„Radeln ohne Alter“ in Zweibrücken Anni spendet seit einem Jahr Lebensfreude

Zweibrücken · In nur einem Jahr hat das Projekt „Radeln ohne Alter“ in Zweibrücken mächtig Fahrt aufgenommen. Am Samstag sollte der einjährige Geburtstag von Rikscha „Anni“ gefeiert werden – wegen der schlechten Wetterprognose wurde der Termin kurzfristig abgesagt. Der folgende Artikel wurde vor der Absage, die uns nach Redaktionsschluss erreichte, geschrieben.

 Initiatorin Birgit Sosson und Elisabeth Lelle (vorn) haben mit „Anni“ und ihren zahlreichen Fahrgästen seit einem Jahr viel Spaß. Die Rikscha ist nicht nur für Senioren in Pflegeeinrichtungen zugängig, sondern auch für alle jene, die Zuhause leben; im Übrigen auch für jüngere, beeinträchtigte Menschen. Jeder der dringend mal wieder Wind in den Haaren braucht, ist willkommen.

Initiatorin Birgit Sosson und Elisabeth Lelle (vorn) haben mit „Anni“ und ihren zahlreichen Fahrgästen seit einem Jahr viel Spaß. Die Rikscha ist nicht nur für Senioren in Pflegeeinrichtungen zugängig, sondern auch für alle jene, die Zuhause leben; im Übrigen auch für jüngere, beeinträchtigte Menschen. Jeder der dringend mal wieder Wind in den Haaren braucht, ist willkommen.

Foto: Cordula von Waldow

„Hurra, hurra, unsere Anni wird ein Jahr!“ Unter diesem Motto lädt für Samstag, 1. April, ab 15 Uhr das Projekt „Radeln ohne Alter“ in Zweibrücken zur Geburtstagsfeier der mittlerweile stadtbekannten Fahrradrikscha an die neue Garage in der Rosengartenstraße 5 ein (UPDATE: Wegen schlechten Wetters Termin ABGESAGT).

Initiatorin Birgit Sosson strahlt, als sie über dei Projekt-Bilanz spricht. „Ich hätte, als wir vor einem Jahr anfingen, niemals gedacht, wie schnell wir uns entwickeln und wie gut sich alles fügt. Wir haben so viel Unterstützung von so vielen Seiten bekommen und unser Piloten-Team ist so gewachsen.“

Begeistert von der bundesweiten Initiative „Das Recht auf Wind in den Haaren“, die Menschen mit alters- oder handicapbedingter Einschränkung in einer Fahrrad-Rikscha Lebensfreude und eine gewisse Teilhabe am Leben ermöglicht, gelang es ihr in überraschend kurzer Zeit, ein engagiertes Team zu finden – und sogar die erste Rikscha zu organisieren. Vor ziemlich genau einem Jahr ist „Anni“ in Zweibrücken eingetroffen – gesponsert vom Münchener Förderverein „Retla“ und vielen einheimischen Spendern.

Schnell bildete sich ein Piloten-Team, dem mittlerweile zwölf feste und eine Vielzahl an Gelegenheitsfahrern angehören. Steht für die einen der soziale Aspekt im Vordergrund, engagieren sich andere ebenso in sportlicher Absicht und um das Radfahren zu fördern.

Sie alle haben bei Bernd Lohrum vom ADFC Südwestpfalz (www.zw-radelt.de) ein Sicherheitstraining mit „Anni“ durchfahren, von der Vollbremsung bis hin zum Hütchenslalom. Entsprechend darf die Rikscha mittlerweile im Zehnertempo sogar durch die Fußgängerzone fahren und die Piloten können wie auf Knopfdruck anhalten.

Dieter Schütz, der neben dem Heckenaschbacherhof auch das neue Boardinghaus am Schwarzbach betreibt, hat für die Rikscha eigens eine Garage angebaut und mithilfe der Stadt diese mit Ladestrom für die Akkus ausgestattet. So konnte Anni umziehen, als die Erstgarage am Wichern-Haus dem dortigen Umbau temporär im Wege stand und parkt nun ideal mitten in der Stadt.

„Die Senioren können Schaufenster bummeln, kleine Einkäufe tätigen, sich an den Pflanzkübeln erfreuen, treffen Bekannte, mit denen sie ein Schwätzchen halten und kommen einfach mal raus aus ihrem Seniorenheim“, zählt Elisabeth Lelle auf. Die Awo-Mitarbeiterin kutschiert in der Saison jeden Mittwoch die Awo-Gäste durch die Innenstadt und die Allee – ebenso, wie mehrere Wichern-Haus-Kollegen und Kolleginnen jeden Freitag.

Noch ist eine Fahrerlaubnis durch den Rosengarten ein Traum, doch die Entchenversammlung am oberen Bleicherbach beim Rosengartenhotel ist ein beliebtes Ziel. Auf der anderen Bachseite locken die Pferde auf dem großen Platz im Landgestüt und auf der Rennwiese, „Valentins Biergarten“ und der Rosenweg.

„Wir haben schon so wunderschöne Begegnungen erlebt“, überlegen Birgit Sossong und Elisabeth Lelle beim Merkur-Gespräch gemeinsam. Dazu gehört etwa die Geburtstagstour, mit der eine Tochter ihre 91-jährige Mutter überraschte und dabei selbst als Fahrerin fungierte. Ein Ehepaar aus einem der Heime ließ sich zur Metzgerei am Busbahnhof fahren. „Der Mann konnte aussteigen und kam strahlend mit einer Blutwurst zurück, auf die er solchen Appetit hatte“, beschreibt Birgit Sosson einen Beitrag zur Selbstbestimmung. Oder die Fahrt einer Heimbewohnerin, die sich Malbücher kaufen wollte. Solche Beispiele gebe es viele.

Zu den Höhepunkten zählt die lange Ausfahrt über Mittelbach, die Kugelfanghütte und den Bliesgau. „Die haben wir mit nur einem Akku bewältigt“, berichtet Birgit Sosson stolz, wenngleich sie vorsorglich einen Ersatz-Akku dabei hatte. Überhaupt bestehen über den Verein „Stiftung Lebenswerte“ enge Verbindungen nach Blieskastel, wo sich alle Rikscha-Pilotinnen und -Piloten regelmäßig zum Stammtisch treffen, fachsimpeln und gemeinsame Aktionen planen wie etwa der gemeinsame Faschingsumzug Ende Februar in Blieskastel.

Natürlich fährt „Anni“ nicht nur anlässlich von „Zweibrücken gesund“ am 1. und 2. April durch die Stadt, sondern steuert Attraktionen vom Flohmarkt über den Saarländertag bis hin zum Weihnachtsmarkt an. Die Nutzung der Rikscha ist und bleibt kostenfrei. Doch Spenden nimmt der Verein sehr gerne an. „Wir sparen schon auf die zweite Rikscha. Die braucht dann noch mehr Power, damit wir auch Passagen wie den Fasanerieberg oder die Freudenbergerhofstraße bewältigen können“, beschreibt Birgit Sosson.

Knapp 10 000 Euro wird die zweite Rikscha mit stärkerem Motor kosten. Sobald diese startklar ist, wird auch die Altenpflegeeinrichtung „Haus Kana“ mit Ausfahrten beglückt werden können.

Infos unter www.zw-vernetzt.de und auf Facebook: Radeln ohne Alter Zweibrücken.

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