„Sie küssten und sie schlugen sich“

zweibrücken · Plädoyers im Geiselnahmeprozess. Verteidiger sieht in Beziehung des Angeklagten zu seiner Ex Parallelen zu Hollywood

 Der Angeklagte zwischen seinen beiden Verteidigern Clemens Schug (links) und Walter Höh. Foto: Volker Baumann

Der Angeklagte zwischen seinen beiden Verteidigern Clemens Schug (links) und Walter Höh. Foto: Volker Baumann

Foto: Volker Baumann

Im Geiselnahme-Prozess gegen einen seit 12. August 2016 in Haft sitzenden 31-jährigen Zweibrücker wurden gestern die Plädoyers gehalten. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann vor, seine Ehefrau zwischen 2014 und 2016 mehrmals körperlich misshandelt und bedroht zu haben. Diese Vorfälle waren am Vorabend des letztjährigen Zweibrücker Stadtfestes in einer filmreifen Geiselnahme gemündet. Fünf Jahre und sechs Monate Haft forderte Staatsanwältin Elisabeth Schirmer in der Summe, während Verteidiger Clemens Schug auf ein Strafmaß von zwei Jahren und acht Monaten plädierte.

Noch einmal wurde zunächst durch Zeugenbefragungen der Werdegang der jungen Familie beleuchtet, deren Verhältnis nach der Geburt des gemeinsamen Kindes, immer mehr aus den Fugen geriet. Immer wieder kam es zu Streitigkeiten. Denen wollte der Angeklagte mit einer Therapie in einer psychologischen Beratungsstelle in Pirmasens ein Ende setzen. Die Psychologin bescheinigte ihm dabei Offenheit, Zugänglichkeit und Pünktlichkeit. Er habe die Emotionen gegenüber seiner Frau, die ihn oft provoziert hätte, in den Griff bekommen wollen. Nach einem Vierteljahr seien allerdings keine Termine mehr eingehalten worden und seine Frau selbst habe, allerdings erst nach der Trennung, die Eskalation gemeldet. Die Psychologin: "Eine Geiselnahme mit solch planvollem Vorgehen habe ich ihm nicht zugetraut, er handelte bei Planungen normalerweise immer ruhig und bedächtig." Eine wegen der Gefährdung des Kindeswohls eingeschaltete Sozialarbeiterin kam auf den Nenner, dass Opfer und Täter scheinbar lange selbst nicht wussten, wie sie mit ihrer Beziehung umgehen sollten. "Ein ständiges Hin und Her", so die Sozialpädagogin, der die 29-Jährige sogar einmal eingestand, bei der Polizei in punkto Gewalt gelogen zu haben. Auch sie habe ihren Mann schon geschlagen. Das "Hin und Her" in der Beziehung bestätigte auch ein guter Freund des Angeklagten, insbesondere wegen angeblich grundloser Eifersüchteleien der Ehefrau. Auch die Schwester der Geschädigten wurde auf Beweisantrag der Verteidiger zur Verdeutlichung der Gefahr für das Kindeswohl gehört. Sie hatte im Vorfeld dem Angeklagten, zu dem sie ein gutes Verhältnis hat, erzählt, dass ihr Stiefvater, also sein Schwiegervater, sie im Alter zwischen zwölf und vierzehn Jahren sexuell missbraucht habe und untermauerte dies mit einer eidesstattlichen Versicherung. Damit wollte sie ihn vor Gefahren für sein eigenes Kind warnen. Auch ihr leiblicher Vater habe sich, so die Frau, als sie im Schulalter war, an ihr vergangen. Die Staatsanwaltschaft will deshalb gegen beide Männer ein Verfahren einleiten. Genau diese Umstände und die Furcht um das Kindeswohl, sollen den Angeklagten zu seiner außergewöhnlichen Tat bewegt haben. Dies nahm ihm die Anklägerin jedoch nicht ab. Er habe keine Aussprache gesucht, sondern Druck ausüben wollen, sagte sie. Sie ging in ihrem Plädoyer auch nicht von einem minder schweren Fall der Geiselnahme aus. Schirmer: "Im Gegenteil, die Art der Tatbegehung mit planvoller Vorbereitung, die psychischen Folgen, die Tatsache, dass der Angeklagte zunächst im Ermittlungsstadium keine Reue gezeigt hatte, sogar leugnete und das Geständnis erst nach erdrückender Beweislast und Wegfall eines Alibis zu Stande kam, lassen nichts Milderndes erkennen."

"Wir haben hier keinen Banküberfall mit anschließender Entführung oder ähnlichem zu beurteilen, sondern eine Beziehungstat" befand Rechtsanwalt Clemens Schug in seinem Plädoyer. Ein nachvollziehbares Motiv sei der Schutz der Tochter vor Missbrauch gewesen. Außerdem sei der Angeklagte nicht mit äußerster Brutalität vorgegangen und habe sich später entschuldigt. "Mir kam das Ganze fast wie in der Beziehung zwischen Elizabeth Taylor und Richard Burton vor: Sie küssten und sie schlugen sich", so der Verteidiger.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort