Schul-Digitalisierung: Zweibrücken findet nicht genug Firmen Stadt gegen Luftfiltergeräte für Klassenzimmer

Zweibrücken · Dagegen erhält der Kita-Neubau an der Festhalle eine Lüftungsanlage. Diese allerdings wird so viel teurer als geplant, dass der Stadtrat sogar einen Verzicht erwog. Die bundesweit riesige Nachfrage behindert zudem massiv die Digitalisierung Zweibrücker Schulen.

 Zu teuer und beim Coronaschutz praktisch keine Vorteile gegenüber Stoßlüften: Mit diesen Argumenten lehnt Oberbürgermeister Wosnitza den Kauf mobiler Luftreinigungsgeräte für Zweibrücker Schulen und Kitas ab.

Zu teuer und beim Coronaschutz praktisch keine Vorteile gegenüber Stoßlüften: Mit diesen Argumenten lehnt Oberbürgermeister Wosnitza den Kauf mobiler Luftreinigungsgeräte für Zweibrücker Schulen und Kitas ab.

Foto: dpa/Annette Riedl

2,2 Millionen Euro Bundes-Zuschuss für die Digitalisierung der 14 Zweibrücker Schulen stehen bereit, die Planung hatte die Stadtverwaltung früh erstellt – doch jetzt gibt es eine Hiobsbotschaft: Die Umsetzung der Pläne für schnelles mobiles Internet kommt vorerst nur im Schneckentempo voran.

Eigentlich wollte die Stadt die Sommerferien nutzen, um in den ersten vier Schulen (die es am nötigsten haben) die Elektroinstallationsarbeiten zu erledigen, um dort unter anderem flächendeckend den modernsten Wifi 6-Standard zu ermöglichen. Doch drei der vier Schulen schauen in die Röhre, statt neue Leitungen zu erhalten: Trotz öffentlicher Ausschreibung gab kein einziges Unternehmen Angebote ab für Berufsbildende Schule, Mannlich-Realschule plus und Grundschule Rimschweiler.

Immerhin einen Bieter gab es fürs Helmholtz-Gymnasium: Die Firma E-Technik Sascha Müller aus Dellfeld. Mit rund 146 000 Euro liegt der Preis überraschend sogar 32 Prozent unter der Kostenschätzung. Der Stadtrat vergab den Auftrag am Mittwochabend einstimmig.

„Die Auftragsbücher sind voll, teils gibt Lieferschwierigkeiten“ beim Material“, erläuterte Schuldezernentin Christina Rauch, warum für die drei anderen Schulen keine Angebote eingingen. Laut Mainzer Bildungsministerium gebe es vielerorts Probleme, „weil zurzeit alle die Digitalisierung umsetzen“. Rudolf Hartmann vom Bauamt ergänzte, um die Gründe der Nicht-Abgabe von Angeboten zu erfahren, habe man Firmen abtelefoniert, die sich die Ausschreibungs-Unterlagen heruntergeladen hatten. Teils tauschten Firmen sogar Material, um noch Aufträge ausführen zu können, aber selbst mit solchen Notbehelfen hätte sich niemand in der Lage gesehen, Aufträge für die drei Schulen abzugeben. Hartmann fasste frustriert zusammen: „Die Situation ist absolut gaga.“

CDU-Ratsmitglied Thomas Eckerlein, selbst Schreinermeister, empfahl, Ausschreibungen nicht nur ins Internet zu stellen: Die Stadt solle auch „auf Handwerker zugehen, anrufen, aggressiv mehr Handwerker suchen. Es wird auch in zehn Jahren nicht anders sein – es gibt keine Handwerker mehr!“ Genau das werde bereits gemacht, antworteten Rauch und Bauamtsleiter Christian Michels.

Die Beigeordnete Rauch erklärte am Donnerstag auf Merkur-Nachfrage, wie es jetzt weitergeht, sie finde es „äußerst bedauerlich“, dass für die drei Schulen keine Angebote eingingen. Sie habe die Betroffenen schon letzte Woche informiert. „Wir werden zügig in die erneute Ausschreibung der Umsetzungsprojekte gehen und auch gezielt Unternehmen bitten, sich auf die Ausschreibung zu melden.“ Denn die Corona-Pandemie habe „gezeigt, dass es keine Digitalisierungsinseln geben darf, sondern von und in allen Schulen und Schulformen muss Fernunterricht möglich sein. Die Grundlage hierzu ist eine stabile und zukunftsfähige Netzwerkinfrastruktur. Diese möchte die Stadt schnellstmöglich ermöglichen.“

Einstimmig (bei Enthaltung von Eckerlein) musste der Stadtrat angesichts zu erwartender Preissteigerungen auch das (davon abhängige) Planungs-Honorar für die Schul-Digitalisierungen an das Saarbrücker Ingenieurbüro Famis um 35 000 auf 199 000 Euro erhöhen.

Dass es bei bundesweit starker Nachfrage zu massiven Preissteigerungen kommen kann, erlebte der Stadtrat bei einem weiteren aktuellen Ausrüstungs-Thema für eine Bildungseinrichtung: Der Kita-Neubau in der Gabelsbergerstraße soll noch vor der für September/Oktober geplanten Eröffnung eine Lüftungsanlage bekommen, auch um für eine im Herbst befürchtete Corona-Welle gerüstet zu sein. Fünf geeignete Firmen wurden zu Angeboten aufgefordert – doch nur ein einziges Angebot ging ein, für 143 000 Euro von „Wolf – Lufttechnische Anlagen GmbH“ aus Pirmasens. Das liegt 65 Prozent oberhalb der zuvor ermittelten Kosten. „Ich dachte, mich trifft der Schlag“, berichtete Oberbürgermeister Marold Wosnitza (SPD) über seine Reaktion.

Bundesweit ist der Ansturm auf solche fest eingebauten raumlufttechnischen Anlagen groß: ohnehin bereits seit der Corona-Krise, und erst recht, seitdem der Bund Mitte Juni entschied, in Kitas und Klassenräumen für Kinder bis zwölf Jahren (für die noch keine Corona-Impfstoffe zugelassen sind) hierfür 80 Prozent Zuschuss zu zahlen. Hinzu kämen „riesige Preissteigerungen“ bei Materialien wie Metallen und Kunststoffen, erläuterte Hartmann die derzeit sehr hohen „Wettbewerbspreise“.

Kurt Dettweiler (FWG) und Rolf Franzen (CDU) deuteten an, sie könnten sich angesichts der extremen Preissteigerung eine Aufhebung der Ausschreibung vorstellen. Hartmann und Wosnitza warnten, dann wären vergaberechtlich Schadenersatzansprüche möglich. Und SPD-Fraktionschef Stéphane Moulin gab zu bedenken, angesichts des Ansturms auf Lüftungsanlagen bestehe die Gefahr, „dass es nach einer Neuausschreibung nochmal 20 Prozent teurer wird – ich glaube, wir müssen in den sauren Apfel beißen, und das jetzt beschließen“.

Was der Stadtrat dann auch tat, bei einer Gegenstimme (Eckerlein) und zwei Enthaltungen (Bürgernah-Fraktion).

Was aber ist mit den bestehenden Kitas und Schulen? Patrick Lang (FWG) warnte: „Die Delta-Variante ist auf dem Vormarsch.“ Er sehe die Stadt deshalb „zwingend in der Verantwortung“, zum Corona-Schutz „von der Kita bis zur Orientierungsstufe mit Filteranlagen auszurüsten“.

Für mobile Filteranlagen in mit Fenstern lüftbaren Klassenräumen gibt es (im Gegensatz zu stationären Lüftungsanlagen) allerdings keine Zuschüsse. Oberbürgermeister Wosnitza erklärte, der Gesundheitsamtsleiter habe ihm gesagt, Filtergeräte seien „aus pandemischen Gründen nicht erforderlich – nur, wenn man auf Zwischenlüften verzichten will“. Das Landes-Gesundheitsministerium habe sich gegenüber der Stadt letzte Woche ähnlich geäußert. Damit sei haushaltsrechtlich „eine Unabweisbarkeit nicht gegeben“, begründete Wosnitza, dass für die Stadtverwaltung klar sei: „Die Stadt wird keine mobilen Luftfilteranlagen anschaffen.“ Sollte der Rat das anders sehen, müsse jemand einen Antrag auf eine überplanmäßige Ausgabe stellen – für das von Lang genannte Ziel brauche man 160 Geräte für eine halbe Million Euro. Lang ließ am Donnerstag auf Merkur-Anfrage noch offen, ob er oder seine Fraktion einen Antrag stellen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort