Nach 30 Jahren: Stadtrat beschließt Einführung Mietspiegel zeigt bald erlaubte Mieten-Höhen
Zweibrücken · Nach drei Jahrzehnten hat Zweibrücken wieder offizielle Daten, welche Mieten ortsüblich angemessen sind. Nutzt die Gewobau das aus?
Für Hauseigentümer und Mieter sind in letzter Zeit viele Kosten deutlich gestiegen. Da könnten sich einige Vermieter fragen: Darf ich die Miete erhöhen? Und Mieter könnten sich fragen: Muss ich eine Miet-Erhöhung akzeptieren? Zwar galt laut BGB (Bürgerliches Gesetzbuch § 558) schon immer: Erhöhungen sind nur im Rahmen der „ortsüblichen Vergleichsmiete“ möglich. Diese zu bestimmen war bislang schwierig, denn gerade für private Vermieter war es oft (zu) aufwendig, die geforderten Daten für drei vergleichbare Zweibrücker Wohnungen zu ermitteln.
Als Alternative, die ortsübliche Vergleichsmiete zu ermitteln, sieht das BGB seit der Mietrechtsreform 2001 „qualifizierte Mietspiegel vor“, die „nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt“ werden müssen. Einen solchen qualifizierten Mietspiegel für Zweibrücken hat der Stadtrat am Mittwochabend einstimmig (bei einer Enthaltung aus den Reihen der AfD) beschlossen. Er tritt bereits am 1. März in Kraft.
Damit verfügt Zweibrücken erstmals seit Anfang der 1990er-Jahre überhaupt wieder über einen Mietspiegel. Damit werde „für alle Marktparteien transparent, ob Mietforderungen gerechtfertigt oder überzogen sind, das hat eine streitschlichtende Wirkung“, erklärte bei der Präsentation im Stadtrat Martin Möller vom Hamburger Beratungsunternehmen „Analyse & Konzepte immo.consult“, das den Mietspiegel im Auftrag der Stadt erstellt hatte. Grundlage dafür war eine große Befragung von Vermietern und Mieter (siehe Infobox).
Ergebnis dieser Analyse des Zweibrücker Miet-Markts: Der „Basiswert“ der Netto-Kaltmiete liegt in Zweibrücken zwischen 4,67 Euro pro Quadratmeter bei großen Wohnflächen und 4,80 Euro bei kleinen Wohnflächen. Diese sei eine relativ kleine Schwankungsbreite, erläuterte Möller. (Nebenkosten wie etwa Heizkosten dürfen für Mietspiegel keine Rolle spielen.) Zu diesem „Basiswert“ werden prozentuale Zu- und Abschläge berechnet. Erstens wegen des Baujahrs der Wohnung. 76 Prozent der in der Befragung erfassten Wohnungen wurden zwischen 1949 und 1978 gebaut, hier gibt es weder Zu- noch Abschlag. Den mit sehr weitem Abstand größten Zuschlag (+ 29,8 Prozent) gibt es bei Wohnungen mit Baujahr ab 2005. Zweitens gibt es Zu- oder Abschläge für besondere Merkmale von Wohnungen durch Ausstattung, Modernisierungsmaßnahmen und Lage. Höhere Mieten sind insbesondere bei folgenden Merkmalen möglich: Einbauküche, Wärmeschutzverglasung, Fußbodenheizung, zweites Badezimmer, barrierearme Elemente (Ausstattung); mindestens sechs von acht Modernisierungsmerkmalen (8,3 Prozent Zuschlag); mindestens vier von sechs „Einrichtungen des täglichen Lebens“ in maximal 250 Metern Entfernung verfügbar (9,5 Prozent Zuschlag). Wie hoch welche Faktoren in Zweibrücken ortsüblich sind, wurde ebenfalls bei der Befragung ermittelt. Abschläge sind beispielsweise zu berechnen, wenn Fenster nur einfach verglast sind oder viele Einrichtungen nur in mehr als 750 Meter Entfernung erreichbar sind.
Weil die Berechnung all dieser Faktoren, welche Kaltmiete am Ende angemessen ist, auf Papier zwar möglich, aber kompliziert ist, beschloss der Rat, auf der städtischen Homepage einen Online-Rechner anzubieten – demnächst auf www.zweibruecken.de/mietspiegel.
