Im Schuljahr 2019/20 besuchten landesweit 41 160 Mädchen und Jungen Privatschulen Privatschulen liegen auch in Rheinland-Pfalz im Trend

Mainz · (dpa) Nur mit zwei Fähren gelangen die Mädchen und Jungen zu ihrer Schule: Ihr Gymnasium Nonnenwerth liegt bei Remagen auf einer Rheininsel. Ganz selten haben die Schüler sogar hochwasser– oder niedrigwasserfrei – die Boote fahren nicht mehr.

 Das Gymnasium Nonnenwerth, eine Privatschule, liegt auf einer Rheininsel. Rund acht Prozent der rund 522 000 Schüler in Rheinland-Pfalz besuchen Privatschulen.

Das Gymnasium Nonnenwerth, eine Privatschule, liegt auf einer Rheininsel. Rund acht Prozent der rund 522 000 Schüler in Rheinland-Pfalz besuchen Privatschulen.

Foto: dpa/Thomas Frey

166 Jahre lang haben Nonnen das Gymnasium geführt – nun hat es die gemeinnützige Gesellschaft „International School of the Rhine“ (ISR) übernommen. Nonnenwerth ist eine von rund 135 Privatschulen in Rheinland-Pfalz. Bundesweit ist dieser Schultyp im Trend. Sinnvolle Bereicherung oder soziale Spaltung der Schullandschaft? Privatschulen sorgen mit oft betuchteren Eltern für Debatten. In Rheinland-Pfalz allerdings weniger: Hier dürfen sie laut Gesetz kein Schulgeld von Eltern verlangen. Das ist im Länderreigen eher die Ausnahme.

Der Anteil von Privatschulen an allen Schulen ist in Rheinland-Pfalz laut dem Statistischen Landesamt von 6,7 Prozent im Jahr 2003 auf 8,4 Prozent im Jahr 2019 gestiegen. Nach Mitteilung des Bildungsministeriums in Mainz besuchten im Schuljahr 2019/20 landesweit 41 160 Mädchen und Jungen Privatschulen. Das waren knapp acht Prozent der insgesamt rund 522 000 Schüler in Rheinland-Pfalz.

Privatschulen werden von den beiden großen Kirchen getragen – in Rheinland-Pfalz vor allem von der katholischen – oder sind zum Beispiel Waldorf- oder Montessori-Schulen. Sie alle müssen staatlich genehmigt werden. Das rheinland-pfälzische Bildungsministerium teilt mit: „Bei den Schulen in freier Trägerschaft zahlt das Land Pauschalen zu den Personalkosten, für Sachkosten und Baukostenzuschüsse.“ Darüber hinaus finanzieren sich Privatschulen beispielsweise über mehr oder minder freiwillige Mitgliederbeiträge von Fördervereinen, Spenden und Sponsoren.

Der Verband Deutscher Privatschulverbände (VDP) ist mit der rheinland-pfälzischen Regelung unzufrieden. Der Geschäftsführer des VDP-Landesverbands Rheinland-Pfalz/Saarland, Falk Raschke, sagt, das Privatschulgesetz stamme bereits aus dem Jahr 1970 und orientiere sich an der damaligen Situation. So habe etwa die katholische Kirche inzwischen weniger Kirchensteuereinnahmen. Privatschulen anderer Träger hätten es schwer, es gebe auch verschuldete Fördervereine. Die Zahl der Privatschulen sei im Ländervergleich gering. „Rheinland-Pfalz hat mit Abstand die geringste Vielfalt von Privatschulen“, kritisierte Raschke. Private Schulen mit zweisprachigem Unterricht gebe es kaum – und mit einer besonderen Ausrichtung etwa auf drogenabhängige oder suizidgefährdete Jugendliche wie beispielsweise in Hessen gar nicht.

2019 hat Carsten Linnemann, Unionsfraktionsvize im Bundestag, mit einem Satz in einem Interview für Wirbel gesorgt: „Bis tief hinein in die Mittelschicht erlebe ich Eltern, die ihre Kinder auf Privatschulen schicken, weil das Niveau an staatlichen Schulen sinkt.“ Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat damals kritisiert, der Zustand vieler öffentlicher Schulen in Deutschland habe zur Steigerung der Nachfrage nach Privatschulen beigetragen.

Der GEW-Chef in Rheinland-Pfalz, Klaus-Peter Hammer, sagt: „Ich bin froh, dass das Privatschulwesen hier nicht so stark ausgeprägt ist wie in östlichen Bundesländern.“ In Rheinland-Pfalz gebe es nur „ganz wenige elitäre Privatschulen“. Das Verbot von Schulgeld finde die GEW gut: „Bildung soll nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein. Wir wollen keine Elitebildung.“ Hammer erkennt an, dass es „hier auch gute Privatschulen gibt, zum Beispiel Montessori-Schulen“. Dort sollen Kinder mit ihrem eigenen Rhythmus lernen können.

Laut dem bildungspolitischen Sprecher der AfD-Landtagsfraktion, Joachim Paul, ist die Zahl der Privatschüler im Land von 2003 bis 2019 von 37 332 auf 41 160 gestiegen – bei insgesamt rückläufigen Schülerzahlen. Das zeige den Vertrauensverlust in staatliche Schulen. Der „Niveauverlust“ müsse gestoppt werden: „Wir fordern deshalb die Wiederherstellung des dreigliedrigen Schulsystems, Inklusion mit Augenmaß und Deutsch vor Regelunterricht.“

Die bildungspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Anke Beilstein, stuft Privatschulen als wichtige Säulen des Schulwesens ein, die Schüler zu den gleichen Abschlüssen führten wie staatliche Schulen: „Die Privatschulfreiheit ist ausdrücklich im Grundgesetz verankert.“ Die CDU stehe zu diesem Baustein in der Bildungslandschaft.

Als wichtige Partner in einer vielfältigen Schullandschaft bezeichnet die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Bettina Brück, die Privatschulen. Dass sich die Nachfrage nach ihnen im Land „weiterhin auf einem niedrigen Niveau befindet, ist auch ein Erfolg sozialdemokratischer Bildungspolitik“. Gebührenfreie Bildung von Anfang an bleibe das Markenzeichen von Rheinland-Pfalz. Die Frage der Schulform oder des Schulträgers dürfe dabei keine Rolle spielen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort