Mit weniger mehr erreichen

Zweibrücken · Zweibrücken. Auf Kirchengänger im protestantischen Bezirk Zweibrücken könnten weitreichende Änderungen zukommen. Es soll nicht mehr jede Woche in jedem Ort ein Gottesdienst für immer weniger Besucher stattfinden, der Bezirk denkt über eine Bündelung der Dienste nach – und will diese auch durch Künstler oder Musiker aufwerten. In freiwilligen Gottesdienstnetzwerken soll das künftig stattfinden. Am 14. April wird das Vorhaben bei einer Bezirksversammlung erläutert. Dekan Peter Butz schildert im Interview mit Merkur -Redakteur Eric Kolling vorab die Hintergründe dieses Plans.

Herr Butz, als erster Kirchenbezirk überlegt Zweibrücken, Gottesdienste einzuschränken. Wie kam es zu dieser drastischen Idee?

Peter Butz: Wir sind der erste Kirchenbezirk, der das vom Bezirkskirchenrat her favorisiert. Die Anregung kam vom Institut für kirchliche Fortbildung, das die Fortbildung für die Pfarrerschaft organisiert. Steffen Schramm hat seine Doktorarbeit drüber geschrieben und verglichen, wie sich die Kirche in den letzten Jahren organisiert hat. Die bestehende Form ist nicht die einzig-mögliche. Vielmehr war sie aus historischen Gründen mal so gewollt, im 19. Jahrhundert war nicht ein Pfarrer nur für eine bestimmte Ortschaft zuständig und es gab nicht in jeder Gemeinde das Gleiche. Das kam erst zur Blüte nach dem Zweiten Weltkrieg, weil das Geld und die Leute dazu da waren. Davor hatten im Zuge der Aufklärung Personalgemeinden so etwas wie Fanclubs - was es heute wieder gibt. Heute hat wieder jeder sein spezielles Publikum, seine Stammbesucher.

Wie stellen Sie sich das neue Konzept vor?

Butz: Anstatt in jeder kleinen Kirche weiter jeden Sonntag einen kleinen Gottesdienst soll es für die ganze Region ein Gottesdienstkonzept geben. Die an Feiertagen bleiben überall und auch solche Angebote, die gut angenommen werden. Neuerungen soll es dann vor allem im normalen Sonntagsprogramm geben. Im Sommer könnten wir die Kirche verlassen, in Jahreszeiten, in denen weniger los ist, auch "Brot- und Butter-Gottesdienste" machen und darin gezielt die Grundlagen des christlichen Glaubens vermitteln. Wir wollen auch zu den Gottesdiensten einladen. Das setzt einen längerfristigen Plan voraus, der deutlich darüber hinaus geht, wer an welchem Sonntag predigt - während alle über den gleichen Text reden.

Das bisherige System lässt also vor allem auch das Kirchenpersonal an ihre Grenzen stoßen?

Butz: Es gibt weniger Ehren- und Hauptamtliche. Das ist eine absehbare Entwicklung. In meiner Generation sind damals viele in den Pfarrdienst eingetreten. Ein Drittel der pfälzischen Pfarrerschaft verteilt sich auf wenige Jahrgänge. Zwischen 2020 und 2030 wird es da ein Loch geben, auch wenn unsere Landeskirche im Moment alle Geeigneten einstellt, die sie kriegen kann, werden wir es dann nicht mehr schaffen, an jeder Ecke für fünf Leute einen Gottesdienst zu halten.

Die Gottesdienste sollen auch mit Musikern und Künstlern gestaltet werden?

Butz: Das wäre der Idealfall. Wir machen die Erfahrung, dass Gottesdienste zu besonderen Anlässen, die besonders beworben sind oder die von anderen Beteiligten mitgestaltet werden, die Besucherzahl entsprechend gut ist. Das sind sogenannte Highlights - sie sollen keine zusätzliche Arbeit für die Pfarrer darstellen. Wir geben an der Stelle kräftig etwas rein, und machen dafür die Abstriche, dass nicht an jedem Sonntag an jedem Ort etwas sein muss.

Gibt es praktische Vorbilder für so ein Gottesdienstnetz?

Butz: Kollege Schramm forscht seit Längerem an dem Thema. Dietrich Lauter, ein Ex-Pfälzer Pfarrer , Kreisoberpfarrer in Köthen in der anhaltischen Kirche hatte so etwas mal erfolgreich ausprobiert. Dort hatte man mit einer kleineren Zahl an Gottesdienste mehr Leute erreicht.

