Serie Die Ausstellung „Ein halber Quadratmeter Freiheit“ Perspektiv-Wechsel

Zweibrücken · Noch bis Ende der Woche sind Werke von Strafgefangenen im Schloss und im Stadtmuseum zu sehen. In einer kleinen Serie stellen wir die Ausstellung näher vor.

 Der Maler Daniel malt sich als Opfer der US-Justizbürokratie.

Der Maler Daniel malt sich als Opfer der US-Justizbürokratie.

Foto: cvw

Die aktuelle Ausstellung im Zweibrücker Stadtmuseum ist anders, ganz anders als alle bisherigen. Das liegt nicht nur an der Zweiteilung der Standorte zwischen Stadtmuseum und Schloss, auf die insgesamt rund 90 Exponate, vorwiegend Bilder sowie einige Skulpturen, verteilt sind. Das liegt vor allem an den Künstlern. Sie stammen aus unterschiedlichen Ländern rund um den Globus, Männer, Frauen, Jugendliche. Und doch haben sie eines eines gemeinsam: Sie alle sitzen im Gefängnis.

„Ein halber Quadratmeter Freiheit - Bilder aus der Haft“ ist die Wanderausstellung überschrieben, die der Berliner Verein „Art & Prison“ konzipiert und gemeinsam mit Museumsleiterin Charlotte Glück auf Zweibrücken zugeschnitten hat. Noch bis Ende August ist sie zu sehen. Als alte Justizstadt mit gleich zwei Gerichten sowie einer Justizvollzugsanstalt, ist Zweibrücken für dieses Thema prädestiniert.

Was an dieser Ausstellung so besonders bewegt, sind die Schicksale der Menschen, die sonst, sobald das Urteil gesprochen ist, völlig aus dem Blick der Öffentlichkeit verschwinden. „Knapp fünf Prozent aller Gefängnisinsassen sitzen dort wegen Mord und Schwerverbrechen, sie sind absolut in der Minderzahl“, weiß die Berliner Kuratorin Cornelia Schmidt-Harmel. Sie hat selbst etliche Gefängnisse weltweit besucht. Mit den Krimis im Deutschen Fernsehen habe die Wirklich „nichts, aber auch gar nichts zu tun“.

Gerichte haben die Inhaftierten für schuldig befunden. Manche der Bilder geben eine Idee davon, dass die Gefangenen und ihre Angehörigen das als Ungerechtigkeit empfinden. Beispielhaft ist das Bild im ersten Museumsraum von Daniel aus den USA, der von den Stapeln seiner unbeantworteten Anträge vor Gericht schier erschlagen wird, während der Boden unter seinen Füßen schwindet.

Zahlreiche Bilder thematisieren Polizeigewalt. Besonders ergreifend wirkt das Schwarzweiß-Bild von José aus Mexiko mit dem „Todes-Engel“. Die Frau mit den Engelsflügeln und dem brutalen Antlitz mit stechenden Augen, gebiert den Polizeistaat. Oben rechts hat sich der Künstler selbst porträtiert. Hier spiegelt sich noch mehr: die Polarisierung von weiß und schwarz, gut und böse.

„Wer sich mit den Inhaftierten, ihren Schicksalen, ihrer Behandlung vor Gericht und in den Gefängnissen auseinandersetzt, kommt nicht umhin, auch hier sein Weltbild von Schuld und Sühne, Täter und Opfer zu überdenken“, weiß Peter Echtermayer. Dreißig Jahre lang war der katholische Gefängnisseelsorger und Vereinsvorsitzende von „Art & Prison“ weltweit unterwegs, hat Gefängnisse mit den unterschiedlichsten, zum Teil unwürdigen, Haftbedingungen und menschenverachtendem Umgang mit den Inhaftierten erlebt.

Menschenwürde ist ein anderes Thema, das sich in den durchweg vielschichtigen, subtile Botschaften aussendenden Kunstwerken spiegelt. Dabei wird keineswegs nur die eigene Freiheitsberaubung thematisiert. Gleich mehrere Bilder aus Deutschland und Irland greifen das Schicksal der Bootsflüchtlinge auf – lange vor den öffentlichen Medien. Kunst aus dem Knast ist für die Inhaftierten eine mögliche Ausdrucksform der Kritik an der Gesellschaft.

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