Portrait Schnellen Schrittes an die Amtsspitze

Zweibrücken · Der 35-jährige Tim Edinger leitet seit Jahresbeginn das Zweibrücker Amt für soziale Leistungen. Er muss bisweilen als Streitschlichter ran und hätte gerne mehr Personal – auch wegen anstehender Mehrbelastung seiner Mannschaft.

 Tim Edinger leitet das Zweibrücker Sozialamt seit Jahresbeginn.

Tim Edinger leitet das Zweibrücker Sozialamt seit Jahresbeginn.

Foto: Eric Kolling

Sein Fitnessziel von 10 000 Schritten pro Tag erreicht er nicht immer. Doch in Sachen Karriere ist Tim Edinger mit flotten Schritten unterwegs: Mit 35 Jahren hat der gebürtige Homburger es zum Chef des Zweibrücker Sozialamts gebracht. Und das als Saarländer ohne Parteibuch – worüber er im Gespräch in seinem Büro selbst schmunzeln muss. Zunächst schloss er die Fachhochschule Mayen als Diplom-Verwaltungswirt ab. Dann fing er beim Zweibrücker Sozialamt 2006 als Sachbearbeiter Grundsicherung und Hilfe zum Lebensunterhalt unter dem früheren Amtsleiter Kurt Stock an. „Das ist das Pendant zu dem, was das Jobcenter macht, für die Leute, die länger als sechs Monate arbeitsunfähig sind oder aus Alters- oder Krankheitsgründen nicht mehr vermittelbar sind“, erklärt der 35-Jährige. Seit Mai 2016 war Edinger Sachgebietsleiter für alle Leistungen nach dem SGB XII, seit diesem Januar ist er nun neuer Amtschef. „Das ging alles recht schnell“, resümiert er. Man brauche nach einem Wechsel immer eine gewisse Einarbeitungszeit. Auf der letzten Position etwa anderthalb Jahre.

„Dann ergab sich die Chance, Amtsleiter zu werden. Ich habe lange überlegt, ob das der richtige Schritt ist, so schnell in einen neuen Bereich zu gehen. Aber ich habe es bisher nicht bereut und freue mich über das Vertrauen“, so der Chef von 36 Mitarbeitern.

Was macht den Beruf für Edinger so spannend? „Man hat täglich mit Menschen zu tun, mit ihren Ängsten und existenziellen Nöten“. Man helfe beim Rentenantrag oder dabei, Erstattungen über die Krankenkasse zu beantragen und sei selbst die letzte Anlaufstelle für Leistungen, die zum Leben nötig sind. Dabei entscheide man im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten. Sprich: Auch wenn ein Betroffener bei mehreren Sachbearbeitern vorstellig wird, soll er immer die identische Leistung erhalten. Und nicht der eine Amtsmann ein Auge zudrücken, sein Kollege indes hartherzig bleiben. „Einen Ermessensspielraum gibt es nur in Ausnahmefällen“, so Edinger.

Seit er das Sozialamt leite, versucht er so wenig wie möglich am Schreibtisch zu sitzen, dafür mit dem Sozialdienst rauszufahren und mit Bürgern etwa zum Thema Eingliederungshilfe zu sprechen. Dazu komme jetzt, dass er bei Konflikten unter Mitarbeitern oder mit Bürgern erläuternd eingreife. „Vereinzelt“ habe auch das Ordnungsamt oder die Polizei schon dafür sorgen müssen, dass erboste Bürger wieder abkühlten. „Das passiert gerade im Jobcenter öfter und hängt auch mit dem teils alkoholisierten Klientel und der Organisationsstruktur zusammen“, analysiert der Amtschef. So sei es dort schwieriger, kurzfristig einen Termin mit dem zuständigen Sachbearbeiter zu erhalten. „Bei uns geht das jederzeit. So entsteht mehr Verständnis.“ Viele Leute seien frustriert, weil sie ein Leben lang gearbeitet und jetzt eine gewisse Scham hätten, zum Sozialamt gehen zu müssen, erzählt er weiter. Man müsse ihnen ihren Anspruch verdeutlichen: „Sie brauchen sich keine Vorwürfe zu machen.“

Gerade das Problem zunehmender Altersarmut ist im Zweibrücker Sozialamt indes nicht neu. „Wir erleben bei der Grundsicherung eine sukzessive Steigerung der Fallzahlen um etwa zehn Prozent pro Jahr“, schildert Edinger. Vor allem betroffen seien alleinstehende Frauen, die wenig in die Rentenkasse einbezahlt haben, weil ihr Mann berufstätig war und sie sich um die Kinder gekümmert haben. Oder solche, die nach einer Trennung und Scheidung auf Geld angewiesen seien, weil auch die Unterhaltszahlungen des Ex-Partners im Rentenalter nicht ausreichen. Edinger moniert, dass diese dann auch noch ihre Rücklagen aufbrauchen müssten, bevor sie bestimmte Bezüge überhaupt erhielten: „Das ist leider politisch so gesteuert.“

Dass sich seine Angestellten weiterbildeten, ist für Edinger ein wichtiger Aspekt: „Gerade im Sozialamt ändert sich ja regelmäßig etwas“. Etwa in Sachen Gesetzgebung. Vor allem die Eingliederungshilfe sei großes Thema, hier beginne „eine neue Ära“. Stichwort: Bundes-Teilhabe-Gesetz, das Menschen mit Behinderung mehr Selbstbestimmung ermöglichen soll. Teile seien Anfang 2017 in Kraft getreten, weitere Anfang 2018, der nächste große Schritt folge 2020. Problematisch ist die Finanzierung. Das Land als Träger von etwa 80 Prozent der Leistung wolle nur die Hälfte der Kosten an die Kommunen überwiesen. Die indes erbrächten 100 Prozent der Leistungen. Sowohl diesen Fehlbetrag als auch die Kosten für das Verwaltungspersonal zahlt die Stadt. Und das müsse mittelfristig ohnehin erweitert werden.

Die Situation, ein dauerhaftes Minus einzufahren, wäre in der freien Wirtschaft schnell ein Kündigungsgrund. Für Edinger, als Chef des städtischen Amtes, das jedes Jahr das große Minus in die Kasse reißt, aber nicht. Denn er kann nichts dafür. „Übergeordnete Stellen beschließen Aufgaben und wälzen diese auf die Kommunen ab. Wenn wir das Geld erstattet bekämen, das wir wegen Länder- und Bundesgesetzen ausgeben müssen, hätten wir kein Defizit“, fasst er das Dilemma zusammen. 30 Millionen Euro sind im Haushalt für das Sozialamt eingestellt, davon zehn für die Eingliederungshilfe. Nur rund 15 werden vom Bund oder dem Land ersetzt. Es bleibt nur der Versuch „das Defizit so gering wie möglich zu halten“. Keineswegs solle ein Denken entstehen, berechtigte Leistungen von Bürgern zu kürzen.

Bürger, die sich über Sozialleistungen informieren wollen, können sich beim Sozialamt beraten lassen. Für das Thema Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sind dabei Stefan Eckerle, Zimmer 171, Telefon (0 63 32) 87 15 24, Ramona Sartor, Zimmer 172, Telefon (0 63 32) 87 15 39 und Philip Wiese, Zimmer 162, Telefon (0 63 32) 87 15 07 zuständig.

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