Porzellan-Geschichten Lieber teure Importe aus Passau

Zweibrücken · Johann Michael Stahl verpasste es, auf Steine aus Nohfelden zu setzen. Stattdessen mussten viele Kilometer mit Rohstoffen gefahren werden.

 Die verschiedenen Arbeitsschritte zur Erstellung eines Porzellantellers.

Die verschiedenen Arbeitsschritte zur Erstellung eines Porzellantellers.

Foto: cvw

„Hätte der Physicus und Alchemist Johann Michael Stahl, der ja nicht nur die Zweibrücker Porzellanmanufaktur geleitet hat, sondern auch Bergdirektor des Nohfelder Steinbruchs war, seinen Verstand eingesetzt, hätte die Porzellanherstellung in Zweibrücken durchaus Gewinn abwerfen können“, vermutet Charlotte Glück. Das Kaolin hätte der Herzog zudem gewinnbringend zur Porzellanherstellung an die Nachbarländer verkaufen können.

Die Museumsleiterin erklärt: Mit den Nohfelder Steinen stand im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken der wichtigste und mit Abstand kostspieligste Rohstoff, nämlich Kaolin zur Verfügung. Allerdings waren die Steine in Nohfelden stark mit Eisen durchsetzt, was einen grauen Porzellanscherben anstatt des begehrten „Weißen Goldes“ hervorbrachte. „Wahrscheinlich hätte Stahl mit seinem alchimistischen Wissen und etwas Anstrengung bereits damals in der Lage sein können, das Eisen aus dem Nohfelder Stein zu ziehen, so wie Porzellanfabriken es heute praktizieren.“ Ob Stahl gar nicht auf die Idee kam oder den Aufwand scheute, sei dahin gestellt. Jedenfalls verzichtete er anfangs auf die Steine aus dem eigenen Herzogtum und importierte stattdessen das weiße Kaolin aus der Gegend um Passau. „Das war aus vielen Gründen deutlich teurer“, beschreibt Charlotte Glück.

Die Entfernung nach Nohfelden beträgt rund 50 Kilometer, das bayerische Passau ist bald zwölf mal so weit entfernt, nämlich rund 600 Kilometer. Zeiten, die Kutscher, Fuhrknechte und die wertvolle Fracht sichernde Soldaten entlohnt werden mussten. Die „Straßen“ glichen damals im besten Fall besseren Feldwegen, so dass ein Pferde- oder Ochsengespann meist nur im Schritttempo fahren konnte, besonders, wenn es auf dem Rückweg schwer beladen war. „Bei rund vier Kilometern in der Stunde plus Rast, womöglichen Achsbrüchen oder wetterbedingten Umwegen kann man sich leicht ausrechnen, wie lange allein die Beschaffung des Rohmaterials benötigte“, rechnet die Kuratorin vor.

Da Deutschland in zahlreiche Fürstentümer zergliedert war, verteuerten Grenzzölle den Transport zusätzlich. Diese wären mit Kaolin aus dem eigenen Bergwerk auch entfallen. Hatte man dann endlich den wertvollen Rohstoff vor Ort, wurde er mit unterschiedlichen Quarzen gemischt, mit Wasser zu einem Brei verrührt und in eine Form gegossen. „Da hatte jeder sein eigenes Rezept, ähnlich, wie jede Hausfrau für ihren Kuchen“, betont die Museumsleiterin. Dann jedoch kam die nächste Herausforderung: Porzellan muss bei etwa 1100 Grad Celsius gebrannt werden. Wie und ob es möglich war, die Temperatur des Brennofens genau zu kontrollieren, ist schwer nachvollziehbar. Jedenfalls entstanden so selbst bei erfahrenen und äußerst gut bezahlten Brennmeistern zahllose Fehlbrände, welche die Herstellung und das Produkt zusätzlich immens verteuerten. Damit wurde der Kreis der betuchten Abnehmer zunehmend geringer, während sich dank der vorwiegend maschinellen Fertigung heute jeder Porzellan leisten kann.

Unterschieden wurde damals in „feines“ und „ordinaires“ Porzellan, je nach Rohmaterial und Glasur. Neben dem Kaolin wurden Kiesel, Achtdrusen, weißer Sand aus der Region Birkenfeld und Kieselscherben benötigt, die ganz fein gemahlen und mit Wasser verflüssigt, durch Baumwolltuch gedrückt und geklärt wurden. Bemalt wurden die Teile entweder in Blau, in Purpur oder auch vielfarbig bunt.

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