Schiedskommission entscheidet gegen prominenten Zweibrücker Sozialdemokraten SPD schließt Rebell Dirk Schneider auch aus der Partei aus

Zweibrücken · Er habe sich „sich rücksichtlos zur Durchsetzung persönlicher Interessen über die Belange der Partei hinweggesetzt“, urteilt die Schiedskommission.

 Mit Dirk Schneider gab es bei der Beigeordneten-Wahl am 18. September im Stadtrat (Bild) plötzlich einen zweiten SPD-Kandidaten, der aber fast nur die AfD begeisterte. Am Ende war lachende Dritte Christina Rauch (CDU).

Mit Dirk Schneider gab es bei der Beigeordneten-Wahl am 18. September im Stadtrat (Bild) plötzlich einen zweiten SPD-Kandidaten, der aber fast nur die AfD begeisterte. Am Ende war lachende Dritte Christina Rauch (CDU).

Foto: Lutz Fröhlich

„Dirk Schneider wird aus der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands ausgeschlossen.“ Das hat am Donnerstagmittag Juan Carlos Pendon Reyes mitgeteilt, Geschäftsführer des SPD-Unterbezirks Pirmasens-Zweibrücken. Schneider war vergangenen September bei der Wahl zum neuen Beigeordneten der Stadt Zweibrücken gegen den zuvor offiziell von der SPD nominierten Thilo Huble angetreten.

Die Unterbezirks-Schiedskommission hat nach der mündlichen Verhandlung vom 28. Januar laut Pendon beschlossen: „Die Schiedskommission kann keine Umstände erkennen, die ausnahmsweise Anlass geben könnten, von einem Parteiausschluss abzusehen und eine mildere Sanktion zu verhängen. Sie bewertet das Verhalten des Antragsgegners als gravierenden Verstoß gegen den Grundsatz der innerparteilichen Solidarität. Der Antragsgegner hat sich rücksichtslos zur Durchsetzung persönlicher Interessen über die Belange der Partei hinweggesetzt. Es stand ihm frei, sein Interesse an einer Nominierung für die Kandidatur in der hierfür einberufene Delegiertenversammlung anzumelden und sich dem demokratischen Auswahlverfahren zu stellen. Von dieser Möglichkeiten hat der Antragsgegner keinen Gebrauch gemacht; er hat sich vielmehr bewusst außerhalb des demokratischen Auswahlprozesses gestellt und sich über die innerparteilichen Willensbindung hinweggesetzt. Ein solches Verhalten ist mit der Mitgliedschaft in der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands unvereinbar (§ 6 Absatz 1 Buchstabe c Organisationsstatut). Als Sanktion kommt nach der Überzeugung der Schiedskommission allein der Ausschluss aus der Partei in Betracht.“

Der SPD-Unterbezirk hatte den Parteiausschluss Schneiders beantragt, nachdem die Stadtratsfraktion ihn im Oktober bereits einstimmig aus der Fraktion geworfen hatte (wir berichteten). Geleitet wird die Schiedskommission von Wolfgang Ball aus Lemberg, der bis zu seinem Ruhestand 2014 Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof war.

Schneider kann gegen den Beschluss der Schiedskommission binnen zwei Wochen Berufung bei der Landesschiedskommission der SPD Rheinland-Pfalz einlegen. Tut er dies? „Ich bin in der Prüfungsphase“, antwortete Schneider auf Merkur-Anfrage. Auch kommentieren wolle er den Ausschluss derzeit nicht. Verraten könne er aber: „Viele Leute sagen mir, dass ich da nicht noch viel Zeit und Kraft hineininvestieren sollte.“

Der SPD-Unterbezirk begrüße die Entscheidung der Schiedskommission, schreibt Geschäftsführer Pendon. Denn: „Durch seine Kandidatur für das Amt des zweiten hauptamtlichen Beigeordneten der Stadt Zweibrücken gegen von der SPD satzungsrechtlich korrekt nominierten Kandidaten wurde öffentlich der Eindruck einer tief zerrissenen und zerstrittenen Partei erweckt, der dem Ansehen der SPD in Zweibrücken schweren Schaden zugefügt hat.“ (Erster Beigeordneter ist Bürgermeister Christian Gauf.)

