Zweibrücken Jugendamt wartet gespannt auf für heute erwartete neue Landesregeln für Kindertagesstätten Keine Corona-Fälle in Zweibrücker Kitas

Zweibrücken · Mediziner und Soziologen fordern, schnell wieder alle Kinder in die Kitas zu lassen. Aufgrund der Landes-Vorgaben darf derzeit in Zweibrücken nur jedes achte Kind in seine Kita. Obwohl die Notbetreuung immer stärker genutzt wird, sind dort noch viele Plätze frei.

 Auch aus pädagogischen und sozialen Gründen sind die weitgehenden Kita-Schließungen schmerzlich. Doch neue Regeln stehen kurz bevor.

Auch aus pädagogischen und sozialen Gründen sind die weitgehenden Kita-Schließungen schmerzlich. Doch neue Regeln stehen kurz bevor.

Foto: dpa/Britta Pedersen

In der Bundesliga rollt der Ball wieder, doch in Kindergärten wird noch kaum gespielt. Am Freitag, den 13. März hatte die rheinland-pfälzische Regierung bekanntgegeben: Die Kitas im Land werden ab sofort bis auf wenige Notgruppen geschlossen. Und während Rheinland-Pfalz etwa bei den Outlet-Centern schon längst zu den Vorreitern bei Lockerungsmaßnahmen in der Corona-Krise gehörte, gibt es auch zehn Wochen danach weiterhin nur Notbetreuung in den Kitas.

Diese Notbetreuung allerdings wird in Zweibrücken von Woche zu Woche stärker in Anspruch genommen, berichtet Jugendamtsleiter (Verwaltung) Jörg Klein auf Merkur-Anfrage. Noch in der zweiten Schließungs-Woche nutzten nur 13 Kinder dieses Angebot, in der ersten Woche nach den Osterferien waren es schon 67 und vergangene Woche 177 Kinder, fasst Klein die Zahlen der städtischen und kirchlichen Kitas in Zweibrücken zusammen. Der Amtsleiter (gemeinsam mit Petra Buchmann, Pädagogik) nennt hierfür vor allem zwei Gründe. Zum einen habe das Land die Zugangsregeln etwas gelockert: Anfangs durften nur Kinder von Eltern aus „systemrelevanten“ Berufen die Notbetreuung in Anspruch nehmen, mittlerweile Kinder von allen Eltern, die beide berufstätig sind und keine andere Betreuungsmöglichkeit haben. Zum anderen gingen nun auch wieder mehr Eltern zu Arbeit.

Trotz des deutlichen Anstiegs der Zahlen ist auch jetzt noch eine zwei- bis dreistellige Zahl von Notbetreuungs-Plätzen frei, berichtet Klein. Dennoch mussten aufgrund der Landes-Vorschriften einige Anfragen von Eltern abgelehnt werden, weil sie die Betreuungs-Vorgaben nicht erfüllen (die genaue Zahl ist nicht erfasst).

Aus der Landesregierung gebe es Signale, dass wahrscheinlich diesen Mittwochnachmittag neue Regeln für die Kitas verkündet werden, berichtet Klein: „Wir sind gespannt.“ Wobei das Zweibrücker Jugendamt darauf hofft, dass es nicht ganz so spannend wird wie am 13. März, als erst am Freitagnachmittag die bereits für den folgenden Montag geltenden völlig neuen Regeln erlassen wurden. Einen entsprechenden Wunsch habe man auch über den rheinland-pfälzischen Städtetag geäußert. Klein hofft darauf, dass sich Signale aus Mainz bestätigen, dass diesmal die neuen Regeln erst ab Anfang Juni gelten.

Der in Käshofen lebende Kinderarzt und Grünen-Politiker Dr. Fred Konrad hatte bereits Mitte April – bis jetzt vergeblich – auf das Wiederhofahren des regulären Kita-Betriebs gedrängt (wir berichteten): Leidtragende seien vor allem unterprivilegierte Menschen. „Ich durfte als Kinder- und Jugendarzt erleben, welche immensen Fortschritte gerade die frühkindliche Bildung in den letzten Jahren gemacht hat. Auch und vor allem bei Kita-Kindern aus bildungsfernen Familien gefährdet eine mehrmonatige Kita-Schließung die Bildungsfähigkeit einer Kita-Generation.“ Am Dienstag hat Dr. Konrad für seine Forderungen massiven Rückenwind bekommen: Vier bundesweite medizinische Fachgesellschaften fordern, die Kitas „möglichst zeitnah“ wieder zu eröffnen, und zwar ausdrücklich „ohne massive Einschränkungen“ wie Kleinstgruppen, Abstandsregeln oder Maskenpflicht – denn das Corona-Risiko für Kinder sei sehr gering, Erwachsene würden von Kindern kaum angesteckt (Bericht: Seite 1).

