SPD-Basis uneins über Koalitionsvertrag

Zweibrücken · Anita Schäfer vertritt seit 1998 die Südwestpfalz in Berlin. Die CDU-Politikerin wurde am 22. September erneut direkt in den Bundestag gewählt. Merkur-Mitarbeiter Fritz Schäfer fragte die Abgeordnete zur Koalitionsvereinbarung.

Gestern Morgen haben sich CDU/CSU und SPD auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Doch ob es tatsächlich zu dem Bündnis kommt, liegt jetzt vor allen in den Händen der SPD-Mitglieder. Diese können bis zum 12. Dezember darüber entscheiden, ob ihre Partei mit der Union eine große Koalition eingeht.

Die Meinung bei den Zweibrücker Genossen ist dabei gespalten. Während Oberbürgermeister Kurt Pirmann sich erst einmal den ausgehandelten Vertrag genau anschauen möchte, wird Walter Rimbrecht ihn wahrscheinlich ablehnen, wie er im Gespräch mit dem Merkur erklärt. Seiner Auffassung nach sind zuviele Kompromisse darin enthalten. Als Beispiele nennt er die Pkw-Maut, das Betreuungsgeld oder den Mindestlohn, der in vielen Bereichen gar nicht greifen werde. Am meisten ärgert Rimbrecht, dass die CSU in einer möglichen Bundesregierung mit drei Ministern vertreten sein soll und auch sonst wenige Abstriche gemacht habe: "Ich frage mich, wo die das Recht dazu ableiten, wo sie doch nur regionale Interessen Bayerns vertreten." Bei dem Votum erlebe die SPD eine Gratwanderung, wobei sich die Mitglieder unter Druck gesetzt fühlten. Sie sollten aber nach den programmatischen Inhalten entscheiden - auch wenn es taktisch nicht so günstig sei. Neuwahlen fürchte er nicht: "Ich habe bei Wahlen nie eine Gefahr gesehen."

Marianne Sutter sieht das völlig anders: "Die Verantwortlichen haben eine gute Arbeit geleistet." Alle Beteiligten seien, wie auch bei einer Ehe üblich, Kompromisse eingegangen, mit denen sie sehr zufrieden sei. Für ihre Entscheidung sei allein das Ergebnis der Wahl entscheident: "Die Bürger haben doch die große Koalition gewählt." Sie hofft nun, dass die SPD-Basis auch für den Vertrag stimmt.

"Wir werden uns erst mal den Vertrag genau anschauen und nachdenken", stellt Willy Danner-Knoke klar. Der Vorsitzende der SPD in Oberauerbach berichtet, dass es in der Partei "erheblichen Diskussionsbedarf" gebe. Danner-Knoke sieht wichtige Punkte des Wahlprogramms in der Vereinbarung aufgeführt. Doch es müssten auch die Details unter die Lupe genommen werden. Für ihn selbst sei es wichtig, dass für die Bürger etwas erreicht werde. Das sei in der Opposition nicht möglich.

Ähnlich sieht das der Großbundenbacher Jochen Schael, der nach eigenen Angaben bis vor acht Tagen noch gegen eine große Koalition war. Er sei aber enttäuscht, dass viele Maßnahmen - darunter falle auch der Mindestlohn - auf die Jahre 2015 bis 2017 geschoben wurden. Probleme sieht Schael auch bei den Finanzen, da es keine Steuererhöhungen gebe und trotzdem die Ausgaben bezahlt werden müssten. Mit Blick auf die möglicherweise sehr kleine Opposition hofft er, dass dieser mehr Rechte eingeräumt werden.Frau Schäfer, die Spitzen von CDU/CSU und SPD haben sich nach einem Sitzungsmarathon auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Sind Sie erleichtert über das Zustandekommen?

Anita Schäfer: Es war schon eine schwere Geburt. Es waren die längsten Koalitionsverhandlungen, die ich je erlebt habe. Ich hoffe, dass es nun wie geplant zur Regierungsbildung kommt und wir endlich die Arbeit aufnehmen können.

Sind Sie nach der Lektüre des Vertrags zufrieden? Steckt genügend CDU in dem Werk?

Schäfer: Wichtige Punkte sind drin. Für mich vor allem die Erhöhung der Mütterrente für vor 1992 geborene Kinder und das Bekenntnis zur weiteren Verbesserung von Investitionen in Bildung sowie in überregional bedeutsame Verkehrsvorhaben. Dabei denke ich an die B 10 und die A 62. Besonders glücklich bin ich auch über die Fortsetzung der Bundeswehrreform und die ausdrückliche Unterstützung für die Arbeit der Jugendoffiziere. Dafür habe ich mich persönlich eingesetzt. Ganz entscheidend ist, dass die große Koalition sich zur Fortsetzung der bisherigen Haushaltskonsolidierung mit einem strukturell ausgeglichenen Bundeshaushalt im nächsten Jahr und keiner Nettoneuverschuldung ab 2015 bekennt. Es wird keine Steuererhöhung und auch weiterhin keine gemeinschaftliche Haftung für Schulden in der EU geben. Zugleich gibt es mehr Unterstützung für die Kommunen, etwa durch das Bundesteilhabegesetz zur Eingliederungshilfe für Behinderte. Kritisch sehe ich die Vereinbarung zum Mindestlohn. Auch die CDU hat sich immer für gerechten Lohn für gute Arbeit eingesetzt. Wir müssen aufpassen, dass uns starre Regelungen keine Arbeitsplätze kosten und das Wirtschaftswachstum ausbremsen. Die Festlegung auf 8,50 Euro ist schon ein Eingriff in die Tarifautonomie. Der Vertrag lässt aber einen zeitlichen Spielraum bis 2017 und die Möglichkeit für Ausnahmeregelungen zu.

Die SPD befragt ihre Mitglieder zu dem Koalitions-Vertrag. Mit welchem Ergebnis rechnen Sie persönlich?

Schäfer: Ein Fernsehkommentator hat gesagt: "Wenn an der SPD-Basis auch nur ein Funken Realitätssinn vorhanden ist, müsste sie zustimmen - aber ich bin mir da nicht so sicher." Es geht hier um nichts weniger als klarzustellen, ob die SPD sich auch bei künftigen Wahlen noch einmal um die Regierungsverantwortung bewerben kann, oder ob die SPD-Mitglieder ihre Partei lediglich noch als dauerhafte Oppositionspartei ansehen möchten. Ich hoffe, dass die Zustimmung kommt.

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