Siebenpfeiffer-Preis Eine Verbeugung vor den „stillen Helden“

Zweibrücken/Homburg · Am Sonntag sind in Zweibrücken osteuropäische Journalistinnen und Journalisten mit dem  Siebenpfeiffer-Preis ausgezeichnet worden.

 Ausgezeichnet (von linkd): Vseslava Soloviova, Katerina Sergatskova, Roman Stepanovych vom ukrainischen investigativen Nachrichtenmedium Zaborona (Hauptpreis), die russische Journalistin Marfa Smirnova (Sonderpreis), Jury-Vorsitzender und SR-Intendant Martin Grasmück, die belarussische Journalistin Ljubou Kaspjarowitsch (Sonderpreis), Stiftungsvorsitzender und Saarpfalz-Landrat Theophil Gallo und Laudator Udo Lielischkies.

Ausgezeichnet (von linkd): Vseslava Soloviova, Katerina Sergatskova, Roman Stepanovych vom ukrainischen investigativen Nachrichtenmedium Zaborona (Hauptpreis), die russische Journalistin Marfa Smirnova (Sonderpreis), Jury-Vorsitzender und SR-Intendant Martin Grasmück, die belarussische Journalistin Ljubou Kaspjarowitsch (Sonderpreis), Stiftungsvorsitzender und Saarpfalz-Landrat Theophil Gallo und Laudator Udo Lielischkies.

Foto: Rainer Ulm

Der mit 10 000 Euro dotierte Siebenpfeiffer-Preis ist in diesem Jahr an das ukrainische Investigativ-Nachrichtenmedium Zaborona gegangen. Es war am Sonntag in Zweibrücken durch dessen Gründungsmitglieder Katerina Sergatskova und Roman Stepanovych sowie die in Deutschland arbeitende Redakteurin Vseslava Soloviova vertreten. Zudem erhielten die russische Journalistin Marfa Smirnova und die belarussische Journalistin Ljubou Kaspjarowitsch den mit 4000 Euro dotierten Sonderpreis für ihr Engagement für die Meinungs- und Pressefreiheit. Das gab der Vorsitzende der Siebenpfeiffer-Stiftung und Saarpfalz-Landrat Theophil Gallo (SPD) gleich zu Beginn des Festaktes bekannt.

Die feierliche Preisübergabe fand zum ersten Mal nicht in Homburg, sondern in der Zweibrücker Festhalle statt. Eine gute Wahl, befand der Zweibrücker Oberbürgermeister Marold Wosnitza (SPD) in seinem Grußwort. Schließlich sei vor 190 Jahren ganz in der Nähe der seinerzeit bald verbotene „Deutsche Press- und Vaterlandsverein“ gegründet worden, mit dem Philipp Jakob Siebenpfeiffer 1832 einen ersten Schritt in Richtung Freiheit und Demokratie gewagt hatte. „Presse ist notwendig für eine funktionierende Demokratie“, sagte Wosnitza.

Jury-Vorsitzender und SR-Intendant Martin Grasmück würdigte das unerschrockene Wirken der Journalistinnen und Journalisten aus Osteuropa, „die ganz im Geiste von Philipp Jakob Siebenpfeiffer an die Freiheit der Menschen und die Freiheit des Wortes glauben“ – insbesondere „vor dem Hintergrund des menschenverachtenden russischen Angriffskrieges“. So setze sich das ukrainische Investigativ-Nachrichtenmedium Zaborona seit 2018 kritisch mit gesellschaftlichen Zusammenhängen in der Ukraine auseinander. Der Jury-Vorsitzende hob in seiner Begründung die „hohen journalistischen Standards“ und die „unabhängige Berichterstattung“ hervor – besonders zu Beginn des Krieges. Fast alle Mitarbeiter hätten aus der Hauptstadt Kiew und aus anderen Regionen in den Norden oder Westen des Landes fliehen müssen. Ein Teil der Redaktion habe sich in Lviv (Lemberg) zusammengefunden. Mit der Auszeichnung wolle die Jury aufzuzeigen, dass guter Journalismus Grenzen überwinden könne und maßgeblich dazu beitrage, demokratische Werte „auch in schwierigsten Zeiten“ mit dem Wort zu verteidigen, sagte Grasmück weiter.

Zaborona-Mitbegründer Stepanovych sagte später in seiner Dankesrede: Durch den plötzlichen russischen Überfall im Februar seien alle Mitglieder seines Nachrichtenmediums „quasi über Nacht zu Kriegsberichterstattern“ geworden.

Die russische Journalistin Smirnova hatte unter anderem für TV Doschd gearbeitet. In ihrer letzten Reportage für den Fernsehsender, der inzwischen vom russischen Staat geschlossen und verboten wurde, berichtete sie über den Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine und benannte die sogenannte „militärische Spezialoperation“ als das, was sie tatsächlich ist: einen Krieg. Smirnova ist schließlich mit ihren beiden Kindern nach Georgien geflüchtet, wo sie nach eigenen Angaben nun versucht, ein neues Leben aufzubauen.

Die belarussische Journalistin Kaspjarowitsch arbeitet jetzt in Deutschland im Exil, nachdem sie in ihrer Heimat wegen ihrer Recherchen über Regimegegner bedroht worden war und zwei Wochen im Gefängnis verbringen musste. Sie sagte in ihrer Dankesrede: „Die einzige Macht, die ich habe, ist, die Dinge beim Namen zu nennen. Die Wahrheit ist es wert, für sie zu kämpfen.“ Laudator Udo Lielischkies. Leiter des ARD-Studios Moskau, kennt die Gefahr nur zu gut, der kritische Journalistinnen und Journalisten in Russland ausgesetzt sind. Er erinnerte daran, dass einige Kollegen ihre Berichterstattung sogar mit ihrem Leben bezahlt haben. Russlands Präsident Wladimir Putin setze als ehemaliger Geheimdienstmann auf „Täuschung und Desinformation“, habe die verbliebenen Medien gleichgeschaltet und sein großes Land inzwischen in ein „einziges Imperium der Lüge verwandelt“. Deshalb stünde in Russland und in Belarus besonders der Lokaljournalismus „unter großem Druck“. Vor diesem Hintergrund bezeichnete Lielischkies die jetzt mit dem Siebenpfeiffer-Preis Ausgezeichneten als „stille Helden“, denen er die Ehrung „aus vollem Herzen“ gönne – auch wenn die jungen Kollegen „keine großen Schlagzeilen machen“. Der Fernsehjournalist wünschte ihnen „viel Kraft und einen langen Atem“.

Der Siebenpfeiffer-Preis (siehe auch Seite 15) wird seit 1987 in der Regel alle zwei Jahre verliehen. Mit ihm werden Journalistinnen und Journalisten geehrt, die durch Veröffentlichungen in Presse, Rundfunk und Fernsehen das demokratische Bewusstsein fördern und sich ohne Rücksicht auf finanzielle Vor- oder Nachteile für Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit einsetzen.

In diesem Jahr wurde der Siebenpfeiffer-Preis in der Zweibrücker Festhalle verliehen.

In diesem Jahr wurde der Siebenpfeiffer-Preis in der Zweibrücker Festhalle verliehen.

Foto: Rainer Ulm

Zuletzt wurde 2019 die Journalistin und Fernsehmoderatorin Anja Reschke ausgezeichnet.

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