Schon wieder ein Schildbürgerstreich in Zweibrücken? Stadt hat Überflieger jetzt als Autobahn ausgeschildert – bis zum Stop-Schild

Zweibrücken · Damit gilt dort jetzt nicht mehr Tempo 50, sondern gar kein Tempolimit mehr. Das bedeute aber nicht, dass man dort tatsächlich so schnell fahren dürfe wie man will, betonen Polizei und Autobahnamt.

 Seit Ende Oktober beginnt die Autobahn bereits auf dem Überflieger. Bei Passieren des Schildes ist noch nicht sichtbar, dass zirka 170 Meter weiter eine gefährliche Einmündung mit Stop-Schild folgt.

Seit Ende Oktober beginnt die Autobahn bereits auf dem Überflieger. Bei Passieren des Schildes ist noch nicht sichtbar, dass zirka 170 Meter weiter eine gefährliche Einmündung mit Stop-Schild folgt.

Foto: Lutz Fröhlich

An einen Schildbürgerstreich denken viele Zweibrücker schon länger, wenn sie an den Überflieger denken. Denn eigentlich sollte diese Rampe eine schnellere Fahrt von der Innenstadt auf die A 8 ermöglichen. Doch kurz nach der Verkehrsfreigabe im April 2019 fiel auf: Der Bau der eigentlich mal geplanten Einfädelspur (vom Überflieger auf den vom Kreisel kommenden Zubringer-Ast zur Autobahn) war vergessen worden! Irgendwann in dem jahrzehntelangen Planungsprozess sei die Einfädelspur irgendwo „verschütt’ gegangen“, erklärte die Stadt diese Panne (der Bau, mit Hangaufschüttung, ist für Frühjahr 2021 geplant). Weil vom Überflieger nur sehr schwer einsehbar ist, ob hinten vom Zubringer Fahrzeuge kommen, entschärfte die Stadt den drohenden Unfallschwerpunkt im Sommer 2019 provisorisch mit zwei Stop-Schildern und davor Hinweisschildern auf diese Stop-Schilder.

Mittlerweile ist der Schilderwald noch weiter gewachsen.

Zunächst wurde Ende September ein riesiges „Fahrradfahren verboten“-Schild vor die Einfahrt zum Überflieger gemalt. Was zwar doppelt genäht war, weil am Überflieger schon lange entsprechende Schilder stehen – aber ausnahmsweise niemand an einen Schildbürgerstreich denken ließ: Schließlich ist es sehr sinnvoll zu verhindern, dass Fahrradfahrer versehentlich auf der Autobahn landen.

Doch seit dem 27. Oktober trauen viele Kfz-Fahrer ihren Augen nicht: Wenige Meter nach der Überflieger-Einfahrt steht nun noch ein Autobahn-Schild! Wer nun das Gaspedal durchdrückt, weil ja auf Autobahnen bekanntlich kein Tempolimit (Richtgeschwindigkeit 130) gilt, erlebt wenig später aber eine dicke Überraschung – denn dass zirka 170 Meter nach Beginn der Autobahn ein Stop-Schild mit einer gefährlichen Einmündung folgt, ist ein völlig ungewohntes Erlebnis. Direkt nach dieser Einmündung folgt erneut ein Autobahn-Schild. Womit der Überflieger eines der kürzesten, vermutlich sogar das kürzeste Autobahnteilstück Deutschlands ist.

Ein neuer Schildbürgerstreich? Das dürften wohl viele Fahrer so empfinden. Aber, immerhin: Diesmal ist nichts „verschütt’ gegangen“, ergaben Merkur-Recherchen. Diesmal haben die Behörden streng nach Plan gearbeitet. Was sie allerdings diesmal vielleicht besser nicht getan hätten. Denn als der Beschilderungsplan erstellt wurde (der das Autobahnschild vorsah), standen am Ende des Überfliegers noch kein Stop-Schilder, sondern nur „Vorfahrt achten“.

Beim Thema Überflieger sind mehrere Behörden involviert. Zunächst galt deshalb bei der Recherche zu klären: Wer hat das Schild überhaupt aufgestellt? Die Stadt? Das Autobahnamt, oder eine andere Abteilung des LBM (Landesbetrieb Mobilität?

Als Erstes erreichte unser Reporter den Leiter des Autobahnamts in Montabaur. Ulrich Neuroth erklärte, er habe letztes Jahr zwar aus Sicherheitsgründen verlangt, dass eine ordentliche Einfädelspur gebaut wird (die Stadt hat dies von diesem Herbst aufs Frühjahr 2021 verschoben) – das Autobahnamt habe aber nichts mit den Beschilderungen zu tun. Nur bei kommunalen Straßen sei hierfür die Stadt zuständig, bei als Autobahn gewidmeten Straßen eine andere LBM-Abteilung. Im Dezember 2019 hatten Stadt und LBM offiziell Einigkeit erzielt (wir berichteten), dass der Überflieger als zur A 8 zugehörig gewidmet wird – was auch die Baukosten-Übernahme durch den Bund bedeutet. Wenn nun ein Autobahn-Schild stehe, sei dies also wohl durch den LBM geschehen, vermutete Neuroth und verwies auf die LBM-Pressestelle.

LBM-Sprecherin Birgit Küppers antwortete: „Die Beschilderung wurde von der Stadt Zweibrücken angeordnet und aufgestellt. Der Überflieger war zum Zeitpunkt der Anordnung nicht als Autobahn gewidmet, daher die Zuständigkeit bei der Stadt.“ Die Widmung sei noch nicht geschehen, da die erforderliche Zustimmung des Bundes erst seit 5. November vorliege. Nun könne die Widmung „in Kürze erfolgen“. Die Widmung ist für die klamme Stadtkasse sehr wichtig – denn Autobahn-Baukosten zahlt der Bund, der Stadt bleiben nur die Planungskosten. Insgesamt wird der Überflieger mit Einfädelspur über zwei Millionen Euro kosten.

Anderthalb Tage nach dem LBM antwortete auch die Stadt auf die Merkur-Anfrage – und schaffte noch mehr Klarheit. Der kommissarische Stadtsprecher Thilo Huble teilte mit: „Es gibt eine verkehrsrechtliche Anordnung der Stadt Zweibrücken vom 23.5.2019. Dort ist als Anlage auch ein Beschilderungsplan beigefügt, der alle notwendigen Schilder sowie Markierungen darstellt.“ Diese „verkehrsrechtliche Anordnung“ sei nun „umgesetzt“ worden. Das Autobahn-Schild habe man wegen Lieferengpässen erst nach der Fahrradverbots-Markierung installiert.

Dass die „Vorfahrt achten“- durch Stop-Schilder ersetzt werden sollen, hatte die Stadt erst Mitte Juni 2019 mitgeteilt, zeigt ein Blick ins Merkur-Archiv.

Wenn man das Autobahn-Schild passiert, kann man noch nicht sehen, dass hinter der leicht linkskurvigen Kuppe die Autobahn nochmal mit einem Stop-Schild unterbrochen wird. Muss deshalb jetzt auch noch ein Tempolimit-Schild kurz hinter dem Autobahn-Schild aufgestellt werden, um gefährliche Situationen zu verhindern zu versuchen? Auch hierzu hat der Merkur mehrere Anfragen gestellt.

Die Stadtverwaltung antwortete, dieses Autobahn-Teilstück sei so kurz, dass eine Tempobegrenzung „nicht erforderlich“ sei. Dies sei sei „mit dem LBM seinerzeit einvernehmlich abgestimmt“ worden.

LBM-Sprecherin Küppers bestätigte dies. Und erläuterte, warum das Autobahn-Schild „aus Verkehrssicherheitsgründen“ sinnvoll sei: „Am Beginn des Überfliegers muss verhindert werden, dass dort Fahrzeuge auffahren, welche die Bundesautobahn nicht benutzen dürfen, denn unmittelbar nach dem Überflieger beginnt die Autobahn. Alternativ hätte man dort für jede betroffene Verkehrsart ein eigenes Verbotsschild aufstellen können, was aber wohl kaum verständlich oder nachvollziehbar für den Verkehrsteilnehmer wäre.“

Auch Autobahnamtsleiter Neuroth hält deshalb kein Geschwindigkeitsbegrenzungs-Schild für erforderlich. Zumal Fahrer ja auch ohne Schild die Grundregeln in Paragraph 1 der Straßenverkehrs-Ordnung beachten müssten: „(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht. (2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.“

Matthias Mahl, Leiter der Polizeiinspektion Zweibrücken, schrieb: „Ich halte es nicht für erforderlich, ein Tempolimit hinter dem Autobahnschild zu verhängen, denn die Verkehrsteilnehmer müssen ihr Fahrverhalten immer den örtlichen Gegebenheiten anpassen.“ Diese erläuterte der Polizeichef so: „Das vor kurzem am Überflieger angebrachte Zeichen 330-1 (Autobahn) ist ein Richtzeichen, welches besagt, dass ab seinem Aufstellungsort die Regeln für den Verkehr auf Autobahnen gelten. Aber nur auf den ersten Blick heißt das, dass ab diesem Schild jeder so schnell fahren kann, wie er möchte: Man muss als Autofahrer die Gesamtsituation bewerten: Der Überflieger ist eine einspurige Zuleitung des Verkehrs auf die Autobahn (bzw. auf die bisherige Autobahnauffahrt), das heißt der Autofahrer wird ihn nicht mit einer Autobahn mit mehreren markierten Fahrstreifen verwechseln. Man sieht bei seiner Benutzung frühzeitig die Linkskurve, die er vor dem Zusammentreffen mit der ursprünglichen Autobahnauffahrt macht und es wird durch zwei Verkehrszeichen 205 – jeweils mit Zusatzschild STOP in 100 m) rechtzeitig auf die Kreuzungssituation mit der alten Auffahrt aufmerksam gemacht.“

Nicole Bäumchen, stellvertretende Vorsitzende des Fahrlehrerverbands Pfalz (Fahrschule Hahn & Fochs, Zweibrücken) dagegen befürchtet, das Autobahn-Schild könne ortsunkundige Autofahrer zum Schnellfahren verführen. Denn mit einem Stop-Schild auf einer Autobahn rechne wohl kaum jemand. Die Zweibrücker Autofahrer hätten sich zwar an die gefährliche Einmündung gewöhnt, so Bäumchens Einschätzung. „Aber ich finde den ganzen Überflieger nicht gut.“ Denn sie beobachte, dass viele Autofahrer den Überflieger gar nicht nutzen, sondern weiter über den Kreisel auf die Autobahn fahren – das gehe oft sogar schneller.

 Aus dieser Perspektive ist der gesamte Überflieger zu erkennen, sowohl mit dem blauen Autobahn-Schild (rechts) am Anfang als auch den roten Stop-Schildern (links) am Ende des Überfliegers.

Aus dieser Perspektive ist der gesamte Überflieger zu erkennen, sowohl mit dem blauen Autobahn-Schild (rechts) am Anfang als auch den roten Stop-Schildern (links) am Ende des Überfliegers.

Foto: Lutz Fröhlich

Spötter sehen jetzt nur noch eine Möglichkeit, wie man die Schilder-Aufstell-Serie noch fortsetzen könnte: mit einem gelben Ortsausgangsschild
„Schilda-Stadt Zweibrücken“.

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