Interview Jack White „Mir geht’s wunderbar“

Der Hit-Produzent und Ex-Kicker beim TSC Zweibrücken über sein Leben als 80-Jähriger und späte Vaterfreuden.

 Jack White steht in seiner Wohnung in Berlin-Charlottenburg, an der Wand hängen zahlreiche Goldene Schallplatten. Der gebürtige Kölner begann zunächst unter seinem bürgerlichen Namen Horst Nußbaum eine Karriere als Profifußballer. Später wurde er unter seinem Künstlernamen Jack White als Musikproduzent bekannt. 

Jack White steht in seiner Wohnung in Berlin-Charlottenburg, an der Wand hängen zahlreiche Goldene Schallplatten. Der gebürtige Kölner begann zunächst unter seinem bürgerlichen Namen Horst Nußbaum eine Karriere als Profifußballer. Später wurde er unter seinem Künstlernamen Jack White als Musikproduzent bekannt. 

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Jack White, der 1940 als Horst Nußbaum in Köln geboren wurde, hat eine schier unglaubliche Lebensgeschichte vorzuweisen mit ganz unterschiedlichen Karrieren: Einmal jene als Fußballer, dann die als deutscher Schlagersänger und schließlich jene als Schlagerkomponist und -produzent. Außerdem produzierte er in den USA einige internationale Hits. Der 80-jährige, der in Berlin lebt, ist zudem vor anderthalb Jahren noch mal Vater geworden. Zwei Jahre verbrachte White in der Pfalz, da er zunächst beim FK Pirmasens und dann beim TSC Zweibrücken Fußball spielte. Am Telefon sagt er als erstes: „Die Pfalz, da hat man gute Erinnerungen!“

Sie sind ja einer der wenigen Menschen, die Erfolge sowohl im Fußball als auch in der Musik vorweisen können…

Jack White In der Musik wohl ein bisschen mehr.

Wie kamen Sie damals 1963 in die Pfalz?

White Klaus Mathischak, damals eines der größten Mittelstürmertalente Deutschlands, wechselte damals zu meinem Verein, Viktoria Köln, da war unser Trainer übrigens Hennes Weisweiler. Der holte Jürgen Sundermann, der spielte auch die Vier wie ich, als Läufer im sogenannten WM-System. Da wusste ich, dass es schwer für mich wird. Da hat der Klaus mir geraten, nach Pirmasens zu gehen, die suchten genauso einen wie mich.

Und wie vom FKP zum TSC?

White Der FKP war einer der Vereine, die geplant waren für die Bundesliga. Dann sind sie aber nicht genommen worden. Ich wollte aber Profi sein. Die Idee war, dass ich nach Holland wechseln sollte zur PSV Eindhoven. Damals gab es einen einzigen Spielervermittler in Europa, das war ein Doktor Ratz. Der hat den Vorschlag gemacht, dass ich ein Jahr beim TSC Zweibrücken spiele, dann sei ich ablösefrei. Damals ging’s um ein Handgeld, das weiß ich noch wie heute, von 30 000 D-Mark.

Was wissen Sie noch über die Zeit beim TSC?

White Ich hatte einen wunderbaren Trainer gehabt, der hieß Fred Pelke. Ich hatte mit dem mal eine Diskussion über die Sauna. Da hat er damals zu mir gesagt: Horst, durch Sport schwitzen ist viel besser als in der Sauna schwitzen. Das wollte ich nicht so recht glauben, aber er hat doch ein bisschen recht gehabt. Die Zweibrücker haben natürlich meine Einwürfe geliebt. Auf dem kleinen Platz habe ich die wie Ecken gemacht, die flogen 45 Meter weit. Es war eine sehr sehr schöne Zeit. Ich war beim TSC Stammspieler. Gewohnt habe ich aber noch in Pirmasens, in der Adam-Müller-Straße 2a, das weiß ich noch. Ich war ja Vertragsspieler und habe parallel als Verkaufsleiter einer Schuhmaschinenfabrik gearbeitet

Und vom Fußball ging es dann zur Musik…

White Schon in Zweibrücken hat meine Musikkarriere begonnen. Da haben Freunde von mir immer an den saarländischen Rundfunk geschrieben wegen meiner ersten Platte. Ich wurde dann durch die Hörer Nummer Eins damit.

