Miserior-Wanderausstellung „Glänzende Aussichten“ in Zweibrücken Zeichnen so wichtig wie essen und schlafen

Zweibrücken · Der bekannte Zweibrücker Zeichner Thomas Brunner gehört zu den drei regionalen Künstlern, die die aktuelle Ausstellung „Glänzende Aussichten“ in der Fußgängerzone bereichern. Sein Markenzeichen sind proportional verfremdete Figuren.

 Passend zu seiner Karikatur, geht Thomas Brunner mit dem Luiche auf Kuschelkurs.

Passend zu seiner Karikatur, geht Thomas Brunner mit dem Luiche auf Kuschelkurs.

Foto: Cordula von Waldow

„Zeichnen ist für mich Therapie“, erklärt Thomas Brunner. Immer wieder erlebte er Schicksalsschläge, bei denen er sich mit Hilfe von Bleistift und Papier aus dem Tief wieder herausholte. Damit erklärt sich der Franz-Kafka-Fan seinen gewissen Hang zu Düsterem und zu „kaputten“ Menschen. Keine heile Welt. Der 57-jährige Zweibrücker lacht: „Damit das nicht überhand nimmt und ich depressiv werde, zeichne ich dann Tiere.“

Schon immer waren Katzen um ihn herum und wenn er seine drei jungen Kätzchen spielen sehe, zaubere ihm das sofort ein sonniges Lächeln ins Gesicht. Thomas Brunner hat „schon immer gekritzelt und gezeichnet“. Entsprechend gehörte Kunst zu seinen Lieblingsfächern. Anfangs mehr für den Selbstzweck. Es ist weniger die Botschaft, die er in seinen vielschichtigen Werken durchaus übermittelt, die ihn antreibt. „Mich fasziniert, dass aus dem Nichts etwas entsteht. Ein leeres Blatt Papier, ein Stift – und zwei Stunden später ist da was entstanden, das aus mir kam.“

Selbstverwirklichung pur? Der gelernte Baumschulgärtner schüttelt den Kopf. „Eher therapeutische Wirkung.“ Der Durchbruch seiner künstlerischen Ader erfolgte in einer Reha-Zeit in der Klinik Münchwies. „Da ist mein Zeichnen regelrecht explodiert. Ich habe 15 Stunden am Tag nur gezeichnet. Exzessiv, wie alles, was ich mache.“ Damals, 1984, waren es vor allem kryptische Formen und Schattierungen, die er aufs Blatt brachte. Eine Art „persönliche Schattenarbeit“. Zum Abschluss dort gab es eine Ausstellung seiner entstandenen Werke.

Langsam arbeitete sich der Autodidakt auch an Gegenständliches, gefolgt von Menschen und Tieren, eignete sich verschiedene Techniken an. Jedes Bild beginnt er unten links. Anders, als bei vielen Kollegen, die zuerst Kopf oder Rumpf zeichnen, ist Thomas Brunners Anfang stets der rechte Fuß der dargestellten Figur, von dem aus er die Kontur in die Höhe zieht. Verfremdungen in den Proportionen, vor allem überdimensionale Gliedmaßen, wurden zu einem unverkennbaren Wiedererkennungswert.

Vor gut 25 Jahren begann Thomas Brunner mit seiner damaligen Freundin, einer Porzellanmalerin, ebenfalls auf Porzellan zu arbeiten. „Ich habe aus einem Tattoo-Buch Bilder auf Porzellan abgemalt, das auch tatsächlich gebrannt und verkauft wurde.“ Die Zielgruppe waren Heavy-Metal-Fans und Motorradfahrer. Doch dann tauschte er endgültig die Feder gegen den Stift, auch Ölkreide oder Pastell.

Sein Favorit ist und bleibt jedoch der Bleistift. „Ich kann nicht anders, ich muss einfach zeichnen“, erklärt er und ergänzt: „Das ist so wichtig, wie essen und schlafen.“ Selbst in den stressigen Zeiten seiner Zeitungskarriere reservierte er täglich zwei Stunden kreatives künstlerisches Wirken für sich. In Reha- oder Zeitrenten-Phasen deutlich länger, so dass sich zu Hause viele Tausend Blätter stapeln.

Er beschäftigte sich viel mit Kunst, studierte Bildbände etwa von Egon Schiele oder Otto Dix. Ab 2013 besuchte er die Kurse von Birgit Kunz bei der Volkshochschule – vor allem, um sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Neben Inspirationen erhielt er auch ganz praktische Tipps. Zum Beispiel? „Ich arbeite zu weit am Rand. Unter einem Passepartout geht dann beim Rahmen Bild verloren.“

Denn die Werke von Thomas Brunner zieren seit vielen Jahren regelmäßig die Eingangshalle im Badeparadies, die Schaufenster etwa der Pfalzgrafen-Apotheke, bei Wolle Reif oder im Reisebüro Schmid an der Alexanderskirche. Dort hängen jetzt die drei Zeichnungen, die er zu der aktuellen Karikaturen-Ausstellung „Glänzende Aussichten“ beitrug. Hier greift er das omnipräsente Corona-Thema auf und zieht selbst Tarzan im Urwald beim Kuscheln mit einem wilden Affen eine Maske auf.

Sein nächstes Werk wird eine Zeichnung zu einem Gedicht des düsteren deutschsprachigen Dichters Paul Celan für eine neue Ausstellung mit der Galerie Beck in Saarbrücken.

Auftragsarbeiten mit konkreter Motivausrichtung und einem fixen Abgabetermin schätzt der langjährige Sportberichterstatter sehr. An schnelles Arbeiten ist er gewöhnt, denn ein Bild braucht selten länger als 45 Minuten. Auch als Dichter, der bereits einen eigenen Gedichtband illustriert hat, hat der Semi-Profi bereits Erfahrungen gesammelt.

Noch bis 22. März ist die Wander-Karikaturen-Ausstellung „Glänzende Aussichten“ von Miserior mit rund 140 Werken in den Schaufenstern der Zweibrücker Innenstadt zu bewundern.

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