Podiumsdiskussion „Zeitenwenden“ in der Alexanderskirche Die alte Botschaft braucht mehr „Schmagges“

Zweibrücken · Die Podiumsdiskussion „Zeitenwende 1523/2023 – 500 Jahre Reformation in Zweibrücken“ erwies sich als anspruchsvolle Gesprächsrunde in der Zweibrücker Alexanderskirche. Fragen wurden zudem gestellt und beantwortet.

Charlotte Glück, Professor Christian Witt, Moderator Martin Schuck, Antje Schönwald und Dorothee Wüst bei der Podiumsdiskussion „Zeitenwenden 1523 2023 – 500 Jahre Reformation in Zweibrücken“ in der Zweibrücker Alexanderskirche.

Foto: Sabine Best

Unter der Überschrift „Zeitenwende 1523/2023 – 500 Jahre Reformation in Zweibrücken“ hatte das protestantische Dekanat Zweibrücken mit Dekan Peter Butz zusammen mit dem Stadtmuseum Zweibrücken und dem Historischen Verein Zweibrücken am vergangenen Samstagabend zu einer Podiumsdiskussion mit hochkarätiger Besetzung in die Alexanderskirche eingeladen: Historikerin Charlotte Glück, Stadtmuseum und Stadtarchiv Zweibrücken; Kirchenhistoriker Professor Christian Witt von der Universität Tübingen, Kulturwissenschaftlerin Antje Schönwald von der evangelischen Akademie im Saarland und die Kirchenpräsidentin der evangelischen Kirche der Pfalz, Dorothee Wüst. Gemeinsam mit Moderator und Theologe Martin Schuck beleuchteten sie die geschichtlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Aspekte des Themas – im Kontrast eines halben Jahrhunderts.

1517 brachte Martin Luther seine 95 Thesen an der Schlosskirchentür in Wittenberg an; er wollte damit die Kirche auffordern, sich auf ihre Grundlagen – Christus, Gottes Gnade, den Glauben und die Bibel – zu besinnen. Das eigentliche 500-jährige Jubiläum der Reformation (lateinisch für Umgestaltung, Erneuerung) und die daraus resultierende Entstehung der evangelischen Kirche wurde bereits 2017 gefeiert.

Die Reformation in dem Gebiet des heutigen Rheinland-Pfalz begann 1523 mit dem deutschen Theologen und Reformator Johannes Schwebel (1490 - 1540) der vom Pfalzgrafen Ludwig II. als Hofkaplan nach Zweibrücken berufen wurde. Nach dem frühen Tod des Pfalzgrafen wurde Schwebel von Herzog Wolfgang (da dieser zu dem Zeitpunkt noch minderjährig war, in Vertretung durch seine Mutter und seinen Schwager) mit der Verfassung einer evangelischen Kirchenordnung beauftragt, die unter anderem die Feier des evangelischen Gottesdienste in deutscher Sprache und die Feier des Abendmahls in beiderlei Gestalt – alle Teilnehmer empfangen das Abendmahl in Form von Brot und Wein – beinhaltete.

Des Weiteren wurde der Ablauf des Gottesdienstes neu geregelt und damit verständlicher gemacht sowie Regeln des Gemeindelebens neu aufgestellt. Damit sei Zweibrücken ein sehr früher Ort der Reformation gewesen. Ein äußerst mutiger Schritt der Erneuerung, fand sie doch ohne die Zustimmung des Bischofs statt, erläuterte Charlotte Glück. Dazu sei mit der Einführung der allgemeinen Schulpflicht 1574 auch die Bildungspolitik vorangekommen.

Professor Witt beschäftigte sich mit dem Thema Krisen in der damaligen und heutigen Zeit – mit der Feststellung, dass es Krisen schon immer gegeben habe, wenn auch in anderer Form. Er stellte die Frage in den Raum, ob frühere Zeiten nicht sogar krisenreicher gewesen seien und der gegenwärtige Trend dazu ginge, heutige Krisen als besonders gravierend anzusehen. Dabei seien es nicht nur die großen Weltprobleme, sondern jeder Einzelne, müsse sich überlegen, ob er nicht von seiner sehr ichbezogenen Position Abstand nehmen wolle, um das Allgemeinwohl – Die Liebe zum Nächsten – wieder mehr in den Mittelpunkt zu rücken.

Spaltung der Gesellschaft, Kriege, Klimawandel, Pandemien und einiges mehr nannte Antje Schönwald als messbare Krisen, aber man müsse auch positive Entwicklungen sehen. So sei die Digitalisierung zwar durch die Überflutung mit Informationen problematisch, aber bei verantwortungsvollem Umgang auch sehr nützlich. Krisen von heute müssten auch als Chance verstanden und durch umfassende Bildungsangebote die Angst vor der Zukunft genommen werden.

Die Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst ging auf die „Zeitenwende“ ein: „Vorzeichen und Rahmenbedingungen ändern sich stetig“, eine objektive Beurteilung der jeweils gegenwärtigen Lage sei immer erst in der Zukunft möglich. Die Botschaft Luthers – „Hier stehe ich und kann nicht anders“ – habe Bekenntniswert und könne als „Hier stehen wir und können anders – oder eben nicht anders“ situationsbedingt ausgelegt werden.

Die rund 80 Gäste bekamen in der Alexanderskirche umfangreiche Informationen und Denkanstöße vermittelt, lediglich der Diskussionscharakter der Veranstaltung wurde etwas vernachlässigt, sodass „Gesprächsrunde“ vielleicht eine bessere Wortwahl als Podiumsdiskussion gewesen wäre. In der begrenzten Zeit konnten auch nur wenige Fragen beantwortet werden.

„Ob eine Verbreitung des Evangeliums auf digitalem Wege sinnvoll sei“, war eine davon. Glaube brauche ein Transportmittel, die heutigen Möglichkeiten zur Kommunikation hätten viele Vorteile, um Menschen zu erreichen, allerdings sei der persönliche Austausch wesentlich wichtiger, meinte dazu Dorothee Wüst. Weitere Fragen gab es zur Einbeziehung der Jugend in der Kirche. Kinder und Jugendliche bräuchten Vorbilder und Orientierung für ein Wertesystem sagte Charlotte Glück dazu.

„Ist die Rettung der Seele im Protestantismus noch ein Thema“, war eine ganz konkrete Frage mit eindeutiger Antwort von der Kirchenpräsidentin: „Sich um das Seelenheil der Gemeindemitglieder zu kümmern, ist kein Auslaufmodell – denken wir nur mal an die Begleitung von Sterbenden“.

Im Allgemeinen müsse man Menschen dazu ermutigen, sich mehr einzubringen und an der Bewältigung von Krisen mitzuarbeiten, sagte Schönwald und Witt zeigte sich überzeugt, dass „die alte Botschaft“ noch weitreichende Geltung hätte, nur müsse sie entsprechend neu „mit mehr Schmagges“ vermittelt werden. Es brauche jedenfalls „mehr Rückgrat, Selbstbewusstsein und Gottvertrauen“ fasste die Kirchenpräsidentin abschließend zusammen.