Moment mal

Moment mal Marathon im Sprinttempo oder: Nicht mal Zeit, sich Zeit zu nehmen Liebe Leserinnen, Liebe Leser, ja, ist denn heut' scho' Weihnachten? Nein, natürlich ist es das noch nicht! Gott sei Dank, wir brauchen also noch nicht in den Stress zu verfallen. Das ist die gute Nachricht

Moment mal

Marathon im Sprinttempo oder: Nicht mal Zeit, sich Zeit zu nehmen

Liebe Leserinnen, Liebe Leser, ja, ist denn heut' scho' Weihnachten? Nein, natürlich ist es das noch nicht! Gott sei Dank, wir brauchen also noch nicht in den Stress zu verfallen. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte aber, so man es so sehen mag: In genau einem Monat ist der Heilige Abend, eine Woche später ist Silvester und dann ist 2008 Geschichte. Wieder ein Jahr vorbei. So schnell geht's, dass man es gar nicht wahrhaben möchte. Doch die untrüglichen Zeichen sind nicht zu übersehen: Die ersten Mitteilungen, die von den anstehenden Weihnachtsmärkten künden - am nächsten Samstag beispielsweise beginnt der Markt in Zweibrücken - und der Urlaubskalender in unserer Redaktion. Anfang des Jahres opulent gefüllt. Unzählige Daten, die ein Umblättern nötig machten. Und jetzt? Nur noch ein kümmerliches Fitzelchen Resturlaubstage, die mühelos auf ein halbes Din-A-4-Blatt passen. Dabei hat man das Gefühl, und die Frage ist unausgesprochen, dass und ob denn die letzten Kollegen nicht gerade erst vor kurzem aus dem Sommerurlaub zurück gekommen sind? Oder ist das doch schon wieder so lange her? Alles scheint immer schneller zu gehen im Durcheilen des Jahres. Eigentlich ja ein Marathon, wenngleich wir ihn immer öfter im Sprinttempo bewältigen. Und zwangsläufig mit der Frage ins Ziel hecheln: Wo ist denn nur die Zeit geblieben?Ursachenforschung? Na ja, vielleicht sollten wir noch mal lernen, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen. Das bringt uns sicherlich viel mehr als lange Aufgabenlisten, die man auf neuhochenglisch ja "to-do-Listen" heißt, und ausgeklügeltes Zeitmanagement. Sie werden entgegnen, dass uns dies auch nicht mehr Zeit bringt. Stimmt, aber es macht unsere Zeit glücklicher. Und damit uns - bei allem, was wir tun. Und vielleicht ist es ja doch nicht so schlecht, einfach mal wieder mehr dem Bauchgefühl zu vertrauen, das Leben etwas mehr fließen zu lassen, mehr auf die innere Stimme zu hören, weil die eigentlich der beste Ratgeber ist. Denn eines ist klar: Nichts auf der Welt ist so gerecht verteilt wie die Zeit eines Tages. Bei keinem wird die Zeit mehr, aber wie wir sie empfinden, das haben wir letztendlich selbst in der Hand.Vielleicht können wir uns dann auch den Verweis auf die ganzen Forscher sparen, die mit ausgeklügelten Systemen dem Phänomen Zeit, und wie wir sie empfinden und erleben, auf die Schliche kommen woll(t)en. Auch auf den Beweis verzichten, dass nicht die Sonne allein den Tagesrhythmus bestimmt. Vor Jahrzehnten schon ließen Münchner Forscher wochenlang Versuchspersonen in einem Bunker leben: Ohne Tageslicht, ohne Uhren, völlig ohne äußere Zeit. Trotzdem blieben die Probanden weiter in einem Tagesrhythmus von 23 bis 25 Stunden - ihrer persönlichen Innenzeit. Um auf genau 24 Stunden zu kommen, braucht die innere Uhr allerdings das Tageslicht als Zeitgeber, fanden diese so genannten Chronobiologen heraus. Das gilt immer noch: Wer den ganzen Tag in düsteren Räumen verbringt, dessen Innenzeit geht ständig falsch.Umso mehr also ist es Zeit, höchste Zeit, den Zeiger zurückzudrehen, bevor wir nicht mal mehr Zeit haben, uns Zeit zu nehmen. Gerade jetzt in der dunklen Jahreszeit, in der wir uns nur bedingt draußen im Freien aufhalten, mehr düstere denn strahlende Stunden erleben. Michael Klein Chefredakteur

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