Das bestätigen auch die bisherigen Erfahrungen in Zweibrücken. Trotz der mittlerweile 177 Kinder in den Notgruppen sei bislang weder ein Kita-Kind noch Betreuungspersonal an Covid-19 erkrankt, berichtet Jugendamtsleiter Klein.

Nicht nur viele Mediziner, sondern auch viele Sozialwissenschaftler warnen, dass infolge der langen Kita-Schließungen Vernachlässigung, häusliche Gewalt und sexueller Missbrauch in Familien zunehmen und unentdeckt bleiben. Merkur-Leser Rolf Omlor, selbst Diplom-Soziologe, schreibt: „. In der Vergangenheit hatte hier der Kindergarten eine ganz wichtige Funktion. Hier hatten die Kinder entsprechende Ansprechpartner, denen sie sich anvertrauen konnten. Dieses Frühwarnsystem ist seit Wochen lahmgelegt. Die Kinder sind zuhause allein gelassen.“

Ob es schlimme Auswirkungen der Kita-Schließungen auf Kinder gibt, sei „noch schwer abzuschätzen“, sagt Jugendamtsleiter Klein. Bislang beobachte das Zweibrücker Jugendamt noch keinen Anstieg solcher familiärer Probleme. „Große Angst habe ich momentan auch nicht.“ Klein schränkt aber ein, da spreche er nur für das „ländlich geprägte Zweibrücken“ – hier hätten Kinder viel mehr Chancen, trotz der Corona-Beschränkungen aus dem Haus und in die Natur zu kommen als zum Beispiel in Ballungszentren. Seit vergangener Woche nutze das Jugendamt aber auch die vom Land geschaffene Ausnahmemöglichkeit, auch Eltern gezielt einen Kita-Besuch ihrer Kinder anzubieten, „wenn wir das pädagogisch für notwendig erachten“. Klein schränkt zudem ein, dass vor allem in den ersten Wochen der Corona-Krise auch weniger Hausbesuche möglich waren, dieses „Frühwarnsystem“ werde jetzt wieder hochgefahren.

Insgesamt sind in den Zweibrücker Kitas derzeit über 1300 Kinder angemeldet – das heißt, trotz des Anstiegs geht fast jedes achte Kind derzeit nicht in seine Kita. Ein sofortiges Wiederhochfahren des regulären Kita-Betriebs wäre aber nicht möglich, wünscht sich Klein in nächster Zeit erstmal „einen Schichtbetrieb wie in den Schulen“, damit nicht zu viele Kinder auf zu engem Raum sind. Dabei seien nicht die Räume das große Problem: Man könne nicht einfach kleinere Gruppen schaffen, weil die Gruppenzahl a) in der nur unter Beteiligung zahlreicher Stellen änderbaren Betriebserlaubnis jeder Kita festgelegt sei und b) man dafür auch gar nicht genug Personal habe, zumal Erzieher aus Risikogruppen derzeit nicht in Kitas arbeiten könnten. In Mainz angeregt hat das Zweibrücker Jugendamt auch, zum Wiederhochfahren des Kita-Betriebs beim Personaleinsatz etwas flexibler sein zu dürfen, um den von Klein angestrebten Schichtbetrieb zu erleichtern: „Zum Beispiel, morgens in der ersten Stunde, wenn noch wenige Kinder in der Kita sind, diese Kinder von Erziehern aus verschiedenen Gruppen betreuen zu lassen, damit um sieben Uhr nicht schon die ganze Besetzung da sein muss.“

Insgesamt gibt es in Zweibrücken zehn städtische Kitas (plus sechs Spiel- und Lernstuben), zwölf protestantische und eine katholische Kita. Mit den kirchlichen Trägern sei man derzeit im wöchentlichen Kontakt: „Die Zusammenarbeit funktioniert sehr gut, auch die Notbetreuung ist ziemlich einheitlich geregelt.“ Mittlerweile habe jede Kita eine Notbetreuung, zuletzt seien noch die Spiel- und Lernstuben hinzugekommen.

Kurzarbeit musste für keine der rund 170 städtischen Kita-Kräfte beantragt werden, berichtet Klein: „Die nicht bei der Notbetreuung gebraucht werden, sind im Homeoffice und machen dort zum Beispiel Verwaltungsaufgaben und Dokumentation, bereiten Projekte vor und kümmern sich um die Portfolio-Arbeiten der Kinder.“

 Der Zweibrücker Jugendamtsleiter (Verwaltung) Jörg Klein.

Der Zweibrücker Jugendamtsleiter (Verwaltung) Jörg Klein.

Foto: Jan Althoff

Zum Hygieneschutz erläutert Järg Klein, dass Abstandsregeln wie in Schulen bei Kita-Kindern natürlich nicht praktikabel sind. Erziehern ist freigestellt, ob sie Masken tragen. Außer dem Personal und den Kindern darf derzeit niemand in die Kitas, Kinder werden am Eingang abgeholt, wo die Eltern dann Masken tragen müssen.

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