Zweibrücker Prozess um dramatisch vor Polizei geflüchteten Autodieb „Alles spricht für eine schizophrene Veranlagung“

Zweibrücken/Contwig · Psychiater sagt im Prozess am Landgericht Zweibrücken über 27-jährigen Zweibrücker aus, der nach Autodiebstahl und Verfolgungsjagd angeklagt ist.

 Der gestohlene Dacia wurde in der Straße Am Beckerswäldchen abgestellt und rollte brennend ein abschüssiges Feld hinunter und kam an einer Scheune zum Stehen.

Der gestohlene Dacia wurde in der Straße Am Beckerswäldchen abgestellt und rollte brennend ein abschüssiges Feld hinunter und kam an einer Scheune zum Stehen.

Foto: Polizeiinspektion Zweibrücken/Polizei

War er zur Tatzeit zurechnungsfähig? Auch am 13. Verhandlungstag hat sich die Erste Strafkammer des Landgerichts Zweibrücken vorwiegend mit dem Gesundheitszustand des 27-jährigen Angeklagten beschäftigt. Zumal dessen Verteidiger, der St. Ingberter Rechtsanwalt Robert Münch, fest davon überzeugt ist, dass sein Mandant an einer ererbten „schizophrenen Grunderkrankung“ leidet. Münchs Ziel: die Schuldunfähigkeit des 27-Jährigen zu beweisen.

Der junge Mann muss sich seit Dezember 2020 vor der Strafkammer wegen mehrerer Delikte verantworten. So soll sich der Angeklagte am 24. Juni 2020 eine Verfolgungsjagd mit der Polizei quer durch den Zweibrücker Stadtteil Ernstweiler geliefert haben, um einer drohenden Verkehrskontrolle zu entgehen – unter Alkohol- und Drogeneinfluss und ohne Führerschein. Dabei war er über mehrere Kundenparkplätze gerast, an einem Mannschaftswagen der Bereitschaftspolizei Enkenbach-Alsenborn entlanggeschrammt und schließlich von den Beamten mit einem platten Reifen in einer Sackgasse gestellt worden.

Zudem soll er in der Nacht zum 24. Mai 2020 aus einem Contwiger Hinterhof ein Auto geklaut und es beim wilden Herumfahren demoliert haben. Das Gefährt war später ausgebrannt am Zweibrücker Beckerswäldchen gefunden worden (wir berichteten). Weshalb ihm Staatsanwalt Patrick Langendörfer zu Prozessbeginn unter anderem das Herbeiführen eines Verkehrsunfalls, Straßenverkehrsgefährdung zur Verdeckung einer Straftat, gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, Sachbeschädigung und Autodiebstahl vorgeworfen hatte.

Am Freitag bestätigte die Ärztin der Justizvollzugsanstalt (JVA) Frankenthal, dass der Angeklagte, der dort seinerzeit wegen anderer Delikte eingesperrt war, im Zeitraum Mai 2011 bis Dezember 2012 bei ihr vorstellig geworden sei – wegen „Kinkerlitzchen“, wie es die Medizinerin ausdrückte. So soll er mal über Rückenschmerzen („Wir haben hier sehr schlechte Matratzen“), Augen- und Magen-Darm-Probleme geklagt haben. Nach seinem Hinweis im September 2012, er leide unter einer vom Vater ererbten Schizophrenie, fühle sich verfolgt, bedroht und höre „immer wieder Stimmen“, habe sie eine Ausführung veranlasst, um den Gefangenen einem Psychiater in Speyer vorzustellen.

Auch der Nervenarzt bestätigte, dass der Gefangene seinerzeit zu ihm gebracht worden war, er ihn danach noch zwei Mal in der JVA aufgesucht habe: „Es lag offenbar eine wahnhafte Symptomatik vor.“ Allerdings träten „schizophrene Merkmale“ auch unter Drogeneinfluss auf. Er habe dem jungen Mann damals ein Medikament zur Beruhigung und gegen paranoide Störungen verordnet. Dem Psychiater zufolge soll er die Arznei später selber wieder abgesetzt und in diesem Zusammenhang angegeben haben, dass er inzwischen nicht mehr unter Angstzuständen leide: „Er schien mir wiederhergestellt.“ Gleichwohl spreche „alles für eine schizophrene Veranlagung des Angeklagten“, sagte der Psychiater. Jedoch sei „Schizophrenie nicht wie ein Knochenbruch sichtbar“. Außerdem gebe es „schizophrene Täter, die durchaus voll schuldfähig sind“.

Dennoch zeigte sich Verteidiger Münch zufrieden mit den Zeugenaussagen. Belegten sie doch – vom zeitlichen Abstand her – zumindest, dass sich sein Mandant die Sache mit der Schizophrenie nicht erst im Lichte des aktuellen Gerichtsverfahrens und der zu erwartenden Bestrafung ausgedacht haben kann.

Fortgesetzt wird die Verhandlung am Landgericht Zweibrücken am kommenden Donnerstag, 10. Juni, 14 Uhr.

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