Ukraine-Krieg Thema bei Tilo Brachs Zoom-Gottesdienst Seelisch und emotional schwierige Situation

Winterbach/Zweibrücken · Der Zoom-Gottesdienst aus Winterbach beschäftigte sich mit den Auswirkungen des Ukraine-Krieges und der Flüchtlinge auf uns in der Region ganz persönlich. Er lieferte Informationen für Hilfswillige, sprach mit einem Ehepaar, das Flüchtlinge aufgenommen hat und einem jungen Mann mit einer russisch-deutsch-ukrainischen Familie.

 Tilo Brach mit Nico Baumann von der Jugendzentrale im Zweibrücker Bonhoeffer-Haus.

Tilo Brach mit Nico Baumann von der Jugendzentrale im Zweibrücker Bonhoeffer-Haus.

Foto: Screenshot/Cordula von Waldow

„Gastfrei zu sein vergesst nicht, denn dadurch haben einige, ohne es zu wissen, Engel beherbergt.“ Mit diesem Psalm, gesungen von den Schwarzmeerkosaken zu Bildern aus der Ukraine, stimmte Pfarrer Tilo Brach aus Winterbach auf den Zoom-Gottesdienst zum Thema Flüchtlinge ein. Es gebe im Krieg nicht den Bösen und den Guten, sondern Menschen. Er erinnerte an die christliche Aufgabe der Nächstenliebe, „unsere Menschenwürde gegenseitig achten und respektieren und unsere Möglichkeiten erkennen, einander zu helfen.“

Eine kleine Umfrage zeigte, dass rund die Hälfte der Teilnehmer an fast 50 Bildschirmen Kontakt mit Menschen aus Russland und der Ukraine haben und sich 83 Prozent an Hilfsaktionen beteiligen, allerdings nur knapp die Hälfte selbst Flüchtlinge aufnehmen würde.

Anders Christina und Rainer Ringeisen aus Dellfeld. Sie hatten ein Zimmer leer stehen, fühlten sich gerufen von der Botschaft Jesu „Wen ich euch schicke, den nehmt auf.“ Nun beherbergt das Ehepaar zwei Ukrainerinnen mit jeweils einer Tochter von vier und von 15 Jahren. Die Jugendliche spreche sehr gut Englisch und lerne online zudem weiter an ihrer Heimatschule. Nach anfänglichen Höflichkeiten gingen Gespräche zunehmend in die Tiefe. Seelisch und emotional sei die Situation schwierig, zumal eine Frau zurück wolle zu ihrem Sohn, der Soldat ist. Selbst in einer eigenen, angespannte Familiensituation mit den Senioren zusätzlich zu den Herausforderung mit den Aufgenommenen, bittet Rainer Ringeisen: „Am meisten brauchen wir das Gebet, materiell brauchen wir nichts.“

Das ist bei den Menschen anders, die sich bei Diplom-Sozialpädagogin Sabine Werkle von der Beratungsstelle im Haus der Diakonie in Zweibrücken melden. Die Anliegen der Flüchtlinge seien vielfältig, doch im Vordergrund stehe immer das Ankommen in der Fremde, Zugang zu den Hilfesystemen und Orientierung für die richtigen Anlaufstellen für alle Lebensfragen bis hin zu Kita und Schule sowie die Frage: Wo kann ich wohnen und welche Ausstattung brauche ich noch. Sich Zeit nehmen für eine Eins-zu-Eins-Betreuung, die Flüchtlinge begleiten im Alltag, ein offenes Ohr sei wichtig.

„Gastfrei sein kann schwer werden,“ folgert Tilo Brach. Er riet daher allen Hilfswiligen, sich zu fragen, ob sie dies leisten könnten und wollten. Vertrauen aufbauen, freundschaftlich begleiten – und zwar längerfristig. Mit dem Risiko einer zwischenmenschlichen Enttäuschung, wenn der Kontakt weniger harmonisch gelinge. Der Pfarrer riet daher: „Wer das nicht leisten kann oder will, sollte vorsichtig sein!“

Eine gewisse Vorsicht herrscht auch in der Familien-Kommunikation bei Nico Baumann, Mitarbeiter im Café „‘s Bonni“ in der Dekanats-Jugendzentrale im Bonhoeffer-Haus in Zweibrücken. Nicos Mutter stammt aus Kasachstan und ist Russin, seine Stiefmutter Ukrainerin und sein Vater Deutscher. Die beiden Frauen verstehen sich sehr gut, doch in der Familien-WhatsApp-Gruppe gehe es heiß her: Die ältere Generation sei für Putin, die Jüngeren vielfach anderer Meinung. „Das führt oft zu Konflikten und spaltet viele Familien“, bestätigt Nico Baumann. In der Jugendzentrale seien „Gleichberechtigung und Achtsamkeit der Spirit“.

Tilo Brach warnt: „Es gibt Feindbilder, die falsch sind“ und fordert dazu auf „bei allen Nachrichten kritisch sein und den „Jesus-Filter“ einschalten: Was würde Jesus dazu sagen?“ Die Grenzen der eigenen Belastbarkeit für sich ausloten müssten auch die Gemeinden. Tilo Brach erinnert: „Wir haben als Christen eine Verantwortung, als humanistische Gesellschaft“. Es reiche nicht, Solidarität im Munde zu führen. Die Kirche selbst, sowohl die eigene Gemeinde Winterbach-Battweiler-Oberauerbach als auch die Kollegen im Dekanat seien dabei, ihre Ressourcen zu checken, um Hilfsangebote zu entwickeln.

Bei Materialspenden sei es sinnvoll, den Bedarf abzufragen, statt wahllos etwas zu geben. Dabei gelte es, Netzwerke zu suchen und bereits laufende Aktionen zu unterstützen. Dafür werde Geld benötigt, so dass er einen Spendenaufruf auf das Dekanats-Konto startete. 2016 wurde das Spendengeld unter anderem in eine Aktion für Kinder investiert.

Spenden zur Unterstützung der Ukraine-Flüchtlinge auf das Konto beim protestantischen Verwaltungsamt Zweibrücken, IBAN DE06 5425 0010 0034 3269 75, Zweck: Zoom Winterbach Ukraine.

 Tilo Brach im Gespräch mit Rainer und Christina Ringeisen, die Flüchtlinge aufgenommen haben.

Tilo Brach im Gespräch mit Rainer und Christina Ringeisen, die Flüchtlinge aufgenommen haben.

Foto: Screenshot/Cordula von Waldow

Der nächste Zoom-Gottesdienst aus Winterbach findet statt am Muttertag, 8. Mai, unter dem Thema: „Bei Mutti schmeckt‘s am besten – Wohlbefinden für Leib und Seele“ Dafür wird gebeten, Bilder vom traditionellen Familienessen oder dem Lieblingsessen mit Rezept einzusenden an tilo.brach@evkirchepfalz.de

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