Zweibrücker Not- und Inflationsgeld Ein Brot für 233 Milliarden Reichsmark

Zweibrücken · Nach dem Ersten Weltkrieg wurde in Zweibrücken Notgeld gedruckt. Ein spannendes Thema, zu dem der 2. Vorsitzende des Briefmarken- und Münzensammlervereins Zweibrücken, Lothar Adam, sammelt und recherchiert. Für seine geplante Info-Broschüre sucht er noch nach Informationen, alten Notgeldscheinen sowie Material rund um das Thema.

 Lothar Adam plant eine Infobroschüre zum Thema Zweibrücker Notgeld.

Lothar Adam plant eine Infobroschüre zum Thema Zweibrücker Notgeld.

Foto: Cordula von Waldow

Knapp 100 Jahre ist es her, als 1923 das letzte Zweibrücker Notgeld gedruckt wurde. Seit mehr als zehn Jahren beschäftigt sich Lothar Adam aus Mittelbach, zweiter Vorstand im Zweibrücker Briefmarken- und Münzensammlerverein Zweibrücken, mit diesem Thema. Auf dem Flohmarkt war dem leidenschaftlichen Sammler damals ein 25-Pfennig-Schein von 1917 in die Hände gefallen. Er fragte in dem gut 30-köpfigen Verein, wer sich mit diesem Thema auskennt. Dann begann er, selbst zu recherchieren.

Seine Erkenntnis: „Anfangs wurden Gutscheine erstellt, die beim Zweibrücker Stadtkämmerer gegen Mark eingetauscht werden konnten. Allerdings gab es ausschließlich Papiergeld, weil die auf fünf und zehn Pfennig geprägten Münzen eingesammelt wurden, um das Metall für Kriegszwecke einzuschmelzen.“ Die Inflation warf ihre Schatten voraus, denn die Gutscheine hatten einen Wert von 25 oder 50 Pfennig. „Damals hat man für diese Beträge noch Ware bekommen“, schildert der 59-jährige Arbeitspädagoge im Integrationsfachdienst.

Gedruckt wurden die Gutscheine, ebenso wie das Notgeld nach dem Krieg, beim späteren Merkur-Druck, der auch lange Jahre den „Pfälzischer Merkur“ setzte und druckte. Hier entstanden Anfang 1923 die ersten Notgeld-Scheine über 100 Reichsmark. Sie galten laut Aufdruck bis zum 1. April 1924. Doch zu dieser Zeit konnte mit den geringen Beträgen drauf niemand mehr etwas anfangen. Zu schnell war die Geldentwertung vorangeschritten, zu hoch die Reparationen, die Kriegsverlierer Deutschland zahlen musste.

So wuchsen auch die Beträge auf dem Notgeld zu astronomischen Zahlen. „Ab 100 000 Reichsmark ging es immer schneller“, hat Lothar Adam herausgefunden. Zudem war das in der Nacht gedruckte Geld am nächsten Morgen schon kaum noch etwas Wert und brauchte mehr Nullen: Millionen, Milliarden, Billionen.

Der höchste Schein, den der Sammler und seine Vereinsfreude auf Flohmärkten, bei Ausstellungen, bei Tauschbörsen oder aus Nachlässen auftreiben konnten, belief sich auf 10 000 000 000 000 (Zehn-Billionen) Reichsmark. Kostete in Berlin etwa ein Kilogramm Roggenbrot 1913 noch 163 Reichsmark, mussten zehn Jahre später bereits 233 000 000 000 (Milliarden) Reichsmark dafür berappt werden. Das 4,4 Billionen Reichsmark teure Rindfleisch konnte sich fast niemand mehr leisten.

Weshalb Lothar Adam selbst betragsgleiche Scheine sammelt, erklärt er so: „Nicht jeder Schein war gleich: Nicht wenige wichen ab.“ Denn erst wenn das Tagesgeschäft in der Druckerei geleistet war, gingen die Mitarbeiter daran, das dringend benötigte Notgeld für den Folgetag zu setzen und zu drucken. Schnell passierten in der Übermüdung oder unter Zeitdruck Fehler, kann der Sammler belegen. Mal waren etwa die Typen für die Umrahmung falsch herum eingesetzt, mal stammte ein „e“ aus einem anderen Schriftsatz.

Auch die Stempelfarbe – grün für die 25-Pfennig-Scheine, rot für die 50er – wurde im Eifer des Gefechts schon einmal vertauscht. Während Lothar Adam Zweibrücker Notgeld sammelt, konzentriert sich sein Vereinskamerad Bernd Pickert auf Notgeld im Landkreis sowie in den Unternehmen. „Da immer mehr Geld gebraucht wurde und die Reichsbank nicht ausreichend zu Verfügung stellen konnte, wurden sowohl Städte als auch Firmen mit dem Druck betraut“, erklärt der Mittelbacher. Galt das Firmengeld in den Unternehmen sowie in der eigenen Stadt, wurde das städtische Notgeld im gesamten Kreis bis Kusel, den Donnersbergkreis oder Germersheim/Speyer angenommen und auch in Homburg und dem angrenzenden Saar-Pfalz-Kreis.

Hilfe bei seinen Recherchen erhielt Lothar Adam anfangs im nicht sehr gut bestückten Stadtarchiv und bei einer 1908 geborenen, damals 102-Jährigen Seniorin im Wichernhaus, die sich noch gut an ihre Jugendzeit erinnern konnte. Sein größter Fundus allerdings waren das Wissen und Sammelstücke des mittlerweile 82-jährigen Druckermeisters Kurt Werle.

„Das Gros ist ja im Krieg und bei Hochwasser in den Kellern zerstört worden“, bedauert der Geschichtsforscher. Doch im Druckereimuseum zeigte ihm Kurt Werle die Zählwerke, mit denen der Gelddruck nachvollzogen wurde sowie sogenannte „Nutzen“, am Stück gedruckte, ungestempelte Banknoten, die von Hand zerschnitten wurden. Ein interessantes Erbe. Umso erstaunter war Lothar Adam, dass weder das Zweibrücker Notgeld noch das Firmengeld in der Neuauflage des bebilderten Fachkatalogs vorkommen, den er jüngst erwarb. Schnell beschloss er, für den Verein selbst eine Dokumentation dazu herauszugeben und sein Wissen mit historischen Informationen für die Nachwelt zu bewahren.

 So sahen Gutscheine 1917 und Notgeld 1923 in Zweibrücken aus.

So sahen Gutscheine 1917 und Notgeld 1923 in Zweibrücken aus.

Foto: Cordula von Waldow

In der Hoffnung, dass jemand noch etwas Spannendes zu Hause hat, Flohmarktbeschicker unter ihren Waren etwas finden oder auch junge Menschen unter den Nachlässen ihrer Eltern oder Großeltern, bittet Lothar Adam die Leserschaft des Pfälzischen Merkur um Hilfe. Er freut sich über eine Kontaktaufnahme unter Tel. (0 63 32) 48 56 14 zwischen 18 und 20 Uhr oder per Mail an adam.lothar@t-online.de. Hier meldet sich auch gerne, wer Interesse an Briefmarken und Münzen hat und einmal im Verein schnuppern kommen möchte. Die Vereinsmitglieder treffen sich in der Regel jeden zweiten Sonntag von 10 bis 12 Uhr in der Vereinsgaststätte des SV Niederauerbach. Ab 11 Uhr sind Gäste herzlich willkommen. Auf Grund der aktuellen Corona-Regeln finden in diesem Jahr jedoch keine Treffen mehr statt.

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