Insbesondere für ältere Menschen wird es ein Problem, wie sie zum Gottesdienst in den nächsten oder übernächsten Ort kommen. Was planen Sie hier?

Butz: Das muss man mitüberlegen. Wir haben in manchen Gemeinden ohnehin Kirchen mit unheimlich vielen Stufen, weil sie in Hanglage gebaut sind. Auch dort kann nicht jeder hin, der es vielleicht will. Es stellt sich die Frage: Sollen wir dort Gottesdienst feiern - oder wo anders, wo der Zugang barrierefrei ist? Wichtig ist, dass im Ort nicht mehr gar nichts mehr passiert und sich die Gottesdienste nur noch in den Zentren abspielen. Alle sollen etwas abbekommen. Es gilt zu klären, wie eine entsprechende Rotation aussehen müsste. Da wollen wir erstmal in Denkbewegung kommen. Und generell kommen die Leute schon dorthin, wo sie hinwollen.

Beim Umsetzen dieser Idee setzen Sie auf die Transparenz und Beteiligung der Bürger. Wie ist der Zeitplan?

Butz: Am 12. März wurde die Bezirkssynode über die Idee informiert, dann auf dem Pfarrkonvent zweimal diskutiert, damit die Pfarrer Bescheid wissen und sie in die Presbyterien transportieren. Am Donnerstag, 14. April, findet um 19 Uhr in der Versöhnungskirche in Zweibrücken, Röntgenstraße 9, eine Bezirksversammlung statt, in der das Projekt vorgestellt wird. Bis zum 31. Mai sollen die ersten Abgleiche passieren und am 8. Juli sollen sich künftige Netzwerkpartner gefunden haben. Ab dem 13. Juni 2017 sollen diese Netzwerke dann praktiziert werden und am 17. Oktober 2018 sollen sie sich etabliert haben. Bisher haben wir Kooperationszonen benachbarter Kirchengemeinden gebildet. Daraus könnten sich Netzwerke ergeben. Das geht auch mit zwei oder drei Kirchengemeinden - andere kriegen das vielleicht alleine hin. Wir wollen zwei Netzwerke finden, die das ausprobieren.

Rechnen Sie eher mit Protest oder Zustimmung?

Butz: Das ist sehr gemischt. Was ist, das kennt jeder. Was kommt, kann man sich nur vorstellen, muss es ausprobieren. Die Frage ist, welche Alternative wir haben: Machen wir weiter wie gehabt, solange noch jemand kommt? Oder probieren wir etwas Neues aus, solange wir die Ressourcen haben und personell noch etwas geht? Aus der Kollegenschaft bin ich bisher auf neugieriges Interesse gestoßen. Sie können es sich noch nicht genau vorstellen, sind aber nicht dagegen. Wichtig ist mir, dass der Prozess freiwillig ist - ich halte nichts von oben verordneten Veränderungen. Das wird von uns begleitet, durch Fortbildungen und durch Bezirkskirchenrat. Geplant ist auch eine Anschubfinanzierung von 2000 Euro durch die Landeskirche, die solch neue Dinge unterstützt.

Wird das helfen, die Kosten für die an die 30 "teuer unterhaltenen" Kirchen einzuschränken?

Butz: Da besteht kein unmittelbarer Zusammenhang. Die Kirchengebäude haben verschiedenen Charakter, da geht es nicht zunächst um Einsparungen bei den Gebäuden, sondern, dass man diese im Sinne ihres Charakters nutzt. Manche sind für ganz verschiedene Formen von Gottesdiensten und Versammlungen geeignet. Was drückt das Gebäude von sich aus aus? Wie werden wir es in Zukunft unterhalten können? Da ist jede Gemeinde ein bisschen auf sich selbst gestellt, es gibt viele Überlegungen für andere oder Zweitnutzungen. Wenn eine Kirchengemeinde etwa einen Teil des Gottesdienstraums umwidmet zu einem sogenannten Kolumbarium, einer Urnenbegräbnisstätte, würde das den Charakter beeinflussen und die Kirche etwa zur Trauerbegleitungskirche machen. Eine andere wäre vielleicht eher geeignet für Jugend- oder moderne Gottesdienste .

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