Jahresrückblick 2020 (Teil 4): Was sonst noch geschah in Zweibrücken Ein ungewöhnlich ereignisreiches Jahr

Corona, Bau- und Klimaschutzpolitik, Wirtschaft: Nicht nur die Themen unserer ersten Jahresrückblick-Folgen 1-3 waren 2020 in Zweibrücken wichtig. Deshalb hier ein Überblick über weitere Top-Themen des Jahres.

 Mit zahlreichen Grablichtern, Blumen und Fotos gedenken Mitmenschen in der Marienstraße eines 40-Jährigen, der am 16. August durch einen Fleischermesser-Stich ins Herz getötet worden war. Der angeklagte Tatverdächtige war mehrere Jahre in der Zweibrücker Neonazi-Szene aktiv.

Mit zahlreichen Grablichtern, Blumen und Fotos gedenken Mitmenschen in der Marienstraße eines 40-Jährigen, der am 16. August durch einen Fleischermesser-Stich ins Herz getötet worden war. Der angeklagte Tatverdächtige war mehrere Jahre in der Zweibrücker Neonazi-Szene aktiv.

Foto: Mathias Schneck

JANUAR:

Zahlreiche Vandalen plagten 2020 Zweibrücken. Los geht’s schon an Neujahr, als mehrere Feuerwerkskörper in einem Hohlraum eines Stamms einer Platane an der Schwarzbach-Alle brennen – der Baum muss danach gefällt werden.

Christina Rauch tritt (als erste Frau jemals im Zweibrücker Stadtvorstand) ihr Amt als Beigeordnete an.

Das protestantische Dekanat Zweibrücken kündigt an, bis 2025 drei Pfarrstellen einzusparen – und „Werkstatt-Gespräch“ mit Gläubigen, um zu besprechen, wie auf den Sparkurs und auch auf veränderte Lebenswelten reagiert werden kann.

FEBRUAR:

2020 ist auch ein Jahr aktiven Bürger-Engagements: Nicht nur dank Corona-Helfern und Bürgerinitiativen (siehe Rückblick-Folgen 1 und 3), sondern zum Beispiel auch durch die neue Foodsharing-Initiative.

MÄRZ:

Prozessauftakt am Oberlandesgericht Koblenz: Erstmals sind zwei mutmaßliche syrische Geheimdienstler wegen Verbrechen in Folter-Gefängnissen angeklagt, einer der beiden lebte bis zu seiner Festnahme in Zweibrücken.

Nachdem die SPD Dirk Schneider ausgeschlossen hat, weil er „sich rücksichtslos zur Durchsetzung persönlicher Interessen über die Belange der Partei hinweggesetzt habe“, wächst sein Gewicht im Stadtrat: Denn dank Fraktionsgründung „Bürgernah“ mit Atilla Eren wird Schneider zum Fraktionschef, zieht infolgedessen in den Ältestenrat ein und hält viel mehr lange Reden im Stadtrat.

Die Staatsanwaltschaft Zweibrücken stellt – nachdem intensive internationale Ermittlungen und Fahndungsaufrufe über Fernsehen und Social Media nicht zu dem Unfallflüchtigen führten – die Ermittlungen nach dem Autofahrer ein, der am 1. Juli 2018 auf der A 8 bei Ernstweiler (wohl mit einem hellen Mercedes) einen 13-jährigen Motorrad-Sozius totgerast hatte und dessen fahrenden Stiefvater schwer verletzt. Im Oktober berichtet „Aktenzeichen XY... ungelöst“ zum zweiten Mal über den Fall – die danach eingehenden über 200 Hinweise werden noch von der Polizei geprüft.

APRIL:

Die Poller, die verhindern sollen, dass Autofahrer von der Rosengarten auf den Hallplatz (Beginn der Fußgängerzone) fahren können, sind in Betrieb. Ein Merkur-Test zeigt später aber: Wer unbedingt will, kommt seitlich mit dem Auto problemlos an den Pollern vorbei.

