ist der richtige Weg im Kampf gegen Corona an den Schulen? Lüften? Der Einbau von teilweise sehr teurer Technik?

Foto: dpa/Daniel Bockwoldt

Die Corona-Pandemie ist eine Herausforderung. Für die Menschen, die in Sorge vor einer Ansteckung leben. Und auch für die Wissenschaft. Etliche Fragen rund um das Virus sind noch ungeklärt, so manches liegt für die Forscher weiter im Nebel.

Kein Wunder, dass auch in der Lokalpolitik viele Fragen gestellt werden, auf die es nur schwer eine schnelle, ideale Antwort geben kann.

Das wurde in der Sondersitzung des Stadtrates am Mittwochabend deutlich. Erstmals wurde ein Termin dieses Gremiums rein digital veröffentlicht, interessierte Bürger konnten die Sitzung via Livestream verfolgen (wir berichteten am Donnerstag).

„Wir haben heute nur ein Thema: Lüften an Schulen“, leitete Oberbürgermeister Marold Wosnitza (SPD) die Sitzung ein. Er betonte, die Stadt verhalte sich in der Pandemie „gewissenhaft“, man stehe als Schulträger in ständigem Austausch mit den Schulen und prüfe permanent, wo etwas verbessert werden könne.

Erfreulicherweise hätten alle Schulen in Zweibrücken in sämtlichen Sälen Fenster, die zum Lüften geöffnet werden könnten. Eine Ausnahme bildeten lediglich zwei Räume, für diese seien Luftfilter bestellt worden.

Die Stadtverwaltung hatte Dr. Heinz Ulrich Koch, Leiter des Gesundheitsamtes in Pirmasens eingeladen, zu dem Thema zu referieren und Fragen der Räte zu beantworten.

Besonders das Vorgehen der Stadt Pirmasens sorgte für zahlreiche Fragen. Die Schuhstadt hat an einer größeren Zahl von Schulen Lüftungsanlagen eingebaut, Modelle, die relativ einfach zusammengesetzt werden können mit Elementen,die es in Baumärkten gibt (wir berichteten).

Koch merkte an, er sei in die Installierung dieser Anlagen nicht eingebunden gewesen. Er habe das Prüf- und Forschungsinstitut PFI, mit dem zusammen die Stadt Pirmasens den Einbau vornahm, darum gebeten, ihm Unterlagen zur Verfügung zu stellen, damit er die Wirksamkeit dieser Lüfungstechnik beurteilen könne.

„Ich warte heute noch auf eine Antwort“, sagte der Leiter des Gesundheitsamtes.

Von daher könne er die Effektivität des Pirmasenser Modells schlicht und ergreifend nicht beurteilen.

Er sei grundsätzlich „ein überzeugter Vertreter von Raumluft-Technik“, allerdings werde diesbezüglich oft etwas übersehen: Diese Technik sei wartungsintensiv, werde die Säuberung, der Filteraustausch und mehr vernachlässigt, könnten diese Geräte in ihrer Wirksamkeit ins Gegenteil umschlagen.

Bauamts-Mitarbeiter Rudolf Hartmann stellte dem Rat drei mögliche Modelle vor, die an den Zweibrücker Schulen eingebaut werden könnten. Modell 1, „fachgerechte Lüftungsanlagen“ sei komplex und teuer, der Einbau würde geschätzt pro Klassenzimmer 10 000 bis 15 000 Euro brutto kosten; Modell 2, „einfache Abluftanlagen“, müsste mit 2000 bis 5000 Euro pro Klassenzimmer veranschlagt werden; im Falle des Modells 3, „Luftreinigungsgeräte“, würden noch jeweils zirka 3000 bis 3500 Euro anfallen.

So oder so wäre das ganze also kostspielig bei 277 Klassenräumen an den Zweibrücker Schulen (plus 102 Fachräumen). Und würde es entscheidend helfen?

Diese Frage brannte den Räten aller Fraktionen unter den Nägeln. Wiederholt wurde der Leiter des Gesundheitsamtes gefragt, was er von den Anlagen an den Pirmasenser Schulen halte, stets musste Koch betonen, aufgrund fehlender Unterlagen könne er dies nicht beurteilen.

Stéphane Moulin (SPD) sagte, er habe die Sorge, „dass wir im nächsten Winter sagen: ,Hätten wir bloß etwas gemacht’“, sprich, sich um Lüftungstechnik gekümmert. Er schlug vor, die Stadt solle sich einmal das Vorgehen in Mainz anschauen, dort seien seines Wissens nach alle Grundschulen mit Lüftungsanlagen ausgestattet worden. „Die sind ja auch nicht dümmer und haben sich etwas dabei gedacht“, merkte Moulin an.

Wosnitza griff diese Anregung auf, die Stadt werde sich die Mainzer Lösung näher anschauen.

Dr. Christoph Gensch (CDU) sagte, in Rheinland-Pfalz gebe es mittlerweile 901 nachgewiesene Fälle von Erkrankungen mit Mutationen des Corona-Virus. „Das wird unser Gegner für die kommenden Monate sein“, sagte der Mediziner mit Blick auf die neue Herausforderung durch die Mutationen. Angesichts der hochkomplexen Lage fragte er Koch: „Welche Maßnahme würden sie dem Stadtrat empfehlen?“

Koch sagte, in der Tat sei „Corona wandlungsfreudig, das übersteigt alle bisher gemachten Erfahrungen“.

Sein Vorschlag lautete angesichts dieser Erkenntnis: „Ich würde erstmal warten. Und fragen: ,Wie entwickelt sich der Erreger?“ Korrespondierend sollten die Schulen etwa in Pirmasens und in Mainz bezüglich ihrer Erfahrungen geprüft werden. Das Geld sei schließlich knapp in den Kommunen und es müsse genau geschaut werden, wie dieses eingesetzt werde.

„Abwarten“, „beobachten“, das waren die Worte, die Koch dem Rat ans Herz legte. Und den Schulen legte er nahe, weiterhin akkurat auf die Vorgaben zum Lüften und zu den „AHA-Regeln“ zu achten.

Der Rat will sich in einer seiner nächsten Sitzungen erneut mit dem Thema beschäftigen.

Auch die nächste Ratssitzung am 3. März wird wieder virtuell stattfinden. Wie Oberbürgermeister Marold Wosnitza am Donnerstag auf Anfrage mitteilte, votierten (40 Räte, plus OB) 33 dafür, 7 dagegen, eine Enthaltung.

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