Politisch Unkorrektes ist Trumpf

Saarbrücken · Die beiden Hessen Ande Werner und Lars Niedereichholz alias Mundstuhl sorgen seit 20 Jahren mit ihren lustigen, schrägen und bitterbösen Bühnencharakteren bei ihren Auftritten für Lachtränen. Am Sonntag, 20. November, 20 Uhr, treten sie mit dem Jubiläumsprogramm „Mütze-Glatze! Simply the Pest“ in der Saarbrücker Garage auf. Am Sonntag hat Merkur -Redakteur Eric Kolling den beiden backstage kurz vor einem Auftritt für ein Telefoninterview erreicht und mit ihnen geplaudert über ihre Sketchentwicklung, Zukunftspläne und Böhmermanns Schmähgedicht.

 Am 20. November gibt es Comedy mit „Mundstuhl“. Mundstuhl: Ande Werner (links) und Lars Niedereichholz.

Am 20. November gibt es Comedy mit „Mundstuhl“. Mundstuhl: Ande Werner (links) und Lars Niedereichholz.

Foto: PR

Seit 20 Jahren tretet Ihr als Komikerduo auf - Eure Tour jetzt steht aber unter dem Motto "50 Jahre Mundstuhl" - wo ist der Rechenfehler?

Ande Werner: Es sieht einfach besser aus: 50 als 20.

Lars Niedereichholz: Wir hätten 500 machen sollen. Vielleicht lassen wir noch Plakate nachdrucken.

Ande: Was wirklich hart ist: Nach der Show sitzen der Lars und ich immer noch da und geben Autogramme und machen Fotos mit den Leuten und dann kommt da kommt eine junge Frau Anfang 20, also durchaus das Beuteschema, und fragt "Können wir ein Foto machen?". Du fühlst dich total gebauchpinselt und dann sagt sie, mein Vater ist großer Fan von Euch. Da könnte man kotzen.

Lars: Die brauchen doch einen Grund um uns anzusprechen. So wie: "Hast du mal Feuer". (Gelächter von beiden)

Ist das Jubiläumsprogramm ein Best-of früher präsentierter Inhalte oder habt Ihr Euch etwas ganz Neues überlegt?

Lars: Das ist ein ganz fantastischer Hybrid, um in der Autosprache zu sprechen. Wir haben uns alles angeschaut, was wir in den letzten 20 Jahren fabriziert haben, und dann die besten Sachen rausgesucht. Aber mittlerweile spielen wir das Programm auch schon fast ein Jahr, und es ist mittlerweile so viel Neues dabei, weil wir Dinge neu interpretiert haben, würde man als Musiker sagen.

Basierend auf den Figuren oder welche Neuerungen gibt es noch?

Ande: Die Figuren sowieso aber natürlich auch auf den Sketches. Man muss die in die Neuzeit holen. Die Pointen an sich funktionieren ja immer.

Lars: Manche Blöcke sind komplett neu, etwa "No Pressure", ein Figurenpaar von uns, das gab es vorher so gar nicht. Der Andi ist auch neu.

Wie kann man sich das Austüfteln neuer Gags und Sketche bei Euch vorstellen? Was wäre ein Beispiel?

Lars: Ande und ich treffen uns und haben schon so eine Art Ideenbank, die wir uns anschauen. Vieles entsteht aber dadurch, dass wir drauflosschwätzen.

Ande: Ich bin einmal mit meinem Bruder im Auto gefahren und hab mich total bescheuert verhalten, hab auf dem Schlauch gestanden den ganzen Vormittag. Irgendwann war es meinem Bruder zu bunt, und dann hat er gefragt: Sag mal Ande was, ist denn mit dir los, wirst du morgens mit dem Bus geholt? Die Geschichte hab ich dem Lars erzählt, und dann haben wir diese Zeile genommen und einen Song draus geschrieben, weil wir uns beide totgelacht haben über den "Bus geholt". Der ist jetzt auch mit im Programm, "Wir werden morgens mit dem Bus geholt" heißt der Song. So entstehen Gags oder Sketche bei uns. Oder der hat mich angerufen und gemeint: Ich hab so ein geiles Ding, hör Dir das Mal an. Und das wird dann "Mundstuhl: Die Welt wird wieder schön". Wir sitzen nach Auftritten gerne zusammen im Hotelzimmer und trinken ein Feierabendbier, da kommen auch die mattesten Ideen bei rum.

Lars: Oder es läuft im Radio der Song "El Lute", wo es heißt "Er hat nie das Licht der Sonne gesehen, sie nannten ihn El Lute", und dann fragt halt einer: Sag mal, meint der das wirklich: nie das Licht der Sonne gesehen? Und da machen wir dann weiter.

Wenn Ihr solche Ideen hattet, testet Ihr die Programme undercover in Clubs. Wo könnt Ihr noch hingehen, dass man Euch noch nicht kennt, oder verkleidet Ihr Euch da?

Ande: Die Leute wissen schon, dass Mundstuhl auf der Bühne sitzt. Wir gehen nicht in die Werbung mit "Mundstuhl testen ihr neues Programm". Wir heißen dann anders, nehmen den Druck von uns. Wir haben schon Abende gehabt, da haben wir anschließend 30 Prozent vom Programm weggeschmissen und haben es neu geschrieben, weil es nicht gezogen hat. Lars: Die Leute sehen: Das ist Mundstuhl und ich sitze hier in einem Club mit 100 Leuten, das kostet fünf Euro oder so. Ich als Zuschauer oder sogar Mundstuhlfan würde das lieben. Und wir versprechen uns da auch noch, und die Abende sind manchmal viel zu lang oder auch zu kurz.

Wieviel habt Ihr bisher schon von Eurem aktuellen Programm modifiziert?

Ande: Wir haben einen Song rausgeschmissen, dann wieder reingeholt. Manchmal ist es uns auch langweilig, immer das Gleiche zu spielen und dann machen wir auch Sachen mal anders, einfach um es für uns frisch zu halten.

Lars: Wir haben einen ganzen Block umgestellt, wir haben einen Sketch rausgeschmissen dafür jetzt einen neuen reingeholt, das verändert sich ununterbrochen. Natürlich mit dem Ziel für uns persönlich, dass es immer besser wird.

Ande: Manchmal sind wir ja selber konsterniert. Wir denken: Mann, mann, mann, jetzt ist das Programm schon 120 Prozent und dann stellt man was um und auf einmal wird es 220 Prozent. Das kann man sich kaum vorstellen. (lacht)

Es nähert sich Weihnachten, da kursierte vor einigen Jahren das Video mit den bösen Tassen im Netz. Das war ja auch Eure Idee.

Lars: Da sind wir ein bisschen wie Jungfrau zum Kinde gekommen. Das hat eine Werbeagentur animiert. Dieser Spruch ("Immer zwei Mal mehr wie Du", Anm. d. Red.) ist von uns, der ist von C+F-Hörnchen, diesen beiden asozialen Eichhörnchencharakteren. Der wurde animiert, das hat Jamba gesehen und fand das super und so wurden wir angefragt, und auf einmal war die Plattenfirma mit im Boot, und auf einmal war das wahrscheinlich der erfolgreichste Klingelton-Download 2007. Das freut einen natürlich, aber da haben wir nicht großartig was für gemacht, muss man ganz ehrlich zugeben.

Gehen wir mal exemplarisch auf eine Eurer Bühnenfiguren ein, den cholerischen Andi. Was ist Eure Erklärung dafür, dass seine Bösartigkeit so lustig sein kann, dass die Leute da Tränen lachen?

Ande: Der spricht einfach Sachen aus, die andere nur denken. Die Political Uncorrectness ist ja unser Steckenpferd. Letztens hab ich eine Talkshow gesehen, da ging es um die Political Correctness und wie langweilig das ist, und, ob das überhaupt noch zeitgemäß ist. Es ging da, glaub ich, um Trump, der ja gar nicht politisch korrekt ist. Es gibt Leute, da weiß man gar nicht, woher die ihre Kompetenz nehmen, die sagen dir: Das darfst du nicht mehr sagen und ich sehe das aus irgendeinem Grund nicht ein,weil ich mir ungern vorschreiben lasse von anderen Leuten was ich zu sagen habe und was nicht.

Lars: Es kommt ja noch dazu, dass man gewisse Dinge vielleicht echt nicht sagen sollte, das wissen wir ja alle, aber hier geht's ja um Humor. Manchmal ist es auch lustig, wie sich alles wiederholt. Es gibt beim Kollegen Chris Tall die Diskussion "Darf er das sagen", wo ich mir denke: Mein Gott, es ist genau das Gleiche wie bei uns vor 20 Jahren. Zumindest ist es ein gutes Marketingtool, denn es macht einen ja auch interessant.

Einer, der diesbezüglich dieses Jahr profitiert hat, war auch Jan Böhmermann mit seinem Erdogan-Schmähgedicht. Ihr hattet angekündigt, aus Solidarität in Böhmermanns Sendung Schmähgedichte selber vorzutragen. Ist es für Euch eine Genugtuung, dass die Ermittlungen eingestellt wurden, oder bleibt das Ganze für Euch einfach nur ein Skandal?