MAI:

Im September werde der neue Kreisel, der die Kreuzung zwischen Ixheim, Mittelbach und Rimschweiler ersetzt, fertig, kündigt der LBM an. Tatsächlich wird der Kreisel erst 2021 fertig. Immerhin ist er seit November größtenteils befahrbar, die Dauer-Baustelle seit April 2019 deshalb für die Verkehrsteilnehmer deutlich entschärft.

JUNI:

Das Amtsgericht Zweibrücken verurteilt einen 49-Jährigen wegen fahrlässiger Tötung und illegalen Waffenbesitzes zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren. Er hatte seine Ex-Lebensgefährtin bei einem Zechgelage in seiner Wohnung am Mannlichplatz mit einem Schuss in die Brust getötet und eingeräumt, am nächsten Morgen ihr die Pistole in die kalte rechte Hand gelegt zu haben. „Es gab keine Grund, es gab kein Motiv, es gab keinen Streit. Es wurde nur sehr viel getrunken – ein höheres Maß an Fahrlässigkeit ist kaum denkbar“, erklärt der Richter, warum der Täter auf freiem Fuß bleiben darf. Zudem habe auch die getötete Frau angesichts der längere Zeit auf dem Tisch liegenden Pistole „ein gewisses Maß an Fahrlässigkeit an den Tag gelegt“, denn: „Sie hätte den Raum verlassen und so der Tat entgehen können.“ Nachdem im Dezember ein Revisionsantrag zurückgezogen wird, ist das Urteil rechtskräftig.

JULI:

Der Zweibrücker Künstler Gerhard Kaiser hat einen Vorschlag für ein „Denkmal der Freiheit“ entworfen, um den herausragenden Beitrag Zweibrückens zur deutschen Demokratiegeschichte prominenter zu würdigen. Ein solches Denkmal war zuvor durch einen Kommentar im Pfälzischen Merkur angeregt worden: Lokalreporter Lutz Fröhlich schlug vor, das Bismarck-Denkmal auf dem Herzogplatz durch ein Denkmal mit Zweibrücken-Bezug zu ersetzen – während Kaiser es mit Bismarck kontrastieren will. Der Stadtvorstand lobt Kaisers Modell. Und im Dezember beschließt der Kulturausschuss, dass 2021 ein Arbeitskreis ergebnisoffen Vorschläge zur Realisierung eines Freiheitsdenkmals erarbeiten soll.

DRK-Mitarbeiter sehen aus dem Fenster einen Auto-Aufbrecher, verfolgen ihn, kesseln ihn in einer Hecke ein, wo er sich zu verstecken versucht, und übergeben ihn der Polizei – die bei ihm einiges weitere Diebesgut findet. Am Abend des gleichen Tages kann die Polizei dank aufmerksamer Mitarbeiter eines Logistik-Unternehmens in der Pariser Straße einen Einbrecher erwischen – und wenige Tage Anfang August dank Zeugen einen Auto-Aufbrecher und Geldbörsen-Dieb in der 22er-Straße. Leider bleibt es trotz dieser Ballung auch 2020 die Ausnahme, dass Diebe auf frischer Tat überführt werden.

AUGUST:

Ein langjähriges Mitglied des Nationalen Widerstands Zweibrücken tötet mit der 20 Zentimeter langen Klinge seines Fleischermessers durch einen Stich in den Herzbeutel einen 40-jährigen Nachbarn. Dieser hatte zuvor die Wohnungstür eingetreten, nachdem der 34-Jährige (nun des Totschlags Angeklagte) zum wiederholten Mal einen lautstarken Streit mit seiner Mutter gehabt hatte und gemeinsame Beruhigungsversuche mit weiteren Nachbarn gescheitert waren. Das Opfer hat zwar französischen Migrationshintergrund, die Staatsanwaltschaft sieht aber keine Anhaltspunkte, dass fremdenfeindliche Motive eine Rolle gespielt haben könnten. Der Täter räumt den Stich ein, er habe aber in Verteidigungsabsicht gehandelt. Der getötete Sacha L. war als Musiker und als Helfer der Motorradstaffel der DRK-Bereitschaft Contwig bekannt und beliebt. 70 Motorradfahrer begleiteten die Trauerfahrt. Unter anderem mithilfe eines Benefizkonzertes (unter Corona-Bedingungen) wurden 20 000 Euro für die beiden Kinder des Getöteten gesammelt.

SEPTEMBER:

Krach in der AfD-Fraktion: Die Zweibrücker Ratsfraktion schließt ihren wortmächtigsten Vertreter aus, ihr Zugpferd Walter Buchholz. Begründung: Er sei zu aggressiv und arbeite nicht mit der Stadt, sondern gegen die Stadt. Buchholz trat daraufhin aus der Partei aus. Anders als Dirk Schneider gibt der 76-Jährige Ex-Unternehmer auch sein Ratsmandat zurück.

Bei der wegen des Todes von Amtsinhaber Andreas Hüther (CDU) erforderlichen Ortsvorsteher-Wahl in Oberauerbach gewinnt überraschend die politisch zuvor noch wenig in Erscheinung getretene Katja Krug-Abdesssalem gegen den langjährigen stellvertretenden Ortsvorsteher Willy Danner-Knoke (SPD), obwohl der mit 8,2 Prozentpunkten Vorsprung in die Stichwahl gegangen war und bei einem Wahlkampfauftritt auch von dem im ersten Wahlgang ausgeschiedenen Jörg Wagner (parteilos) unterstützt wurde.

OKTOBER:

Beim größten Stromausfall seit vielen Jahren haben weite Teile Zweibrückens (vor allem Innenstadt, Niederauerbach und Oberauerbach) teils stundenlang keinen Strom, selbst viele Mobiltelefone funktionieren nicht mehr. Ursache war ein Kurzschluss in einer Trafostation, der eine Kettenreaktion auslöst. Obwohl die Stadtwerke mit Hochdruck arbeiten und die Versorgung teils schnell wieder herstellen können, dauert es rund 15 Stunden, bis auch die letzten Haushalte wieder Strom haben.

Ein Zweibrücker Ordnungsamtsmitarbeiter ist der Volksverhetzung angeklagt, die er auf seinem privaten Facebook-Profil begangen habe. Der Merkur findet noch weitere Social-Media-Beiträge, die an der Verfassungstreue des Ordnungshüters zweifeln lassen. Die Stadt schweigt dazu und auch ob es sich um einen Einzelfall handelt – unter Verweis auf Datenschutz und das laufende Verfahren. In einer Diskussion über diesen Fall auf Facebook droht ein anderer Zweibrücker Ordnungsamtsmitarbeiter einem scharfzüngigem Kritiker: „Ganz schön starke Worte gegen das Ordnungsamt. Wir werden uns bei ihrem nächsten Anliegen bestimmt daran erinnern.“ Der so Bedrohte, „Die Partei“-Stadtrat Aaron Schmidt, legt Dienstaufsichtsbeschwerde ein. Auch hier gibt sich die Stadtverwaltung auf Merkur-Anfrage zugeknöpft – räumt aber immerhin ein, dass sie nicht wusste, dass der gleiche Mitarbeiter schon ein halbes Jahr zuvor auf Facebook einem Kritiker angedroht hatte: „Die nächste Kontrolle kommt bestimmt!“.

NOVEMBER:

Der Stadtrat beschließt mit überwältigender Mehrheit eine „Katzenschutzverordnung“ mit Kastrationspflicht für Katzen (abgesehen von wenigen Ausnahmen wie reinen Hauskatzen ohne jeglichen freien Auslauf). Tierschützer hatten die Pflicht gefordert, weil die unkontrollierte Vermehrung das Tierheim belastet und für viele Krankheiten bei Katzen sorgt.

Zweibrücken, Pirmasens und der Landkreis Südwestpfalz stellen erstmals einen gemeinsamen Schulentwicklungsplan vor. Gutachter Wolf Krämer-Mandeau bescheinigt der Stadt Zweibrücken, sie sei „phantastisch aufgestellt“. Er regt aber an, für die Pestalozzischule mit ihren vielen Kindern mit Migrationshintergrund wären ein differenzierteres Angebot und eine Ganztagsschule wichtig – eine Lösung könne eine Kooperation mit der Hilgardschule (ebenfalls eine Grundschule) sein. Mehr Zweibrücker Schulen müssten als einen Schwerpunkt Inklusion (Integration Behinderter) anbieten. Die Südwestpfalz habe ihre Schulen ebenfalls bestens ausgestattet, lobt der Gutachter. Doch hier sinken die Schülerzahlen bald so stark, dass man nicht nur wie in Zweibrücken auf die positiven Lern-Effekte kleinerer Klassen hoffen dürfe – sondern nicht alle Schulen auf Dauer erhalten werden könnten. Die Oberstufen der drei Integrierten Gesamtschulen (Contwig, Thaleischweiler-Fröschen und Waldfischbach-Burgalben müssten zusammenarbeiten, mahnt Krämer-Mandeau. Sorgen bereitet ihm in Zeiten zurückgehender Schülerzahlen, dass die Region mit 14 Schulen „auf engstem“ Raum die höchste Dichte von Abitur-Angeboten in Rheinland-Pfalz habe. Nur mit Kooperation – und dadurch besseren Kursangeboten – könnten die drei IGS Abwanderungen in die Gymnasien der Städte vermeiden. Ungenutzer Schulraum im Landkreis könne vielleicht auch für Entspannung bei den „förmlich überrannten“ Förderschulen in Zweibrücken (Canada-Schule) und Pirmasens sorgen.

DEZEMBER:

Erst Zustimmung im Hauptausschuss, denn Ablehnung im Stadtrat: Der Sozialausweis, der seit 2013 nur noch Kindern verbilligte Nutzung von Schwimmbäder oder Stadtbücherei ermöglicht, wird für Erwachsene nicht wiedereingeführt. Auch nicht testweise, wie Antragssteller Patrick Lang (FWG) vorschlug, um seine Vermutung zu belegen, dass es keine Mehrkosten gäbe, weil ein halber Eintrittspreis mehr Geld in die Kassen spüle als wenn arme Menschen Einrichtungen gar nicht nutzen können. Nur SPD, Grüne und Teile der FWG stimmen für einen solchen Realitätstest.

 Der Zweibrücker Bürgermeister Christian Gauf führt Katja Krug-Abdessalem in ihr Amt als neue Ortsvorsteherin von Oberauerbach ein.

Der Zweibrücker Bürgermeister Christian Gauf führt Katja Krug-Abdessalem in ihr Amt als neue Ortsvorsteherin von Oberauerbach ein.

Foto: Norbert Schwarz
 Gerhard Kaisers Modell für ein Zweibrücker Freiheits- und Demokratiedenkmal. Aber auch andere Vorschläge sind noch möglich.

Gerhard Kaisers Modell für ein Zweibrücker Freiheits- und Demokratiedenkmal. Aber auch andere Vorschläge sind noch möglich.

Foto: Sabine Blatt

Um den 260 Millionen Euro großen Zweibrücker Schuldenberg hofft abzutragen oder zumindest nicht weiter wachsen zu lassen, hofft die Stadt nach einem Urteil des Landesverfassungsgerichtshofs (nach Klage von Pirmasens und Kreis Kaiserslautern) auf die vom Gericht verlangte Ausstattung der rheinland-pfälzischen Kommunen mit der für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Mittel. Zudem vereinbart die Stadt mit der Kommunalaufsicht (ADD) eine gemeinsame Haushaltskommission, um zu schauen, wo es in Zweibrücken noch Sparpotenzial gibt. Die Spar-Kommissare aus Trier werden in Zweibrücken womöglich auf ein ähnlich ambivalentes Echo stoßen wie die „Troika“ von EU, EZB und IWF in Athen während der griechischen Staatsschuldenkrise ...

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