Medienrummel am Flüchtlingsheim

Zweibrücken · Vertreter aus Stadt und Land stellten sich gestern den Fragen von Medienvertretern. Die Lage im Flüchtlingsheim sei soweit entspannt, hieß es. 485 Asylsuchende seien aktuell untergebracht, die Hälfte davon stamme aus Syrien. Ab 1. November würden zusätzlich rund 400 Personen ins Apparthotel einziehen.

 Das Flüchtlingsheim öffnete seine Pforten für Medienvertreter, die Flüchtlinge sahen sich auf einmal im Scheinwerferlicht. Fotos: Wille

Das Flüchtlingsheim öffnete seine Pforten für Medienvertreter, die Flüchtlinge sahen sich auf einmal im Scheinwerferlicht. Fotos: Wille

In Zweibrücken eine Bank zu überfallen, dürfte derzeit womöglich leichter sein, als unbeaufsichtigt in das Flüchtlingsheim der Stadt zu gelangen. Mit strengem Blick werden alle Besucher am Eingangsbereich vom Sicherheitsdienst gemustert. Ohne Ausweis läuft gar nichts. Nein, der Termin für die Medienvertreter beginne exakt um 14 Uhr, man dürfte nicht vorher rein, machen die kräftigen Männer in den dunklen Jacken am Zaun deutlich. Also gut, warten.

Um Punkt 14 Uhr erscheint Jürgen Buchholz, Leiter der Einrichtung, und holt die Journalisten ab. Der Tross aus rund 15 Besuchern setzt sich in Bewegung, Kameras, Mikrofone und Diktiergeräte gezückt.

Im früheren Terminal des Flughafens findet die Presskonferenz statt. Eveline Dziendziol, Sprecherin der Aufsichtsdirektion ADD in Trier, nennt den Hintergrund für diesen Termin: Die Einrichtung in Zweibrücken sei jetzt 18 Tage in Betrieb, es gebe sicher viele Fragen, denen wolle man sich stellen. Tatsächlich gibt es viele Fragen. Wie ist die Stimmung? "Gut", sagt Buchholz. Was war das denn eben für ein Wortgefecht unter den Flüchtlingen auf dem Hof? "Das war das erste Wortgefecht, das ich mitbekommen habe, seit ich hier bin", sagt Buchholz. Es gebe außer einer Diskussion hier und da keine ernsten Vorfälle. Wieviele Flüchtlinge sind aktuell in der Ex-Abflughalle untergebracht? "485", sagt Mario Sauder, Kreisgeschäftsführer des DRK, das gemeinsam mit Buchholz die Leitung des Heims organisiert. Von diesen 485 Flüchtlingen seien 53 Prozent aus Syrien, 30 Prozent aus Afghanistan und sechs Prozent aus Pakistan, nennt Sauder drei wichtige Länder.

Wann wird das Apparthotel in der Nähe des Ex-Terminals für die Flüchtlinge öffnen? "Ab 1. November", sagt Michael Maurer, Pressereferent der Mainzer Staatskanzlei. Im Apparthotel sollen rund weitere 400 Flüchtlinge untergebracht werden, erklärt Maurer - und bestätigt damit frühere Aussagen des Landes hierzu (wir berichteten).

Korrekt sei ebenso, wie bereits bei der Informationsveranstaltung für die Bürger in der Festhalle angemerkt, dass die Flüchtlinge in dem Ex-Terminal des Flughafens nicht länger als rund drei Monate untergebracht werden dürften, ohne dass der nach wie vor offiziell bestehende Status des Areals als Flughafen gefährdet würde. Wie geplant, sollen die Flüchtlinge ab Januar in einem noch zu errichtenden Containerdorf neben dem früheren Terminal untergebracht werden - das sei ohnehin eine bessere Lösung, erklärt ADD-Sprecherin Dziendziol, dort hätten die Menschen mehr Privatsphäre. Wie ist die grundsätzliche Lage im Land bezüglich des Flüchtlingsansturms? "Wir müssen von Tag zu Tag schauen . . .", sagt Staatskanzlei-Mitarbeiter Maurer. "Im Juli sind wir von vier Einrichtungen für Flüchtlinge im Land ausgegangen. Jetzt haben wir 23 Einrichtungen mit insgesamt 12 000 Menschen", so Maurer. Er fügt hinzu: "Ich habe gerade aktuell die Meldung bekommen, dass für die nächsten Tage erwartet wird, dass täglich bis zu 10 000 Menschen von Österreich nach Bayern kommen werden."

Von diesen Flüchtlingen würden gemäß Verteilerschlüssel 4,9 Prozent Rheinland-Pfalz zugewiesen. Die aus Österreich kommenden Flüchtlinge sollen auf den Stegskopf kommen, ein früherer Truppenübungsplatz im Westerwald. Eigentlich sollten dort erst in den nächsten Wochen Flüchtlinge einziehen, nun müsse alles ganz schnell gehen.

"400 Feldbetten sind vorerst geplant", sagt Maurer. Insgesamt 3000 Flüchtlinge sollen auf dem Stegskopf unterkommen (siehe auch Bericht Seite 3). Aber wer weiß schon, was die nächsten Tage, geschweige denn die nächsten Wochen oder Monate bringen werden - "alles, was ich jetzt sage, kann morgen oder übermorgen schon hinfällig sein", merkt Maurer an.

Wie sieht es mit der Spendenbereitschaft der Bürger aus? "Die Resonanz ist überwältigend", bilanziert Mario Sauder vom DRK. "Unsere Lager sind voll. Wir denken über einen Spendenstopp nach", sagt er. Später relativiert er: Ein Spendenstopp solle es nicht unbedingt sein, vielmehr eine Spendenpause sei vonnöten, so voll seien die Lager. Auf Nachfrage muss er allerdings anmerken, dass manche Spender das Angenehme wohl mit dem Nützlichen verknüpft haben, sprich: Viele hätten einfach ihre Kleiderschränke ausgemistet oder gar Sachen abgegeben, die ein Fall für die Mülltonne seien. "Ein Drittel der Spenden ist gut zu gebrauchen, ein Drittel sind Sommersachen, die können wir immerhin für später aufheben, ein Drittel ist in ganz schlechtem Zustand." Dass dank des einen Drittels an passenden Spenden bereits die Lager so stark gefüllt werden konnten, zeige aber, wie groß die Bereitschaft zu Sachspenden sei. Ganz anders sehe es jedoch in Bezug auf Geldspenden aus. "Wir haben ein Spendenkonto eingerichtet. Darauf sind derzeit null Euro eingegangen", sagt Sauder. "Das hat mich ehrlich gesagt selbst überrascht."

Zwei Verdachtsfälle auf Tuberkulose nicht bestätigt


Der Gesundheitszustand der 485 Flüchtlinge in Zweibrücken ist insgesamt recht gut; das sagt der Mediziner Lutz Feß, der die ärztliche Betreuung in dem Flüchtlingsheim koordiniert. "Tuberkulose ist das Hauptproblem", so Feß. Es habe bislang zwei Verdachtsfälle gegeben, die hätten sich aber nicht bestätigt. Ein Thema seien auch Kopfläuse, hier habe er zwei Betroffene registriert. Es gebe aber viele chronisch Kranke, bei denen sei es "ein Wunder, dass sie die Strapazen der Flucht bewältigen konnten". Auch Nachwuchs sei ein Thema für die Ärzte: Ein Kind sei in Zweibrücken geboren worden, zehn Frauen seien schwanger.

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