„Sprache lernen, Geduld haben“

Zweibrücken · Er flüchtete als Kind aus dem Libanon nach Deutschland und ist heute Hauptfeldwebel bei den Fallschirmjägern in Zweibrücken: Maher H. (seinen vollständigen Namen will er nicht nennen) half im Team der Bundeswehr als Sprachmittler in der saarländischen Landesaufnahmestelle in Lebach.

 Maher H. machte den Flüchtlingen Mut: „Wenn ihr hier in Deutschland was erreichen wollt, dann könnt ihr es auch.“ Foto: Rich Serra

Maher H. machte den Flüchtlingen Mut: „Wenn ihr hier in Deutschland was erreichen wollt, dann könnt ihr es auch.“ Foto: Rich Serra

Foto: Rich Serra

Schiit, Alawit, Sunnit? Maher H. schüttelt lächelnd den Kopf. Nein, das möchte er nicht preisgeben. "Einfach nur ein Muslim. Ich mache da keine Unterschiede." Aber ein praktizierender Muslim - ja, das ist er. Und ein Mann, der sich berufen fühlt, Deutschland zu verteidigen. Notfalls mit der Waffe. Deshalb ist er Soldat. Jetzt im neunten Dienstjahr - und inzwischen als Hauptfeldwebel bei den Fallschirmjägern in Zweibrücken . Wie er zu deutschen Auslandseinsätzen steht? Bis jetzt, sagt er, stand das für ihn noch nicht zur Debatte - aber ja, vorstellen kann er sich das. "Sonst wäre ich nicht hier." Trotzdem: Jeder Krieg könnte vermieden werden, meint er. Auch der in Syrien? "Ich persönlich denke, man hätte ihn frühzeitig verhindern können." Politisch ins Detail gehen möchte er indes nicht.

Ihm selbst - als gebürtigem Libanesen - ist der Krieg ebenfalls nicht fremd. Als er 1979 das Licht der Welt erblickte, befand sich sein Land in einer heißen Phase eines Bürgerkriegs, der 1975 mit schweren offenen Gefechten zwischen der christlich-maronitischen Falange-Miliz und der palästinensischen PLO begann. Ohne den Krieg im Libanon wäre er vermutlich nicht in Deutschland, wäre er nicht deutscher Soldat. Die Familie floh 1989 über Kuwait und Indien in die Bundesrepublik - der Vater schon eineinhalb Jahre früher. Maher war zehn Jahre alt, erinnert sich "an eine große Traurigkeit". Die Flüchtlingsbiografie verbindet ihn mit den Tausenden Menschen, die gegenwärtig aus dem Nachbarland des Libanon ihr nacktes Leben zu retten versuchen. Ein Grund, warum ihm viel daran lag, von September bis Dezember vergangenen Jahres im Team der Bundeswehr im saarländischen Aufnahmelager in Lebach bei der Betreuung syrischer Flüchtlinge zu helfen.

Auch wenn er zunächst für Irritationen sorgte bei denen, für die er als einer der Sprachmittler tätig war. In Bundeswehruniform, akzentfrei Deutsch und fließend Arabisch sprechend, fand er sich schnell in einer Doppelrolle wieder - als Autoritäts- und Bezugsperson zugleich. "Es gibt eben Dinge, die man mitbringt, die man so nicht erlernen kann", meint er. Interkulturelle Kompetenz zum Beispiel - die konnte er in Lebach einsetzen. Denn dort war er nicht nur als Sprachmittler gefordert, sondern stand als kultureller Berater und Vermittler Helfern wie Flüchtlingen beiseite, von der Registrierung bis zum Arztbesuch.

Viel menschliche Größe inmitten des Elends hat er auch erlebt. Deshalb vielleicht ist ihm das Lächeln nicht vergangen. Etwa wenn er von der tollen Zusammenarbeit mit dem für Lebach zuständigen Direktor des Landesverwaltungsamtes, Christof Hoffmann, schwärmt, einem "Mann mit echtem Rückgrat". Wobei auch etwas Stolz mitschwingt - auf das Vertrauen, das Hoffmann ihm entgegenbrachte, als er ihn mit der Aufgabe betraute, "für Aufklärung zu sorgen" - Aufklärung über die kulturellen Gepflogenheiten und Bedürfnisse der Schutzbedürftigen.

Eine positive Erfahrung, die sich an viele andere reiht, seit sich der frühere Kfz-Meister für die militärische Laufbahn entschieden hat. "Ich bin wirklich ein Musterbeispiel für die Gleichbehandlung von Leuten mit Migrationshintergrund bei der Bundeswehr ", sagt Maher. Was er auch all jenen in Lebach zu vermitteln versuchte, die überrascht waren, dass ein Migrant in der Bundeswehr reüssieren kann. "Wenn ihr hier in Deutschland etwas erreichen wollt", lautete Mahers Rat, "dann könnt ihr es auch. Voraussetzung ist, dass ihr die Sprache lernt und euch integriert. Aber auch Geduld zeigt."

Zugleich riet er den aus Syrien Geflüchteten, das heikle Thema Politik außen vor zu lassen. Wie auch das Thema Religion, das in ihrer Heimat zu all den Spaltungen und Konflikten geführt hat. "Lasst alles zurück, weswegen ihr geflohen seid", sagte er ihnen. "Diskutiert nicht darüber, ob ihr Sunniten, Schiiten oder Alawiten seid. Es gibt jetzt einen Neuanfang." Das sei eine seiner wichtigsten Botschaften gewesen. Was er ihnen aber auch zeigen wollte: "Wir hier in Deutschland wollen helfen, wir haben uns mit eurer Kultur auseinandergesetzt. Jetzt seid ihr am Zug."

Die Zeit in Lebach lässt ihn auch in der Zweibrücker Kaserne nicht los. Noch immer kümmert er sich um mehrere syrische Familien. Ein Schicksal hat ihn ganz besonders berührt. Es ist das eines Ehepaares, das mit seinen beiden Kindern aus Aleppo floh. Bei einem schweren Autounfall an der ungarischen Grenze kam der Mann ums Leben, seine Frau überlebte mit schwersten Knochenbrüchen. Nach der Versorgung in einem Krankenhaus kam sie irgendwann im Stützkorsett unter unsäglichen Schmerzen leidend zusammen mit ihren Kindern in Lebach an. "Sie konnte kaum sitzen oder liegen, auch nicht allein aufstehen", erinnert sich Maher. In der Landesaufnahmestelle sollte sie zunächst in einem der großen Zelte untergebracht werden. Ein Arzt bat den Hauptfeldwebel, doch dafür zu sorgen, dass sie als Härtefall und damit auch als reiseunfähig eingestuft würde. Es habe aber zu der Zeit kein freies Zimmer gegeben, erzählt Maher. Durch eine Hebamme sei es ihm schließlich gelungen, ein Zimmer für die Schwerverletzte zu organisieren, so der 36-Jährige. Das war gerade frei geworden, weil eine Schwangere zur Entbindung ins Krankenhaus gebracht werden musste. Auf diese Weise hatte die schwerverletzte Frau etwas Ruhe und konnte gepflegt werden.

Ob er wieder nach Lebach gehen würde? Keine Frage, wenn er gerufen würde. Nach einer Verletzung kann er aber gerade jetzt eines kaum noch abwarten: den ersten Sprung in die Freiheit der Lüfte seit langem.

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