Piraten können Morgenluft wittern

Demokratie lebt nicht nur davon, dass die Bürger alle vier oder fünf Jahre Kreuzchen machen dürfen. Demokratie lebt auch davon, dass Bürger und Experten mitreden können, bevor Parlamente Entscheidungen treffen. Voraussetzung hierfür ist Transparenz: Bürger müssen vor und nicht erst nach Entscheidungen gut informiert mitreden können. Das ist für Politiker manchmal unbequem und zeitraubend

Demokratie lebt nicht nur davon, dass die Bürger alle vier oder fünf Jahre Kreuzchen machen dürfen. Demokratie lebt auch davon, dass Bürger und Experten mitreden können, bevor Parlamente Entscheidungen treffen. Voraussetzung hierfür ist Transparenz: Bürger müssen vor und nicht erst nach Entscheidungen gut informiert mitreden können. Das ist für Politiker manchmal unbequem und zeitraubend. Aber oft lohnt es sich. Das hat sich auch schon in Zweibrücken gezeigt. So gäbe es heute einen zweistöckigen Roseneingang, das Kanalnetz gehörte für 99 Jahre anonymen US-Investoren und die Festhalle wäre abgerissen und durch einen Neubau ersetzt, wenn der Stadtrat nur hinter verschlossenen Türen diskutiert hätte. Heute gibt es wohl kein einziges Ratsmitglied, der die Ergebnisse bedauert.

Zurzeit allerdings ist in Zweibrücken demokratische Transparenz wieder gefährdet. Dafür gab es diese Woche gleich zwei beunruhigende Beispiele. Eine der wohl wichtigsten Entscheidungen des Jahrzehnts ist der Millionen-Verkauf der Fasanerie. Keine Sekunde hat ein Ratsgremium darüber öffentlich debattiert. Zwar sieht die rheinland-pfälzische Geschäftsordnung für Gemeinderäte vor, Grundstücksangelegenheiten nichtöffentlich zu behandeln. Doch erstens könnte man die politischen Grundsatzfragen öffentlich debattieren und nur für geheimhaltungsbedürftige Details Presse und Bürger ausschließen. Zweitens kann man Geschäftsordnungen auch bürgerfreundlich interpretieren. Andere Kommunen tun dies - wie man diese Woche gleich nebenan sehen konnte: Über eine Auflösung der Beschäftigungsgesellschaft GBI debattierten der Kreistag Südwestpfalz und die Pirmasenser Stadträte öffentlich - der Zweibrücker Rat geheim. Schon Oberbürgermeister Helmut Reichling hatte manches nichtöffentlich auf die Tagesordnung gesetzt, wo man sich fragte, warum. Das fragten damals allerdings auch noch Stadträte - und vieles wurde dann doch öffentlich diskutiert. Die Tagesordnung Kurt Pirmanns anzuzweifeln, gilt dagegen wohl als Majestätsbeleidigung. Dabei gibt es bei Pirmann ja durchaus auch gute Ansätze in Sachen Bürgerbeteiligung, etwa beim Sparen.

Das Transparenz-Defizit in Zweibrücken droht sogar zu wachsen, wenn aus Finanznot immer mehr Aufgaben (wie jetzt die Fasanerie-Gebäude zur Gewobau) zu städtischen Tochterfirmen verlagert werden. Der Stadtrat tagt immerhin in der Regel öffentlich - der Gewobau-Verwaltungsrat nie. Und im Gegensatz zur Stadt ist die Gewobau sogar bei Presseanfragen äußerst zugeknöpft: "Es bleibt dabei, dass ich zu laufenden Angelegenheiten nicht Stellung nehme", beschied Gewobau-Chef Werner Marx noch am Tag der Fasanerie-Entscheidung.

Es ist übrigens nicht nur im Interesse der Bürger und im Interesse guter Entscheidungen, mehr Transparenz zu schaffen: Es sollte auch im Interesse der Ratsparteien sein. Sonst nämlich werden bei der nächsten Wahl wohl die Piraten das Rathaus am Schwarzbach entern.

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