Ande: Ich fand's einen Skandal, dass das Ganze zur Staatsanwaltschaft gegangen ist. Aber dass es jetzt so ausgegangen ist, war im Grunde jedem klar. Es war ein Politikum, man musste den Erdogan befrieden, indem man den Fall dem Staatsanwalt gibt, und dann war es für mich klar, dass es ausgeht wie das Hornberger Schießen.

Lars: Wir finden Jan Böhmermann super cool. Aber wir haben uns nicht angemeldet nach dem Motto: Dürfen wir zu dem Thema etwas sagen? Tatsächlich haben Medien bei uns angerufen, und das wohl vermehrt. Das haben wir erst dadurch mitgekriegt, dass überall auf einmal stand: Mundstuhl sind auch voll dabei, wenn es um Schmähgedichte geht. Das war nichts, wo wir uns drum gerissen haben oder wo wir uns extra gemeldet hätten, aber war natürlich in der Sache richtig. Wir hätten auch Schmähgedichte vorgetragen, und politisch ist es natürlich ein Wahnsinn, was der Erdogan da gerade macht. Das darf ja nicht wahr sein.

Ihr würdet gerne mal einen Film drehen, den aber ein amerikanischer Autor mit ähnlich abgedrehtem Humor wie Ihr schreiben müsste. Wie sind da die Aussichten und wer würde Euch denn da vorschweben?

Ande: Es gibt ein Produzententrio aus Amerika aus den 80ern und 90ern: Zucker/Zucker/Abrahams, die haben in meinen Augen die abgefahrensten Filme gemacht, zum kaputtlachen. Das ist halt amerikanisches Niveau. Es gibt in Deutschland Filme wie "Zwei Nasen geben Vollgas" mit Mike Krüger und Thomas Gottschalk, da kann ich mir kein Bein ausreißen vor Lachen, muss ich ganz ehrlich sagen.

Lars: Zucker/Zucker/Abrahams war großes Kino. Heutzutage finde ich die amerikanischen Komödien aber alle gleich. Klar, Hangover ist cool, aber sind wir mal ehrlich: Alle sind vollgesoffen und dann ist ganz schnell ein analer Bezug da. Amerikanische Komödien ohne untenrum und Sex und Analbezüge geht wohl nicht mehr. Das find ich schade, dass das so einseitig ist. Da finde ich fast die deutschen Komödien frischer. Ich war mit der ganzen Familie in "Fack ju Göhte 2" und hab mich gut amüsiert, fand das witzig, da war nichts Verstaubtes, es hat Spaß gemacht.

Aber eine direkte Anfrage oder Kontakt gibt es noch nicht?

Ande: Nein. Wäre natürlich geil. Wenn du einen herstellen kannst, sind wir sofort dabei (lacht).

Seit 20 Jahren tretet Ihr auf: Wie lange soll es noch gehen?

Ande: Noch 50, wenn's geht.

Lars: Im Endeffekt, bis man in die Kiste hüpft. Ich weiß nicht in welcher Intensität. Ich kann mir vorstellen, mal eine Pause zu machen. Dass man drei Monate nach Australien fährt oder so. Aber im Endeffekt ist es ein wahnsinnig geiler Job. Wir fahren zwischen Lübeck und Zürich durchs Land und treten in jedem Bürgerhaus und Stadthalle auf und die Leute amüsieren sich und feiern uns ab und damit verdienen wir Geld. Ich kann mir wenig Besseres vorstellen.

Ande: Wir haben uns kennengelernt über die Musik, wir haben beide vorher Gitarrenrock gemacht. Ich danke jeden Tag meinem Schöpfer dafür, dass Lars und ich uns getroffen und entschieden haben, Comedy zu machen. Das vor dem Hintergrund, dass ich mir vorstelle, mit 47 noch mal auf der Bühne zu stehen und mir die Seele aus dem Leib zu schreien mit Zeige- und kleinem Finger gestreckt in die Luft. Ich bin froh, dass wir Comedy machen, da kann man glaub ich wirklich alt mit werden. Man sieht es ja am Hallervorden, man kann das machen bis ins hohe Alter. Und der Lemmy Kilmister - so begnadet sind wir nicht, da bis zum Schluss auf der Bühne zu stehen.

Noch ein Satz zu Eurem Auftritt in Saarbrücken?

Lars: Auf Saarbrücken freuen wir uns ganz besonders. Es gibt so ein paar Lieblingsstädte und Saarbrücken ist seit 20 Jahren immer geil. Die ganze Atmosphäre und die Stadt machen einfach Spaß.

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