Serie Starke Frauen in der Pfalz Namenlose Heldinnen des Alltags als Krönung der Ausstellung

Zweibrücken · Dass Frauen alles andere sind als schwach, davon künden die 16 Frauenschicksale, die in der Wander-Ausstellung „1000 Jahre Frauen in der Pfalz – vom Schatten ins Licht“ dargestellt werden. Angelehnt an die bis 16. Januar in Zweibrücken laufende Ausstellung stellt der Pfälzische Merkur in einer Serie vor, in welchen Bereichen Frauen wirkten und beleuchtet das eine oder andere Einzelschicksal.

 Die namenlosen Heldinnen des Alltags leben auch heute noch.

Die namenlosen Heldinnen des Alltags leben auch heute noch.

Foto: Cordula von Waldow

Der letzte Raum der Ausstellung „Starke Frauen“ im Stadtmuseum verwundert. Hier stehen lediglich fünf Figuren in unterschiedlicher Arbeitskleidung mit ihrer Rollenbezeichnung: die Marketenderin, die Trümmerfrau, die Bäuerin, die Arbeiterin, das Dienstmädchen. Kein Gesicht, kein Name, keine Geschichte.

Für Kuratorin Charlotte Glück sind sie jedoch die eigentlichen Heldinnen und das durch die Jahrhunderte hinweg. Die Leiterin des Stadtmuseums erinnert an die Grundidee der Ausstellung, starke Frauen aus ihrem Schattendasein ans Licht zu holen. In der Geschichtsschreibung wurden Frauen allgemein weitgehend ignoriert, nicht wahrgenommen und schon gar nicht wertgeschätzt. Die Recherche war extrem aufwändig, um zumindest 16 beispielhafte Lebensschicksale zu ermitteln. Die Historikerin sagt: „Das ist mir nicht genug! Das sind so wenige, die wir benennen können.“

Dabei sei es bis zum heutigen Tage so, dass Frauen weltweit den überwiegenden Teil der Last tragen und nicht nur die Familien, sondern auch die Gesellschaft am Leben erhalten. Diesen „namenlosen Heldinnen des Alltags“ ist der Raum gewidmet. In der Geschichte galten für die meisten Frau die 3K: Kinder, Kirche, Küche. Für die meisten war das Überleben ein Kampf, in dem der Haushalt – die Domäne der Frau – eine ganz existenzielle Rolle spielte. So mussten alle Lebensmittel selbst angebaut, geerntet, verarbeitet und haltbar gemacht werden, jedes Kleidungsstück inklusive des Stoffes selbst gefertigt, gereinigt, gepflegt und ausgebessert werden, ebenso wie Hauswäsche.

„90 Prozent der Lebenszeit wurde zur Existenzsicherung aufgewendet“, erinnert die Museumsleiterin daran, dass ja auch Holz zum Heizen und Kochen gesammelt werden musste. Sie weiß aus der eigenen Familie, die in der Landwirtschaft zusammen arbeitete, dass der Vater zweimal wöchentlich zu seiner Singstunde ging, während die Mutter die Abende für die Hausarbeit nutzte – ohne Freizeitausgleich oder gar Hobby.

Die Arbeiterfrauen der frühen Industrialisierung hatten in der Familie dieselben Belastungen wie der Mann im Bergwerk. Dieser allerdings erhielt am Ende der Woche eine Lohntüte. Das Geld allerdings wurde überbewertet, deckte es doch lediglich einen Teil des Lebensunterhaltes. Die Arbeit in Landwirtschaft und Haushalt für die Frau hingegen vermehrte sich ohne jegliche männliche Hilfe. „Kein Geld, keine Würdigung, keine Anerkennung“, zählt Charlotte Glück auf. Finanziell war die Frau vollständig abhängig und alles, was man für Geld kaufen konnte, wurde plötzlich vielfach höher geschätzt als das selbst Erarbeitete.

Ähnlich erging es den Marketenderinnen, die mit der ganzen Familie ihre Männer in den (30-jährigen) Krieg begleiteten und unter Gefahren neben ihren Kindern die Soldaten versorgten. Ihnen hat Bertold Brecht in seiner „Mutter Courage“ ein Denkmal gesetzt. Überall, auch in Zweibrücken, waren es die Trümmerfrauen, welche die Stadt nach der Bombardierung aufräumten, während die Männer tot, in der Gefangenschaft, kriegsversehrt oder traumatisiert waren. Charlotte Glück sinniert: „Bei den vielen Seuchen, Kriegen und dem Existenzkampf ist es ein Wunder, dass die Menschheit noch existiert und das ist letztendlich den Frauen zu verdanken.“

Für sie sind daher die namenlosen Frauen an vorderster Front des Alltagskampfes die Krönung in der Ausstellung. Was sie besonders freut: Wenn die Besucher dadurch Denkanstöße erhalten. Wie die Schülerin, die zu Hause den ganzen Nachmittag davon berichtete und beschloss, unbedingt mit ihrer Großmutter wieder zu kommen. Eine Reaktion, welche die Museumsleiterin glücklich stimmt. Denn das ist letztlich das Ziel der Ausstellung: Denkanstöße geben, Klischees und gängige Meinungen aufbrechen, damit sich die Menschen eine eigene Meinung bilden können.

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