Der Mietspiegel berücksichtigt aber auch, dass nicht alle Faktoren mathematisch erfassbar sind. So seien nicht alle denkbaren Ausstattungsbesonderheiten erfasst. Und Einbauküchen beispielsweise etwa könnten unterschiedlich wertvoll sein. Zudem könnten bei der Mietpreisbildung „auch Mietdauer und soziale Aspekte eine Rolle spielen“. Deshalb „werden Wohnungen gewöhnlich als ortsüblich bezeichnet, wenn sie innerhalb einer Spannbreite von Mietpreisen liegen, in der sich zwei Drittel aller Mieten dieser Wohnungsklasse befinden“. Diese Spanne betrage in Zweibrücken nach oben wie nach unten gut zehn Prozent.
Miet-Erhöhungen auf breiter Front drohen durch den Mietspiegel nach Merkur-Recherchen aber wohl nicht, zumindest nicht in absehbarer Zeit. Denn der Mietspiegel wurde auch deshalb erstellt, um ein rechtlich erforderliches „schlüssiges Konzept“ zu erstellen, welche städtischen Miet-Zuschüsse für bedürftige Mieter angemessen sind. Dabei kam heraus, dass die Angemessenheitsgrenze nach unten korrigiert wird (wir berichteten) – was darauf hindeutet, dass das ortsübliche Mietniveau in Zweibrücken bislang zu hoch geschätzt wurde. Und: Mit weitem Abstand größter Vermieter in Zweibrücken ist die Stadt-Tochter Gewobau. Dort liegt die durchschnittliche Netto-Kaltmiete zwar bei rund 4,50 Euro pro Quadratmeter, also etwas unterhalb des Zweibrücker Basis-Durchschnittswerts. Gewobau-Geschäftsführer Jörg Eschmann beruhigte aber am Donnerstag auf Merkur-Anfrage: „Wir planen aufgrund des Mietspiegels keine Erhöhungen. Es wird nur planmäßige Erhöhungen geben, die wir eh vorgehabt hatten.“ Dies betreffe Wohnungen, die modernisiert werden. Aber der Mietspiegel erleichtere der Gewobau die Arbeit – weil sie nicht mehr wie früher bei Erhöhungen zur Begründung drei Vergleichswohnungen aus ihrem Bestand heraussuchen müsse.
Qualifizierte Mietspiegel können laut § 558d BGB entweder „von der Gemeinde oder von Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter anerkannt werden“. Die zweite Variante scheiterte in Zweibrücken dran, dass zwar der hiesige Haus- und Grundbesitzerverein den Mietspiegel anerkennt – nicht aber der Mieterverein Westpfalz. Dieser findet, kleine Städte wie Zweibrücken bräuchten keine Mietspiegel, zudem sei die Datenbasis bei der Befragung zu klein. Mietspiegel-Macher Möller sagte dazu im Stadtrat, die (verwertbare) Antwortquote liege in Zweibrücken bei 6,3 Prozent, in Frankfurt bei 2,9 Prozent, in Berlin sogar nur 1,3 Prozent.
FDP-Fraktionschefin Ingrid Kaiser fragte, ob die Mietspiegel-Werte „eine Orientierung oder bindend“ sind: „Können Mieter etwas einklagen?“ Ja, antwortete Möller: Vermieter dürften bei Miet-Erhöhungen „den Spannen-Oberwert nicht überschreiten – das ist einklagbar“. Bei zu hohen Bestandsmieten empfehle er, unter Verweis auf den neuen Mietspiegel das Gespräch mit dem Vermieter zu suchen.
AfD-Fraktionschef Harald Benoit verwies darauf, dass infolge des prognostizierten Bevölkerungsrückgangs künftig mit mehr Wohnungsleerständen zu rechnen sei – und fragte deshalb, wie lange der Mietspiegel gelte. Nach vier Jahren müsse er komplett neu erstellt werden, nach zwei Jahren an den deutschen Lebenshaltungs-Preisindex angepasst werden, verwies Möller auf die gesetzliche Regelung. Ansonsten existiere der Mietspiegel zwar weiter – aber nur noch als einfacher, nicht mehr als „qualifizierter“ womit er nicht mehr als Maßstab einklagbar sei. Oberbürgermeister Marold Wosnitza (SPD) sagte, er könne sich gut eine Verlängerung vorstellen – vorher werde man aber den Nutzen des Mietspiegels natürlich überprüfen.