Gesetzesinitiative gefordert SPD: Bund soll für Kriegsspätfolgen zahlen

Zweibrücken · Nicht Zweibrücken, sondern Deutschland habe den Zweiten Weltkrieg geführt. Wolfgang Ohler findet deshalb un(ge)recht, dass Zweibrücker es bezahlen, wenn Baustellen infolge von Bombenfunden teurer werden.

 So sah Zweibrücken nach der Bombardierung vom 14. März 1945 aus. Die sichtbaren Kriegsfolgen sind zwar längst beseitigt – doch unter den Straßen  liegen noch Kampfmittelreste, was Stadt und Bürger weiter viel Geld kostet.

So sah Zweibrücken nach der Bombardierung vom 14. März 1945 aus. Die sichtbaren Kriegsfolgen sind zwar längst beseitigt – doch unter den Straßen  liegen noch Kampfmittelreste, was Stadt und Bürger weiter viel Geld kostet.

Foto: Stadtarchiv

73 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs fordert die Zweibrücker SPD-Ratsfraktion ein neues Bundes-Gesetz, um die Kommunen von Folgekosten des Krieges zu entlasten. Der nämlich kommt Zweibrücken – eine der am intensivsten bombardierten Städte Deutschlands – immer noch teuer zu stehen.

Zwar zahlt für die direkte Bomben-Entschärfung und -Entsorgung das Land mit seinem Kampfmittelräumdienst. Doch auf den Folgekosten, etwa für eine teils deutlich verlängerte Baustellen-Zeit, müssen derzeit die Kommunen aufkommen, gemeinsam mit den Straßenausbaubeiträgen der Grundstückseigentümer. Aktuelles Beispiel in Zweibrücken ist die Tilsitstraße: Nach dem Fund zweier Brandbomben und weiterer Kampfmittel 2017 werden sich die Kosten wohl von einer auf 1,9 Millionen Euro fast verdoppeln (wir berichteten).

Wolfgang Ohler, SPD-Ratsmitglied und vor seiner Pensionierung Oberlandesgerichts-Vizepräsident, hatte schon im vergangenen Sommer deshalb in einem vertraulichen Gespräch Oberbürgermeister Kurt Pirmann (SPD) eine Gesetzesinitiative vorgeschlagen. Pirmann habe ihn daraufhin mit einer schriftlichen Ausarbeitung beauftragt, verriet Ohler am Mittwochabend im Stadtrat. Ohler argumentiert in dem Papier, bei „Zerstörungen durch Kriegshandlungen, die nicht in den Verantwortungsbereich der Kommunen und ihrer Bürger fallen“, wäre es „sozial gerecht und notwendig“, dass der Bund als Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches auch alle Kriegsfolgekosten übernehme. „Auf diese Weise könnten zunächst die kommunal aufzubringenden Kosten von Bauvorhaben gesenkt und dadurch mittelbar die Beitragslast für die Bürger gemindert werden, die zur Zeit durch (wiederkehrende) Beiträge auch indirekt einen Anteil an solchen Kriegsfolgespätlasten tragen.“

Schon die derzeitige Einstufung der Bombenbeseitigung als „Gefahrenabwehr“ und damit Einstufung in den Verantwortungsbereich der Länder statt des Bundes empfindet Ohler als rechtlich zweifelhaft und versuchte das im Rat mit einem Beispiel zu veranschaulichen: „Ein Hornissennest vor dem Haus ist etwas ganz anderes als eine Bombe.“ Das Hornissennest sei tatsächlich ein „allgemeines Lebensrisiko“, argumentierte Ohler, dagegen gingen Kriegsbombenfunde „zurück auf Handeln des Staates, auf eine ganz außergewöhnliche interkontinentale Katastrophe“.

Auf Initiativen des Bundesrats in den Jahren 2011, 2014 und im März 2018, den Bund stärker an der Beseitigung von Kriegslasten zu beteiligen, hat der Bundestag bislang nicht reagiert. Die Gesetzes-Forderung der Zweibrücker SPD ist allerdings noch weitreichender: Sie will die Kommunen entlasten, während es dem Bundesrat um die Entlastung der Länder geht. „Wir sollten so mutig sein und das in Gang setzen“, sagte Ohler. Finanzierbar sei der Mehraufwand für den Bund durch dessen hohes „derzeitiges Steueraufkommen“.

Bürgermeister Christian Gauf (CDU) hatte zwar aus formellen Zweifeln an der Befassungskompetenz des Stadtrats mit Bundesrecht den SPD-Antrag nicht auf die Tagesordnung gesetzt, sondern den Punkt „Information der Verwaltung“ genannt. Gauf ließ deshalb auch keine Diskussion zu, sondern kündigte an: „Wir sollten das Thema irgendwann mal in anderer Form aufgreifen.“ Dirk Schneider (SPD) regte an, die Stadtverwaltung solle „eine Kostenaufstellung machen, um weitere Argumente zu liefern“. Die Stadtverwaltung schreibt den Städtebund Rheinland-Pfalz und die drei regionalen Bundestagsabgeordneten an mit der Bitte, eine Gesetzesinitiative vorzubereiten.

„Wir können uns richtig ins Zeug legen und profilieren in dieser Sache“, hofft Ohler, dass von Zweibrücken eine Initiative ausgeht, von der viele Kommunen und Bürger in Deutschland profitieren werden – besonders in Gegenden wie Zweibrücken, die schon vom Zweiten Weltkrieg selbst besonders stark betroffen waren.

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