Wie kamen Sie zu dem Namen Jack White?

White Nach dem Jahr in Zweibrücken bin ich weg zur PSV Eindhoven. Als ich schon dort war, hatte mein Produzent Hans Bertram die Idee: Ich habe schon einen Roy Black, jetzt mache ich noch einen Jack White. Dem gefiel der bürgerliche Name Horst Nußbaum nicht. Bertram hatte auch „Gute Freunde“ mit Franz Beckenbauer produziert, er fand das dann toll, einen singenden Fußballer zu kriegen. In den ersten Monaten hab ich immer noch eine rote Birne gekriegt, wenn mich einer mit Jack White angesprochen hat. Heute sagt kein Mensch mehr „Herr Nußbaum“.

In Eindhoven haben Sie schon richtig Geld mit dem Fußball verdient?

White Ich bekam wie gesagt das Handgeld von 30 000 D-Mark. Ich habe dann in Holland kostenlos gewohnt in einem schönen Reihenhaus. Inklusive der Prämien ist man im Monat so auf zweieinhalbtausend D-Mark gekommen.

Wie wurden Sie dann vom Interpreten zum Komponisten und Produzenten?

White Ich merkte, dass ich immer einen oder zwei Schnäpse trinken musste, bevor ich in eine Fernsehsendung ging, das war also doch nicht so mein Ding. Da habe ich mich entschieden, auf die andere Seite zu wechseln, das ging dann ganz ganz schnell. Ich hab einfach die Gitarre genommen und entdeckt, dass ich Talent zum Songschreiben habe. Ein Jahr später schon habe ich mit Roberto Blanco das deutsche Schlagerfestival gewonnen, im Juli 1969 in Wiesbaden. Anderthalb Jahre später hatte ich mit „Schöne Maid“ meinen ersten Millionenhit. Drei Jahre später kamen Jürgen Marcus, Lena Valaitis und Nina & Mike, mit denen hatte ich ja einen Megahit nach dem anderen und war die Nummer eins bei der Gema. Ich bin ja der einzige weltweit, das darf ich hier ganz unbescheiden sagen, der parallel zu den Millionenhits in Deutschland mit amerikanischen Stars Musikgeschichte geschrieben hat. Ich hatte in den USA zwei Nummer Einsen und weitere Top 40-Hits, habe mit Paul Anka, Engelbert und Barry Manilow gearbeitet. Mit dem Song „When the Rain Begins to Fall“ haben wir alleine in Europa fünf Millionen Singles verkauft. Da bin ich der Einzige!

Was ist mit Frank Farian?

White Der Frank ist ein ganz lieber Freund, der hat aber nie einen Evergreen in deutscher Sprache gehabt, da ist er bis heute neidisch auf mich (lacht).

Zurück in die Siebziger und zum Fußball: Da haben Sie „Fußball ist unser Leben“ für die Nationalmannschaft geschrieben.

White Das habe ich etwa in einer Stunde geschrieben, das ist auch bis heute einer meiner Evergreens. Damals ist der DFB auf mich zugekommen, da hab ich natürlich ja gesagt. Da waren Beckenbauer, Uli Hoeneß und Jupp Heynckes dabei. Der Franz ist ein richtig enger Freund von mir geworden. Zu meinem 80. vor kurzem wollte ich keine Geschenke, bitte nur eine Spende an die Franz Beckenbauer-Stiftung. Wir haben auch sehr lange beide in Kitzbühl gewohnt, da haben wir uns oft getroffen.

Welcher Song ist Ihnen am wichtigsten?

White Die Frage bekomme ich in den letzten Wochen immer gestellt. Den wichtigsten Song gibt es nicht. Natürlich könnte ich jetzt sagen, mein erster Nummer Eins-Hit in den USA, „Gloria“ mit Laura Branigan. Das war ein Meilenstein, da bekomme ich immer noch Gänsehaut, wenn ich den anhöre und die Lautstärke nach oben drehe. Man darf aber nie vergessen, mein Durchbruch war „Schöne Maid“. Helene Fischer und Atemlos – das ist ja alles nix dagegen, was damals los war mit der Schönen Maid! Da haben wir über 1,7 Millionen Platten verkauft. Man konnte an keiner Kneipe vorbeilaufen ohne dass das gespielt wurde. Mir hat damals einer erzählt, dass er beim Kölner Karneval den ganzen Zug im Fernsehen gesehen hat und dabei 27 Mal die Schöne Maid gehört hat. Bei dem Song war ich Komponist, Texter, Verleger und Produzent. Danach kam „Komm gib mir deine Hand“, da wurden 1,6 Millionen Platten verkauft. Das war schon eine verrückte Zeit. Dann kam noch „Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben“, später „Und dabei lieb ich euch doch beide“ von Andrea Jürgens. Da habe ich die Nation zum Weinen gebracht! Da haben alle vor dem Fernsehschirm geflennt, das war doch irre damals! So gesehen gibt es nicht DEN Song.

Was ist mit dem Riesenhit „Self Sontrol“ von Laura Branigan aus dem Jahr 1984?

White Natürlich darf man auch „Self Control“ nicht vergessen. Das war ja international gesehen der allergrößte Hit. Der war auf der ganzen Welt Nummer eins.

Was war so das Schlüsselerlebnis für den Erfolg in den USA?

White Per Zufall habe ich den Arrangeur Greg Mathieson in Los Angeles im Studio getroffen, der fragte mich, ob ich Umberto Tozzi kenne. Ich sagte, du bist ja niedlich, klar kenn ich den. Da habe ich den gefragt, ob er Ti amo arrangiert hätte – nein. Gloria? Ja! Das war für mich ein Zeichen vom lieben Gott. Ich sitze hier in Amerika mit dem Arrangeur, der „Gloria“ in Europa gemacht hat. Als ich ihm dann irgendwann erzählt habe, dass ich ein Album mit Laura Branigan mache und auch „Gloria“ aufnehme, da hat er mich mit seinen großen schwarzen mexikanischen Augen angeschaut und gesagt: Das kannst du nicht machen! Das ist doch viel zu europäisch! Ich habe ihm den wichtigsten Satz aus meinem Leben gesagt: „So make it american! Also mach es amerikanisch!“ Wir haben dann 26 Wochen gebraucht, bis wir Nummer eins waren.

„Self Control“ stieg schneller?

White Das ging von Null in die Top Ten.

Welchen Anteil hatten Sie daran?

White Ich habe erstmal entschieden, dass wir den Song nehmen. Ich hatte immer eine gute Nase für Hits. Dann: Die Arbeit im Studio! Damals gab’s ja noch Musiker. da musste ich hören, ob die Band gut spielt, ob das Feeling da ist. Ich kam immer sehr gut klar mit den Künstlern. Ich habe durch meine Art im Studio immer das Allerletzte aus ihnen rausgeholt. Leute haben oft gesagt - Mensch, der kann doch gar nicht so gut singen, warum klingt der so gut! Das kommt wohl daher, dass ich auch Jahre auf der anderen Seite im Studio gestanden habe und halt wusste, wie das ist.

Wie geht’s Ihnen heute?

White Mir geht’s wunderbar. Ich bin jetzt 80 und könnte mich kaputtlachen. Ich brauche immer noch keine Lesebrille, bei mir funktioniert auch ansonsten noch alles. Ich habe eine wunderbare junge Frau und bin mit 78 noch mal Vater geworden. Ich galt in den letzten Monaten als der älteste späte Vater weltweit.

Wechseln Sie auch die Windeln?

White Nein, nein. Das war nie mein Ding. Dafür ist die Mutter da. Aber ich liebe meinen Sohn, wir spielen miteinander. Der rennt ja jetzt schon rum und hat eine unglaubliche Kraft. Den will ich noch als Fußballer erleben!

Herr White, vielen Dank für das Gespräch!

White Viele liebe Grüße in die Pfalz, es war eine irrsinnig schöne Zeit – nicht zu vergessen, dass der Fritz Walter einer meiner engsten Freunde war. Und auch ganz liebe Grüße an den Horst Eckel! Ich hab ja auch parallel zu „Fußball ist unser Leben“ eine Konkurrenzplatte mit den Altinternationalen gemacht (singt): „Schwarz und weiß sind unsere Farben und schwarz-rot-gold ist unsere Fahne.“ Da war die ganze 54er Weltmeisterelf im Studio und noch weitere Altinternationale wie Fritz Szepan und Ernst Kuzorra. Nur Toni Turek hat gefehlt.

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