„Junges Leben am Himmelsberg“: Lebenshilfe verliert Klage gegen Stadt Zweibrücken Fußweg-Verweigerung für Behinderte rechtens

Zweibrücken · „Junges Wohnen am Himmelsberg“ darf wie geplant gebaut werden: Die Lebenshilfe scheitert beim Oberverwaltungsgericht mit ihrer Klage dagegen, dass die Stadt im Bebauungsplan keinen Fußweg für die Bewohner des benachbarten Behindertenheims vorsieht.

 Die Erdarbeiten für das erste Haus im Baugebiet „Junges Wohnen am Himmelsberg“ haben bereits begonnen. Hinten (hellgelb) das Lebenshilfe-Heim.

Die Erdarbeiten für das erste Haus im Baugebiet „Junges Wohnen am Himmelsberg“ haben bereits begonnen. Hinten (hellgelb) das Lebenshilfe-Heim.

Foto: Nadine Lang

Vor zwei Monaten noch hatte das Oberverwaltungsgericht Rheinland Pfalz (OVG) der Stadt Zweibrücken eine empfindliche Niederlage bereitet – und den Bebauungsplan „Quartier Alte Brauerei“ gekippt. Jetzt hat das OVG ein anderes Neubaugebiet in Zweibrücken gebilligt – und mit klaren Worten die Normenkontrollklage der Lebenshilfe gegen „Junges Wohnen am Himmelberg“ zurückgewiesen. Dort sind 13 Ein- und Zweifamilienhäuser geplant, auf dem Gelände des abgerissenen Krankenhaus-Altbaus.

Klare (sehr emotionale) Worte hatte es dazu schon beim Bebauungsplan-Beschluss Ende 2019 im Zweibrücker Stadtrat gegeben. Die Lebenshilfe hatte kritisiert, dass der Bebauungsplan das Gelände gegen die 24 geistig behinderten Bewohner seines benachbarten „Haus Birke“ abschotte – und gebeten, einen Fußweg vom Wendehammer des Sträßchens durchs Neubaugebiet zum „Haus Birke“ anzulegen.

Mit 28 zu 9 Stimmen wies der Rat den Wunsch der Lebenshilfe Zweibrücken e. V. zurück, dies im Bebauungsplan festzuschreiben. Die Minderheit empfand dies als behindertenfeindliches Signal gegen Inklusion. Die Mehrheit wollte den Häulebauern nichts vorschreiben, zumal es für die Lebenshilfe doch alternative Fußweg-Optionen gebe.

In seinem Urteil (Aktenzeichen: 8 C 11363/20.OVG) sieht das Oberverwaltungsgericht keinerlei Rechtsverstöße in dem Bebauungsplan.

Die OVG-Mitteilung vom Dienstag erläutert zunächst das Motiv der Lebenshilfe: „Mit seinem gegen den Bebauungsplan gestellten Normenkontrollantrag machte der Antragsteller geltend, die Stadt Zweibrücken habe das Interesse der Bewohner der Behinderteneinrichtung nicht hinreichend bei ihrer Abwägung berücksichtigt. Durch die vorgesehene Bebauung würden die Bewohner der Einrichtung gegenüber dem Wohngebiet ausgegrenzt. Es verbleibe nur die Möglichkeit, entlang der stark befahrenen Steinhauser Straße zum Wohnheim zu gelangen oder von hier aus den Weg in die Innenstadt anzutreten.“

Das OVG begründet seine Entscheidung, die Stadt habe „keinen Abwägungsfehler“ gemacht. Denn der Wunsch der Lebenshilfe nach einem weniger gefährlichen Fußweg in die Innenstadt sei „bei der Beschlussfassung über den Bebauungsplan berücksichtigt und im Ergebnis nicht fehlerhaft abgewogen worden“. Auch aus der UN-Behindertenrechtskonvention ergebe sich „kein Anspruch darauf, dass Integration und Inklusion in einer bestimmten Weise zu erfolgen hätten“. Dem von der Lebenshilfe verfolgten Interesse „war bei der Abwägung vielmehr das Interesse der durch eine Zuwegung betroffenen Grundstückseigentümer gegenüberzustellen, die Grundstücke möglichst umfassend bebauen zu können, das seine Grundlage in dem in Artikel 14 Grundgesetz gewährleisteten Eigentumsrecht finde“, schreibt das OVG.

Und dann richtete das Gericht deutliche Worte an die Lebenshilfe, die ihr Wohnheim selbst an die vielbefahrene Steinhauser Straße gebaut hatte: Es sei „zu berücksichtigen, dass die derzeitige Situation durch die Lage des Wohnheims des Antragstellers an der Steinhauser Straße vorbelastet“ sei. Die Lebenshilfe habe „sich in der Vergangenheit nicht veranlasst gesehen, eventuelle Nachteile der Erschließungssituation an der Steinhauser Straße durch eine hindernisfreie rückwärtige Anbindung an die Obere Denisstraße abzumildern. Denn, so das OVG: Es wäre möglich, „vom Wohnheimgelände aus zur östlich verlaufenden Oberen Denisstraße zu gelangen“, die eine Wohnstraße ohne Durchgangsverkehr sei: „Hiermit könnten die Bewohner der Einrichtung unter Inanspruchnahme des eigenen Geländes die Steinhauser Straße umgehen.“

Außerdem führe der angegriffene Bebauungsplan nicht zu einer Ausgrenzung der Behinderteneinrichtung, begründet das OVG seine Entscheidung weiter. Vielmehr werde das Wohnheim „innerhalb des Straßenkarrees in eine unmittelbare Nachbarschaft mit den neuen Wohnhausgrundstücken eingebunden“. Auch bestehe „kein erhebliches Hindernis für die Bewohner der Einrichtung, mit ihrer Umwelt in Kontakt zu treten und soziale und kulturelle Einrichtungen in der Innenstadt zu nutzen.“ So sei es bereits derzeit möglich, in begleiteten Kleingruppen über den Bürgersteig entlang der Steinhauser Straße und der hiervon mit leichtem Gefälle in südwestlicher Richtung abzweigenden Ringstraße den Weg in die Innen­stadt anzutreten, ohne die stark befahrene Steinhauser Straße kreuzen zu müssen.

Oberbürgermeister Marold Wosnitza (SPD) begrüßte die Entscheidung der Koblenzer Richter auf Merkur-Anfrage: „Das OVG hat sich unserer Perspektive angeschlossen und deutlich gemacht, dass wir formal keinen Fehler gemacht haben. Es ist eine positive Nachricht für die Besitzer, dass das Projekt weiterentwickelt werden kann.“

Lebenshilfe-Vorstand Fred Konrad kommentierte das Urteil auf Merkur-Anfrage: „Wir sind natürlich enttäuscht.“ Man könne den Bewohnern nur „viel Glück wünschen“, wenn sie entlang der viel befahrenen Steinhauser Straße laufen.

Aber könnte die Lebenshilfe nun, da ihr Wunsch-Fußweg endgültig nicht realisierbar ist, die Anbindung an die Obere Denisstraße verbessern? Das sei nicht praktikabel, erläuterte Konrad. Aufgrund des steilen Geländes müsste man einen langen „Zickzack-Kurs“ bauen, um vom Lebenshilfe-Grundstück Rollstuhlfahrern die Obere Denisstraße erreichbar zu machen. Zudem gebe es schon immer eine barrierefreie Zugangsmöglichkeit, wenn man im Gebäude erstmal mit dem Aufzug in den ersten Stock fahre und von dort über einen Balkon auf die Obere Denisstraße gelange. Diese aber sei „nicht verkehrsberuhigt und meist beidseitig zugeparkt“.

Ein Visions-Fünkchen hat Konrad noch: „Zweibrücker könnten sich zusammentun und eines der beiden Grundstück kaufen, dass man für den Fußweg bräuchte, und für diesen auf die Garage verzichten.“ Die Lebenshilfe habe einen Kauf früher auch schon mal selbst angeboten, aber ohne Reaktion.

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