Statt Modellkommune-Lockerungen erstmal Lockdown-Verschärfung Nur noch Termin-Shopping in Zweibrücken

Zweibrücken · Zweibrücken hat zwar die zweitniedrigste Inzidenz in Rheinland-Pfalz. Weil sie drei Tage über 50 liegt, darf man ab sofort aber nicht mehr ohne Anmeldung in die Geschäfte. Diese Regel ist vom Land nur sehr schlecht kommuniziert.

 Walter Tomelleri vom gleichnamigen „Shoes & Outdoor Store“ gehört zu den wenigen Geschäftsleuten, die am Dienstagnachmittag schon am Schaufenster über das ab Mittwoch nur noch erlaubte Einkaufen per nach Terminvereinbarung geworben hat.

Walter Tomelleri vom gleichnamigen „Shoes & Outdoor Store“ gehört zu den wenigen Geschäftsleuten, die am Dienstagnachmittag schon am Schaufenster über das ab Mittwoch nur noch erlaubte Einkaufen per nach Terminvereinbarung geworben hat.

Foto: Lutz Fröhlich

Während die Stadt Zweibrücken sich wegen ihrer konstant relativ niedrigen Corona-Zahlen darauf vorbereitet, Modellkommune für Coronaschutz-Lockerungen zu werden, wird der Lockdown jetzt erst einmal verschärft.

Wichtigste Einschränkung: Ab Mittwoch ist in der Rosenstadt in den meisten Geschäften Einkaufen nur noch nach Termin-Vereinbarung erlaubt (Ausnahmen: Lebensmittel, Drogerien, Babysachen, Apotheken, Sanitätshäuser, Reformhäuser, Tankstellen, Banken, Poststellen, Reinigungen, Zeitungen/Zeitschriften, Buchhandlungen, Baumärkte, Tierbedarf, Blumen, Garten sowie Abhol-, Liefer- und Bringdienste).

Die Neuregelung kommt für weite Teile der Öffentlichkeit überraschend. Denn die „Allgemeinverfügung“ der Stadt weicht von Paragraph 5 der aktuellen 18. rheinland-pfälzischen Corona-Bekämpfungsverordnung (CoBeLVO) ab, der Geschäftsbesuche mit Maske und ausreichend Abstand erlaubt – von Termin-Shopping ist in der gesamten Verordnung keine Rede. Und auch auf der Internetseite „www.corona.rlp.de“ der Landesregierung heißt es „Stand 12.04.2021“ im Bereich Was darf ich, was nicht? A - Z Corona-Regeln“ unter dem Stichwort „Einzelhandel“: Der Einzelhandel ist unter Beachtung der allgemeinen Schutzmaßnahmen geöffnet. Es gelten das Abstandsgebot, die verschärfte Maskenpflicht und die Personenbegrenzung.“ Von der Notwendigkeit zu Termin-Shopping ab einer bestimmten Inzidenz (Zahl der Neuinfektionen in den letzten Tagen umgerechnet auf 100 000 Einwohner) ist auch dort keine Rede.

Aber genau mit der Inzidenz wird jetzt das Termin-Shopping in Zweibrücken begründet: Die Inzidenz habe „an drei Tagen in Folge den Wert von 50 überstiegen“, heißt es in der städtischen Allgemeinverfügung.

Diese Verfügung hat die Stadt allerdings nicht aus freien Stücken erlassen – sondern lediglich eine Muster-Verfügung der Landesregierung „ein zu eins umgesetzt“, wie Stadtsprecher Jens John am Nachmittag auf Merkur-Anfrage sagte.

Der Merkur hatte bei Stadt und Mainzer Gesundheitsministerium angefragt, nachdem das „Zweibrücken Fashion Outlet“ über Facebook mitgeteilt hatte, dass ab Mittwoch nur noch Termin-Shopping möglich sei. Eine Ministeriumssprecherin räumte ein, dass es vielleicht sinnvoll wäre, die Darstellung auf www.corona.rlp.de im „A - Z Corona-Regeln“ um Hinweise zu ergänzen, dass die Regeln abhängig von der Inzidenz sind. Eine Pressemitteilung des Landes, dass bei Inzidenzen zwischen 50 und 100 in Rheinland-Pfalz nur noch Termin-Shopping erlaubt werden solle, hatte es nicht gegeben.

Auch wenn die entsprechenden Regeln für Bürger schwer zu finden sind: Rechtlich ist die Grundlage für das Termin-Shopping eindeutig. Denn zwar ist davon in Paragraph 5 der CoBeLVO, wo es um Einzelhandel geht, wie oben geschildert keine Rede (auch nicht nach deren Änderung am 10. April). Wer aber beim Lesen bis § 23 durchhält, fand dort schon seit 20. März den Hinweis, dass bei drei Tagen Inzidenz über 50 Kommunen Allgemeinverfügungen mit „zusätzlichen Schutzmaßnahmen“ erlassen müssen, Näheres regele eine Muster-Allgemeinverfügung. Dies ist im Abschnitt „Rechtsgrundlagen“ auf www.corona.rlp.de auch zu finden – einschließlich Termin-Pflicht beim Einkaufen bei Inzidenzen von 50 bis 100.

Dies also ist nun in Zweibrücken umgesetzt worden. Mehrere Einzelhändler, mit denen der Merkur am späten Dienstagnachmittag sprach, waren auf die Entscheidung zwar vorbereitet, weil sie die Inzidenz-Entwicklung verfolgt hatten – einige kritisierten aber, dass die Stadt sie nicht informiert habe.

In einer nach der Merkur-Anfrage gemailten Pressemitteilung informierte die Stadtverwaltung nicht nur über die Pflicht zur Terminvereinbarung beim Einkaufen (die auch für Büchereien und Archive, aber nicht für Buchhandlungen gilt), sondern auch über weitere Einschränkungen durch die Allgemeinverfügung: „Des Weiteren ist das Ausüben von Einzelsportarten nur noch maximal fünf Personen aus zwei Haushalten, nur im Freien und nur unter stetigem Einhalten des Abstandsgebotes erlaubt. Gruppentraining darf nur noch von bis zu 20 Kindern (maximal 14 Jahre) zuzüglich TrainerIn, nur im Außenbereich und nur unter stetigem Einhalten des Abstandsgebotes erlaubt. Für den Bereich der Breiten- und Laienkultur wird Proben- und Auftrittsbetrieb untersagt.“

Die Allgemeinverfügung gelte zunächst bis zum 25. April. „Sollte die Stadt Zweibrücken an sieben aufeinanderfolgenden Tagen den Inzidenzwert von 50 Infizierten auf 100 000 Einwohner unterschreiten, so wird die Allgemeinverfügung außer Kraft gesetzt.“

Outlet-Kunden kommen ja oft nicht wegen eines einzelnen Geschäfts in das Center, sondern um dort von Shop zu Shop zu bummeln. Marketing-Director Torsten Wiegelmann beruhigt aber: Wenn noch Termine frei sind, könne man auch vor Ort über QR-Codes an den Schaufenstern noch Termine buchen, falls man außer in die von zuhause reservierten noch in weitere Läden möchte. Beim ersten Termin-Shopping hätten viele Kunden auch „das exklusive Shopping-Erlebnis“ geschätzt.

„Ich war sehr überrascht, wir haben von der Stadt keine Info erhalten“, erzählte kurz vor Ladenschluss Karl-Heinz Müller, Chef des Musikhaus Müller, dass er erst über die Facebook-Meldung des Outlets erfahren hatte, dass er ab Mittwochmorgen nur noch Kunden mit Termin bedienen darf.

Walter Tomelleri, Chef des „Shoes & Outdoor Store Tomelleri“, hatte zwar mit der Entscheidung schon gerechnet, da auch das berühmte „DIN A4-Regelblatt“ der letzten Bund-Länder-Konferenz im März Termin-Shopping bei Inzidenzen von 50 bis 100 vorgesehen hatte (wobei diese Regeln in den Ländern sehr unterschiedlich umgesetzt wurden). Auch er sei nur über „Mund-zu-Mund-Propaganda“ über die ab Mittwoch in Zweibrücken geltenden neuen Regeln informiert worden. Für Bürger, die nicht wie er vorbeteitet gewesen seien, „wäre eine frühere Info wünschenswert gewesen“. Tomelleri rechnet zwar mit Umsatzverluste, weil die Spontankäufer wegfallen. Sein sehr Beratungs- und Ausprobier-intensives Geschäft sei aber vom Termin-Shopping sicher weniger getroffen als viele andere Läden.

Yvonne Reiser von „Idee + Spiel Cleemann“ berichtete, dass ihre Chefin am Dienstagmorgen vom Stadtmarketing über das Termin-Shopping informiert wurde. „Ich weiß aber nicht, ob die Leute das wissen.“

Gut vorbereitet aufs Termin-Shoppig ist Möbel Martin in Zweibrücken: „Wir haben das große Glück, dass wir viel Fläche haben und deshalb theoretisch 550 Kunden gleichzeitig reinlassen können2, sagte ein Sprecher.

Birgit Neuhardt, Chefin von Mode Franck, berichtete, sie und ihr Mann Bernd hätten zwar die Allgemeinverfügung auf der Stadt-Homepage www.zweibruecken.de gesehen – sich aber auch eine aktivere Information gewünscht. Anders als das Outlet (wo ihr Mann Läden betreibt) habe sie leider keine direkte Information der Stadt erhalten. Dass ab drei Tagen Inzidenz über 50 komme, sei ihr aber bewusst gewesen: Dies habe Rheinland-Pfalz „klar kommuniziert“ gegenüber dem Handel.

Während Mode Franck Termin-Shopping anbietet (und drei Kunden gleichzeitig ins Geschäft lassen darf), erkärte eine Verkäuferin in einem anderen Mode-Geschäft, der Aufwand lohne sich für den Filialisten nicht, man öffne deshalb in den nächsten Tagen nicht.

Die Inzidenz in Zweibrücken ist am am Mittwoch zwar auf 73,1 gestiegen, dies ist aber der zweitniedrigste Wert in ganz Rheinland-Pfalz. In den Verbandsgemeinden Zweibrücken-Land und Dahner Felsenland sind zwei weitere Corona-Tote zu beklagen.

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