Die internen SPD-Querelen hatten mit dazu beigetragen, dass die CDU nun (bei 11 von 40 Ratssitzen) die Mehrheit im dreiköpfigen Zweibrücker Stadtrat hat: Zum Nachfolger des in Pension gegangenen Sozialdemokraten Henno Pirmann wählte der Rat Christina Rauch (CDU). Huble, dem Beobachter vor der Kandidatur Schneiders beinahe so gute Siegchancen wie Rauch zugetraut hatten, schaffte es (auch wegen eines zweiten, noch unbekannten, Abweichlers in der SPD-Fraktion) nicht einmal in den letzten Wahlgang, in dem Rauch sich dann hauchdünn gegen Norbert Pohlmann (Grüne) durchsetzte. SPD-Fraktionschef Stéphane Moulin hatte nach der nur von der AfD begeistert aufgenommenen Vorstellungsrede Schneiders im Stadtrat ihm zudem „Fischen am rechtsextremen Rand“ vorgeworfen. Davon ist im oben zitieren Ausschluss-Beschluss der Schiedskommission allerdings keine Rede.

Schneider war ein langjähriger Hoffnungsträger der Zweibrücker SPD. Der 53-Jährige ist seit 20 Jahren im Stadtrat und hatte bei Ratswahlen immer sehr viele Personenstimmen auch von Wählern anderer Parteien bekommen. Dazu trug – neben seinen Aktivitäten als Bau- und Umweltexperte und seiner Herkunft aus einer sehr angesehenen sozialdemokratischen Familie – offensichtlich auch seine Eigenschaft als Querdenker bei. 2010 nominierte die SPD Schneider für die Landtagswahl 2011 als Ersatzkandidat für Fritz Presl – es galt als offenes Geheimnis, dass Presl im Laufe der Legislaturperiode aus Altersgründen seinen Sitz für Schneider freimachen würde, wenn dieser ein Mindestmaß innerparteilicher Disziplin zeigt. Schneider wäre dann als Landtagsabgeordneter Nach-Nachfolger seiner Mutter Ingrid Schneider geworden.

Doch die Disziplin zeigte Schneider zum Ärger vieler Parteifreunde nicht: In einer Stadtratssitzung am 30. März 2011 griff er in Zusammenhang mit Gewerbegebietsplänen für die Truppacher Höhe nicht nur den damaligen parteiunabhänigen Oberbürgermeister Helmut Reichling als „Zerstörungsplaner“ an, sondern auch Verbandsbürgermeister Kurt Pirmann (SPD) – mitten im Wahlkampf, in dem Pirmann für das Zweibrücker OB-Amt kandidierte. „Wutbürger werden die Naturzerstörungs-Verantwortlichen sicher nicht wählen. Herr Oberbürgermeister Professor Doktor Helmut Reichling, Herr Verbandsbürgermeister Kurt Pirmann und weitere Zerstörungsplaner, seid geweckt, seid vorsichtig, Finger weg von diesem Plan“, hatte Schneider wörtlich gesagt. Statt des daraufhin bereits angestrebten Fraktionsausschusses einigen sich die SPD-Fraktion und Schneider darauf, dass er die Mitgliedschaft für ein Jahr ruhen lässt, als stellvertretender Fraktionschef musst er zurücktreten.

Nach einem vorfalllosen Jahr kehrte er in die Fraktion zurück – die er nach dem neuen Eklat siebeneinhalb Jahre später dann endgültig verlassen musste. In der SPD ist Schneider seit dreieinhalb Jahrzehnten bis jetzt ununterbrochen Parteimitglied gewesen.

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