Porträt: der Poetry-Slammer Mark Heydrich „Kafka geht ins Hallenbad, da bin ich gerade dran“

Saarbrücken/Zweibrücken · Wie der in Zweibrücken großgewordene Mark Heydrich die „Poetry Slam“-Bühnen nicht nur in der ganzen Region erobert hat.

 Mark Heydrich gehört mit 42 Jahren schon zur „alten Garde“ der Poetry-Slammer in der Pfalz und dem Saarland. Trotzdem machen ihm die Wettbewerbe, bei denen er regelmäßig auftritt, immer noch Spaß.

Mark Heydrich gehört mit 42 Jahren schon zur „alten Garde“ der Poetry-Slammer in der Pfalz und dem Saarland. Trotzdem machen ihm die Wettbewerbe, bei denen er regelmäßig auftritt, immer noch Spaß.

Foto: Sebastian Dingler

Wie fing das an? Mark Heydrich muss nicht lange überlegen. „Das war 2001 im Ubu Roi, da habe ich direkt gewonnen und Blut geleckt.“ Man erinnert sich: Ja, tatsächlich fand wohl der erste Poetry Slam des Saarlandes in dem Café des Nauwieser Viertels in Saarbrücken statt. Damals arbeitete dort als Theker Karl Sempf. Der war frisch aus Hamburg zugezogen und brachte dieses damals noch unbekannte Format aus der Großstadt mit.

Das Ubu war so voll, dass niemand mehr reingelassen wurde, so großes Interesse hatte der Poetry Slam geweckt. Und wer dabei war, vergisst nicht, wie Mark Heydrich auswendig sein Gedicht „Himmelfahrt“ vortrug: Das handelte von einer Seefahrt, die sich eigentlich ganz normal anlässt.

„Doch daaa!“, schrie Heydrich mittendrin, als das Ganze eine üble Wendung nimmt, ein Sturm aufkommt und die gesamte Besatzung umkommt. Zuvor hatte der aus Zweibrücken stammende Poet zwar schon Lesungen gemacht oder war mit seiner Band „Die Unerwartete Antwort“ aufgetreten. Der einstige Zweibrücker Szene-Musiker Arthur Coffin („unbedingt erwähnen!“) habe ihn entdeckt und gefördert, erzählt Heydrich.

Aber der Wettbewerbscharakter kam erst beim Poetry Slam dazu, und das gefiel dem 1977 Geborenen besonders gut. Das Auswendiglernen ließ er irgendwann weg, nachdem er ein paarmal einen Blackout hatte und nicht weiterwusste. Heydrich fing nach dem Erweckungserlebnis an zu reisen, fuhr beispielsweise nach Mainz oder Bonn zu Poetry Slams. Das große Highlight aber war 2006 ein Auftritt vor 600 Zuhörern im südpfälzischen Herxheim. Die waren allerdings weder zu einem Poetry Slam noch wegen Heydrich gekommen, sondern weil Marcel Reich-Ranicki dort eine Lesung hielt.

Seine Schwester hatte ihn ins Vorprogramm vermitteln können. Leider wisse er weder, ob der Literaturpapst ihn gehört habe, noch konnte er ein Wort mit ihm wechseln. Heydrich tritt im Jahr 60- bis 70-mal auf, sein Geld verdient er allerdings hauptsächlich mit Poetry Slam-Workshops und als Aufsicht im Künstlerhaus.

Seit 1999 lebt er in Saarbrücken, als er nach seiner Maler- und Lackierer-Lehre die Fachhochschulreife nachmachte. Fürs Saarland ist er schon zweimal bei deutschen Meisterschaften aufgetreten. Die pfälzische Herkunft erlaubt es ihm aber auch, bei der rheinland-pfälzischen Meisterschaft anzutreten. „Mein Höchstes war einmal ein Finale in Landau vor 800 Leuten.“

Auch hat Heydrich schon Bücher herausgebracht, im Moment arbeitet er am dritten. Was bewegt ihn derzeit? „Das hängt immer mit meinem Leben zusammen und wie mir’s gerade geht.“ Über Politik schreibe er weniger, dafür gerne über andere Leute, über Freunde und Freundinnen. „Etwas, das noch ins Buch kommt, ist ein Text übers Schwimmen. Nach dem Motto ‚Kafka geht ins Hallenbad‘, da bin ich gerade dran.“

An der heutigen Poetry-Slam-Szene stört ihn, dass „alles so professionalisiert wird.“ Das Thrashige früherer Zeiten sei verloren gegangen. Auch habe sich so ein seltsamer Standard beim Vortrag der Texte eingebürgert: „Früher las jeder so, wie er wollte, heute hat jeder so einen Singsang drin. Gerade bei den ganz Jungen ist das so. Das geht mir auf die Nerven, da versuche ich, dagegen anzukämpfen.“

Das Individuelle der Texte gehe verloren, wenn sie jeder auf gleiche Weise vortrage. Ein bisschen entfremdet hat Heydrich sich also schon von den jüngeren Slammern. Das stellte er auch neulich fest, als er in die Live-Übertragung der deutschen Slam-Meisterschaft nur sporadisch reinschaltete. „Das waren gute Leute offenbar, alles auswendig vorgetragen. Aber die Texte … nö, nicht meins. Es war auch, wie ich finde, nirgendwo so was wie Literatur dabei.“ Trotzdem: Poetry Slam macht Heydrich immer noch Spaß: „Sonst würde ich’s nicht machen.“ Außerdem wurde er bei den regelmäßig stattfindenden Slams des Netzwerks „Dichterdschungel“ in Saarbrücken bisher höchstens Zweiter. Da wäre also noch ein bisschen Luft nach oben.

Am Freitag, 17. Januar, findet der nächste Poetry Slam des Dichter­dschungels im Saarbrücker Kino „Camera zwo“ statt. Karten gibt es nur dort.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort