„Migration bleibt großes Thema“

Zweibrücken · Am 9. Februar beginnen die 67. Berliner Filmfestspiele. Seit Mai 2001 steht das wichtigste deutsche Filmfest, neben Cannes und Venedig das weltweit bedeutendste Festival, unter der Leitung von Dieter Kosslick (68). Mit einem Budget von rund 18 Millionen Euro ist die Berlinale längst zum Wirtschaftsfaktor geworden – neben dem Festival macht der parallel stattfindende Filmmarkt Berlin zwölf Tage lang zum Zentrum der Medienbranche. Mit dem Festivaldirektor sprach Merkur -Mitarbeiter Dieter Oßwald.

 Die Vorbereitungen zu den Berlinale-Filmfestspielen sind schon im Gange. Foto: Jens Kalaene/dpa

Die Vorbereitungen zu den Berlinale-Filmfestspielen sind schon im Gange. Foto: Jens Kalaene/dpa

Foto: Jens Kalaene/dpa

Herr Kosslick, "Toni Erdmann" von Maren Ade hat dem deutschen Kino einen grandiosen Triumph beschert. Hoffen Sie dadurch auf Rückenwind, was die internationale Aufmerksamkeit für die deutschen Festival-Beiträge betrifft?

Dieter Kosslick : Mit einem "Erdmann"-Effekt kann man rechnen. Als "Good Bye, Lenin!" auf der Berlinale gefeiert wurde, bekamen die anderen deutschen Filme gleichfalls große Aufmerksamkeit. Wobei die Zuschauer ohnehin wissen, dass die "Berliner Schule", zu der Maren Ade gerechnet wird, nicht in Frankreich erfunden wurde.

Welche Themen treiben das aktuelle Weltkino um? Was wird der Rote Faden der 67. Berlinale sein?

Kosslick: Die Flüchtlingsfrage beschäftigt nach wie vor das internationale Kino. Migration bleibt ein großes Thema der Berlinale. Wobei es mittlerweile nicht mehr allein um Betroffenheit geht, sondern um Ursachen und Zusammenhänge. Auffallend ist, dass Filmemacher auf die Geschichte ihrer Länder blicken und fragen: Weshalb ist die Situation heute so, wie sie ist? Das geschieht aktuell in vielen Teilen der Welt, ob in Kuba, in Norwegen, in Pakistan oder Indien. Es sind filmische Reisen in die Vergangenheit.

Ist der berühmte rote Faden für ein Festival wichtiger als der rote Teppich mit Stars? Zumal in Berlin Glamour-Premieren zu Kinostarts bereits Routine sind.

Kosslick: Es mag viele Kino-Premieren das Jahr hindurch in Berlin geben, der rote Teppich der Berlinale ist allerdings schon etwas Besonderes. Die Atmosphäre eines Festivals sorgt für eine ganz einzigartige Stimmung. Zwischen rotem Faden und rotem Teppich herrscht da keine Konkurrenz.

Werner Herzog sagte vor kurzem in Hof: "Festivals befinden sich auf einem Sinkflug. Es gibt über 4000 Festivals, aber nach wie vor nicht mehr als vier wirklich gute Filme pro Jahr." Teilen Sie die Meinung Ihres einstigen Jury-Präsidenten?

Kosslick: Die Zahl scheint übertrieben, weltweit gibt es vielleicht rund 1200 Festivals. Und manche Filme haben nur eine Chance, wenn sie auf einem Festival laufen. Werner Herzog ist mit Festivals immer gut gefahren - wobei von den erwähnten vier wirklich guten Filmen natürlich einer immer von ihm stammte.

Die Retrospektive widmet sich diesmal dem Science-Fiction-Film. Wie sieht die Zukunft des Festivals aus? Wo findet die Berlinale statt, wenn 2018 der Vertrag mit dem Stage-Theater ausläuft? Wann wird aus dem Bären eine Bärin?

Kosslick: Ob aus dem Bären je eine Bärin werden wird, kann ich nicht vorhersagen. Über den Anteil an Frauen, die dieses Jahr im Programm vertreten sind, wird sich allerdings niemand beklagen können. Der Standort des Festivals mit dem Berlinale-Palast ist vorerst gesichert, über Anschlussjahre wird es Verhandlungen mit dem neuen Eigentümer geben.

Die vier Amazon-Produktionen im Vorjahr in Cannes haben allesamt nicht überzeugt. Ist die Blase von Netflix und Co. geplatzt oder ist das nach wie vor ein Sprungbrett für kreative Filmemacher ?

Kosslick: Nach dem Erfolg von "The Night Manager" bei der letzten Berlinale laufen auch dieses Mal an zwei Tagen Serien im öffentlichen Programm. Auf dem Filmmarkt werden diese Formate ebenfalls präsent sein. Wer den ganz großen Hype um die Streaming-Anbieter skeptisch sieht, hat bei uns die Gelegenheit zu entdecken, dass die Welt nicht jeden Tag neu erfunden wird: Wir präsentieren im Berlinale Special mit "Acht Stunden sind keine Tag" von Rainer Werner Fassbinder den Beweis, dass es starke Serien schon anno 1972 gab.

Mit über 300 000 Besuchern ist die Berlinale das größte Publikumsfestival. Wie sieht der typische Festivalbesucher aus?

Kosslick: Das wissen wir sogar ziemlich genau: Der Besucher-Prototyp der Berlinale ist weiblich, 37 Jahre alt und hat studiert. Eine umworbene Zielgruppe, die die Filme gern in der Originalsprache sieht.

Wie wird sich ein US-Präsident Donald Trump auf Hollywood auswirken?

Kosslick: Die politische Situation in den USA wird mit Sicherheit im Kino und der Kunst reflektiert werden. Hollywood wird sich stärker positionieren. Auf die Resultate bin ich gespannt - das werden wir bei der 68. Berlinale 2018 dann sehr wahrscheinlich erleben, und ich bin nun mal ein 68er.

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